Öffentlicher Personennahverkehr:Reinbuttern statt rausgehen

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Ein Linienbus mitten auf dem Land und in der Fläche zwischen Pastetten und Harthofen. (Foto: Stephan Görlich)

Der Erdinger Kreisverband des Verkehrsclubs Deutschland (VCD) kritisiert einen von Landrat Bayerstorfer angedachten Abbau beim Linienbusangebot im Landkreis. Ganz im Gegenteil müsse der ÖPNV weiter ausgebaut werden, um die Wirtschaftlichkeit zu steigern.

Von Florian Tempel, Erding

„Wir müssen uns langfristig aus der Fläche verabschieden.“ Das ist keine neue Position von Landrat Martin Bayerstorfer (CSU) beim Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV). Er hat schon vor zweieinhalb Jahren gesagt, dass das Busliniensystem im Landkreis Erding so kostspielig sei, dass man es sich in der bestehenden Art nicht mehr leisten könne. Passiert ist noch nichts Spürbares, aber Bayerstorfer wiederholt das „Raus aus der Fläche“ seitdem immer wieder.

Alfred Schreiber, der Kreisvorsitzende des Verkehrsclubs Deutschland (VCD), ist zuletzt aufgeschreckt, als der Landrat genau das bei der Bürgerversammlung in Wartenberg erneut gesagt hat. Schreiber hat daraufhin eine Gegenrede verfasst. Buslinien in der Fläche zusammenzustreichen, sei der falsche Ansatz, schreibt er in einer Presseerklärung des VCD. Um den ÖPNV auf dem Land wirtschaftlicher zu machen, müsse er vielmehr ausgebaut werden.

Dass Landrat Bayerstorfer – und auch der Erdinger Oberbürgermeister Max Gotz (CSU) – seit Jahren schon über ein zu teures Bussystem reden, sich aber bislang kaum etwas geändert hat, hat auch damit zu tun, dass der ÖPNV eine auf längere Sicht berechnete Angelegenheit ist. Die Verträge mit den Busunternehmen, die die MVV-Busstrecken im Landkreis betreiben, haben eine Laufzeit von vier bis zehn Jahren. Die Verträge für die Stadtbuslinien und die Linie 512 zum Flughafen sind unlängst neu abgeschlossen worden, ohne dass nennenswerte Einschränkungen bekannt gegeben worden sind. Die Verträge für die anderen Linien laufen in den kommenden ein bis vier Jahren aus.

Zwar sind Anpassungen im Fahrplanangebot auch während der Vertragslaufzeit möglich, an einzelnen Stellschrauben kann also immer gedreht werden. Doch fundamentale Änderungen sind zwischendurch kaum möglich, weil die öffentliche Hand nicht einfach die betriebswirtschaftliche Planung der Busunternehmen umwerfen kann.

Laut dem Nahverkehrsplan 2020 sitzen im Schnitt in jedem Bus mindestens zehn Fahrgäste

Andreas Scharf ist Geschäftsführer der Busunternehmen Scharf und Bayernbus. Die beiden Unternehmen besorgen die Stadtbuslinien in Erding sowie fünf weitere MVV-Linien im Landkreis, darunter die wichtigen Verbindungen von Erding nach Taufkirchen und Dorfen sowie die Buslinie zum Flughafen München. Vor nicht allzu langer Zeit „hatten wir einen Termin wegen Kürzungen“, sagt Scharf, aber dabei sei es nur um „eher kleinere Umstellungen“ gegangen, im Großen und Ganzen gebe es wenig Änderungen.

Alfred Schreiber vom VCD sieht beim Fahrplan kein Einsparungspotenzial. Das Angebot im Landkreis sei ohnehin „nur sehr dürftig“. Selbst die wichtigsten Buslinien im Landkreis hätten nicht einmal durchgängigen Stundentakt. Deshalb „braucht man sich auch nicht zu wundern, wenn nicht mehr Nachfrage vorhanden ist“. Linien mit wenigen Fahrten je Richtung seien unattraktiv. In vielen andern MVV-Landkreisen gebe es deutlich dichtere Takte, die dann auch „sehr gut angenommen“ würden. 

Zu den Kosten schreibt Schreiber: „Eine Kostendeckung beim ÖPNV ist schlichtweg nicht möglich, genauso wenig wie das Straßennetz kostenfrei zu haben ist.“ Nach Ansicht des VCD sollte man auf den Bau der geplanten Nordumfahrung Erding verzichten, die sicher 100 Millionen Euro kosten würde. Er widerspricht zudem der Annahme, dass die Busse im Landkreis von nur wenigen Menschen genutzt würden.

Im 2020 herausgegebenen Nahverkehrsplan für den Landkreis Erding ist nachzulesen, dass die durchschnittliche Anzahl der Personen pro Buslinie bis auf zwei Ausnahmen – die Linien 580 und 569 – mindestens zehn Personen beträgt. Das sei doch kein schlechter Schnitt, findet Schreiber. „Die ständige Erzählung von leeren Bussen“, sei unredlich und führe zu falschen Schlussfolgerungen.

Die flächendeckende automatische Fahrgastzählung wird gerade erst eingeführt

Man müsse in jedem Fall die durchschnittliche Belegung pro Busfahrt betrachten. Dass in manchen Bussen tatsächlich nur eine Handvoll Menschen sitze, sei zwar wahr. Aber zu bestimmten Zeiten seien die Leute eben mehr in die eine als in die andere Richtung unterwegs. Morgens fahren etwa viele mit dem Bus von Dorfen nach Erding. Die Rückfahrt am Morgen sei erheblich schwächer besetzt. Dennoch fahre der Bus lohnender Weise zurück nach Dorfen, weil im nächsten Schwung noch einmal eine größere Menge Menschen nach Erding fährt.

Die Zahlen des Nahverkehrsplans 2020 könnten zudem bereits erheblich veraltet sein. Fahrgastzählungen sind bislang noch nicht automatisiert. Wie genau welche Fahrten auf welcher Linie ausgelastet sind, ist nicht exakt klar. Denn bislang sind nur wenige MVV-Busse im Landkreis mit automatischen Fahrgastzählsystemen unterwegs, bestätigt Busunternehmer Andreas Scharf. Erst in diesem Dezember werde sich das ändern. Dann werde jeder zweite Bus mit einer automatischen Fahrgastzählung ausgestattet. Das gibt neue und konkretere Erkenntnisse für die Diskussion, ob man raus aus der Fläche gehen müsse oder eben gerade nicht.

Der VCD fordert schon mal einen durchgängigen 20-Minuten-Takt im Berufsverkehr auf der Linie 562 von Erding nach Taufkirchen. Auch die Linien 501 Erding-Fraunberg-Wartenberg-Moosburg und die Linie 531 Erding-Moosinning-Ismaning sollten „deutlich ausgebaut werden“. Zwischen Erding und Dorfen müsse es eine stündliche Anbindung über die Linien 565 und über die Linie 567 über Walpertskirchen, Lengdorf, Isen und St. Wolfgang geben, dazu einen Zweistundentakt am Wochenende. Und da die S2 mittlerweile im 20-Minuten-Takt bis Erding fahre, sollten auch die wichtigsten Stadtbuslinien einen 20-Minuten-Takt anbieten. 

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