Süddeutsche Zeitung

Erding:Online-Ostern

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Statt voller Kirchen gibt es in diesem Jahr Livestream-Messen und Youtube-Andachten. Wer es sich zutraut, der sucht und findet im Internet Anleitungen für einen Hausgottesdienst - und wie man die Speisensegnung selbst in die Hand nimmt

Von Florian Tempel, Erding

In der Osternacht, noch Stunden bevor die Sonne aufgeht, sind normalerweise viele Kirchen bis auf den letzten Platz besetzt. Auch wenn sonst im Jahresverlauf - Weihnachten ausgenommen - die Gottesdienste nur wenige Gläubige anziehen, war Ostern noch immer ein kirchlicher Magnet, sogar um 5 Uhr in der Früh. In diesem Jahr ist alles anders. Pfarrer treffen sich in der Osternacht mit behördlicher Sondergenehmigung an geheim gehaltenen Orten, die einfachen Gläubigen schauen auf den Bildschirm, klicken sich bei einem Livestream-Gottesdienst ein oder wählen eine bei Youtube bereitgestellten Podcast. Und wer es sich zutraut, der sucht und findet Anleitungen für eine Hausandacht, mit den richtigen Bibelstellen und liturgischen Texten - und der Erklärung, wie man den Speisenkorb mit den Eiern, dem Hefezopf, dem Schinken und dem gebackenen Osterlamm selbst segnet.

Wie tief die Corona-Ausgangsbeschränkungen in sonst selbstverständliche Grundrechte eingreifen, wird klar, wenn man die Ankündigung des Erdinger Stadtpfarrers Martin Garmaier liest. Er beschreibt, wie er und andere Pfarrer in der Nacht auf Ostersonntag eine kleine gemeinsame Osterfeier abhalten werden. Es wird eine ökumenische Feier, zusammen mit Vertretern der Evangelisch-Lutherischen Kirchengemeinde und der Neuapostolischen Kirche. "Dankenswerterweise", schreibt Garmeier, "haben wir vom Landratsamt die Genehmigung für diese Feier erhalten, allerdings unter der Prämisse, diese Feier analog zu den Bestimmungen bei Beerdigungen abzuhalten". Letzteres bedeutet, dass maximal 15 Menschen teilnehmen dürfen. Deshalb bittet Garmaier "um Verständnis, dass wir weder Ort noch den genauen Zeitpunkt bekanntgeben können". So viel darf verraten werden: Es wird eine Zeremonie im Freien mit einem Osterfeuer, an dem die Mitfeierenden die Osterkerzen entzünden. Im Anschluss werden die brennenden Kerzen in die Kirchen gebracht und dort, "verbunden mit einem Glockengeläut der jeweiligen Kirchen, das dunkle Gotteshaus mit dem Licht der Auferstehung erleuchten", schreibt Garmaier.

Das ist genau das, was die Gläubigen in normalen Zeiten hautnah miterleben wollen. Der eindrucksvolle Verlauf einer Osternacht, "wo es so viel gibt, was die Menschen erfahren können", sagt Andrea Schrinjack. Sie ist Pastoralreferentin und leitet das Schulpastorale Zentrum Erding. In ihrer Pfarrei St. Vinzenz in Klettham treffen sich die Gemeindemitglieder sonst in der Osternacht zunächst draußen am Osterfeuer. Später in der fast völlig dunklen Kirche, wenn der Pfarrer die Worte "Christus das Licht" gesprochen hat, werden reihum die Kerzen angezündet und die Kirche erstrahlt in einem warmen Licht. Dieses unmittelbare Erlebnis wird es 2020 nicht geben. Die Überbringung der Osterkerzen in die Erdinger Kirchen wird man sich nur nachträglich als Video ansehen können.

Als vor zwei Wochen klar wurde, dass man zu Hause bleiben muss, hat Schirnjack begonnen, auf der Seite www.schulpastorales-zentrum-erding.de alles für den Hausgebrauch zusammenzustellen. Mehrere katholische Pfarreien weisen nun in ihren Internetauftritt auf ihre Handreichungen hin. Hier finden sich Texte, Lieder und Gebete für Hausgottesdienste an Gründonnerstag, den Kreuzweg am Karfreitag und dann eben an Ostern. Und es findet sich auch einen Anleitung zur Osterspeisensegnung zu Hause. "Denn segnen, das darf jeder", sagt Schirnjack. Dazu gibt es Links zu anderen Seiten, mit speziellen Angeboten für Kinder und Jugendliche und einer Übersicht zu Livestreams von Gottesdiensten in der Diözese. "Es gibt mittlerweile ziemlich viel im Netz", sagt Schirnjack, "als ich vor zwei Wochen angefangen haben, war da kaum etwas."

Für die evangelische Kirchengemeinde Taufkirchen-Dorfen hat der Cembalist Bernhard Waritschlager musikalische Hausandachten für Karfreitag und Ostern eingespielt. Zusammen mit der Blockflötistin Sabine Wartischlager und dem Cellisten Manfred Pferinger hat er geistliche Barockmusik aufgenommen, die den Gottesdiensten große Feierlichkeit verliehen hätte. Dazu gibt es Lieder zum Mitsingen, biblische Texte zum Lesen und Bilder der leeren evangelischen Kirche in Dorfen - alles leicht zu finden auf Youtube.

Ein anderes Beispiel für Eigeninitiative ist die Jugendkirche Forstern, wo junge Menschen mit ihrem jugendgemäßen technischen und digitalen Know-how die Sache selbst sehr professionell selbst in die Hand genommen haben. Über www. jugendkirche-forstern.de wird man zum Livestream und zu Aufzeichnungen ganzer Gottesdienste in der Wallfahrtskirche Mariä Himmelfahrt in Tading geleitet. Die Messe an Palmsonntag, die Pfarrer Christoph Stürzer mit Unterstützung einer Ministrantin zelebrierte, wurde schon fast 2000 Mal angeklickt - so viele passen in die Kirche nicht hinein.

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SZ vom 08.04.2020
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