Erding:"Nehmt euch Zeit, setzt euch hin und genießt"

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Bevor die Besucher des Sinnflut-Festivals dort entspannte Stunden verbringen können, gibt es allerhand zu tun. Ein Besuch beim Aufbau für das kulturelle Mammutspektakel, das am Freitag beginnt

Matthias Vogel

Das Wahrzeichen der Veranstaltung sieht aus wie Gullivers Sitzgelegenheit im Land der Zwerge. Ein gigantischer Stuhl, zusammengezimmert aus Baumstämmen, steht jedes Jahr auf dem Sinnflut-Festival. Auch bei der 19. Auflage, die am 27. Juli auf dem Erdinger Volksfestplatz beginnt und am 5. August endet. Im vergangenen Jahr gingen die Besucher des kulturellen Mammutspektakels unter ihm durch, wenn sie auf das stille Örtchen mussten.

Noch hat er Platz für eine Rundfahrt über das Gelände: Börnie Sparakowski mit einem Trike vor dem größten Holzstuhl weit und breit (Foto: Bauersachs)

"Das war dann der Stuhlgang", sagt Börni Sparakowski und feixt. Zusammen mit Peter Feller lenkt er dieser Tage den Aufbau des Festivals. Heuer steht das Riesenmöbelstück am Anfang des Gastronomie-Bereiches, gleich neben dem Motorrad-Café "La Strada", das dank einer alten Moto Guzzi bereits Kultstatus auf dem Festival genießt. Ein Wortspiel zum "Wanderstuhl" gibt es dieses Mal nicht. Das passt Sparakowski: Nichts folgt einer festen Regel auf dem Festival. "Der Stuhl steht über den Dingen. In diesem Jahr symbolisiert er: Leute, nehmt euch Zeit, setzt euch hin, rastet und genießt - das ist das, was unser Festival ausmacht."

Von Ausruhen und genießen ist das Sinnflut-Team noch ein gutes Stück weit entfernt. Wenn er nicht gerade ein Statement zum aktuellen Stand der Vorbereitungen geben muss, saust Sparakowski in Blaumann-Jacke und mit wehendem Haar mit einem eigenartigen Gespann, einem Motorrad mit Ladefläche, über das Gelände. Er muss viele Fragen der Helfer beantworten, doch seine Kernkompetenz liegt im Verlegen und Anschließen der Wasser- und Abwasserleitungen. "Das hat mein Vater beruflich gemacht, da habe ich einiges gelernt", sagt der Mann, der sonst hauptsächlich in Sachen "Kultur in und für Erding" unterwegs ist. Für die Sinnflut GmbH lohnt sich die Eigenleistung ihres Chefs. "Ein paar Tausend Euro kostet es sicher, wenn ich eine Firma kommen lasse."

Niko Kronseder vom gleichnamigen Holztransport-Unternehmen rückt an. "Wo soll der große Baumstamm hin?", will er wissen. "Vor die Allianz-Bühne", sagt Sparakowski. Kronseder setzt sich auf einen Bagger, der auf seinem Laster montiert ist und wuchtet das Teil auf seinen Lader. "Sechseinhalb Tonnen wiegt das Trumm", sagt er. "Ohne Niko geht hier überhaupt nichts", sagt Sparakowski und er ist froh, dass etwas geht. Denn: "Die Kinder sind beeindruckt, wenn sie solche Stämme abseits des Waldes sehen." Heuer kommt dem Holz sowieso eine besondere Bedeutung zu. Einige Bildhauer begeben sich für die Besucher wieder einmal auf den "Bayerischen Holzweg". Im Laufe des Festivals sollen aus ähnlich massiven Stämmen faszinierende Skulpturen entstehen.

Nicht nur "Gullivers Stuhl" wurde versetzt. Auch das Wegenetz ist ein anderes als vergangenes Jahr. Den Machern des Festivals widerstrebt jegliche Form von Gewohnheit, deshalb wurden die "altbekannten Bahnen durchbrochen", wie es Sparakowski nennt. Die überdachte Fläche ist in diesem Jahr größer. Das ist dem schlechten Wetter geschuldet, gegen das auf dem Sinnflut-Festival beinahe schon traditionell gekämpft werden muss. "2011 haben sich die Leute zwar vom Regen nicht abhalten lassen. Das ist schön, aber dennoch sollen sie sich ja unterstellen können."

Manfred Höhenberger kommt näher. Er will etwas wegen der Elektrik wissen. "Ohne ihn geht gar nichts", sagt Sparakowski wieder. Kabel legen, Wasserleitungen anschließen, tonnenschwere Baumstämme von A nach B zu wuchten, auf dem Volksfestplatz muss alles ineinander greifen. Wenn die Holztrümmer dekorativ vor der Allianzbühne angeordnet sind, wenn die Lichter auf der Bühne Saft haben und alle Toiletten und Hähne Wasser führen, "dann bin ich zufrieden", sagt Sparakowski.

Doch was, wenn dem Publikum das Programm nicht gefällt? "Wir legen es nicht darauf an, den Leuten auf Teufel komm raus zu gefallen. Es ist genügend geboten, jeder kann sich etwas heraussuchen." Außerdem: Für wen wirklich weder eine Musikrichtung noch ein künstlerischer Act dabei ist, der kann sich immer noch am gigantischen Holzstuhl orientieren, der bedeutet: "Iss etwas Leckeres und entspann dich!"

© SZ vom 24.07.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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