Erding:Nachholbedarf

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Seit wieder Flüchtlinge kommen, sind am Eingang zum Warteraum Asyl wieder die Fahnen Deutschlands, der EU und des Roten Kreuz' gehisst. (Foto: Renate Schmidt)

Die Behörden haben sich zuletzt sehr viel Zeit gelassen. Mit dem mühselig ausgehandelten Familiennachzug für "subsidiär Schutzberechtige" hat das aber nichts zu tun.

Von Florian Tempel, Erding

Dass Flüchtlinge ihre Ehepartner und Kinder nachholen dürfen, um mit ihnen zusammenzuleben, ist in Deutschland keine Selbstverständlichkeit. Wer unter welchen Umständen seine Familie zu sich holen darf, ist ganz unterschiedlich geregelt. Bei den 177 Kinder, Frauen und Männer, die am Montag mit einem Flug aus Athen in München landeten und die für die formale Einreise in den Warteraum Asyl am Erdinger Fliegerhorst gebracht wurden, handelte es sich um einen Familienzusammenführung nach dem Dublin III-Abkommen. Darin ist folgendes geregelt: Wenn Mitglieder einer Flüchtlingsfamilie sich in verschiedenen EU-Ländern aufhalten, ist das Land zuständig, wo zuerst ein Asylantrag gestellt wurde. Ein Beispiel: Eine Frau ist mit einem Kind nach Deutschland gekommen und hat hier Asyl beantragt. Ihr Ehemann ist mit zwei weiteren Kindern erst später in Griechenland eingetroffen. Laut Dublin III soll die Familie in Deutschland zusammengeführt werden.

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) hat am Montag angekündigt, dass die Familienzusammenführung in den kommenden Wochen mit weiteren Flügen aus Griechenland fortgesetzt wird. Das Bundesinnenministerium teilte Anfang September auf eine Anfrage der Linken-Fraktion im Bundestag mit, dass in Griechenland "noch rund 1800 Personen, für die Deutschland seine Zuständigkeit zur Durchführung des Asylverfahrens erklärt hat, auf ihre Überstellung warten". Die meisten von ihnen stammen aus Syrien, Afghanistan oder dem Irak.

Sammelflüge zur Familienzusammenführung aus Griechenland hat es bislang nicht gegeben. Bisher kamen Ehepartner und Kinder oder auch die Eltern von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen einzeln nach Deutschland, weiß Maria Brand, Vorstandsmitglied von "Unser Veto", dem Landesverband der ehrenamtliche Flüchtlingshelfer in Bayern. Dass nunmehr vom Bamf eigene Flüge für große Gruppen gebucht werden, erklärt Brand damit, dass die deutschen Behörden sich zuletzt sehr viel Zeit mit der Familienzusammenführung gelassen hätten. Im August hat Deutschland mit Griechenland ein Abkommen über die Rücknahme von Migranten vereinbart, die vorher bereits in Griechenland Asyl beantragt haben. Im Gegenzug wurde die mehr oder weniger gestoppte Familienzusammenführung wieder aufgenommen.

Mit dem von der großen Koalition mühsam ausgehandelten Familiennachzug für "subsidiäre Schutzberechtigte", haben die Charterflüge nach München und die Einreisen über den Warteraum Erding nichts zu tun. Für diese Gruppe von Flüchtlingen sieht das Gesetz ausdrücklich "keinen Anspruch auf Familiennachzug" vor, wie auf der Internetseite der Bundesregierung nachzulesen ist. "Ehegatten und minderjährige Kinder als engste Familienangehörige dürfen unter Umständen nachziehen", heißt es weiter. Es werden maximal 1000 Menschen pro Monat zugelassen, und "die Behörden entscheiden anhand humanitärer Gründe, wer eine Aufenthaltserlaubnis in Deutschland erhält."

Ein unbeschränktes Recht auf Familiennachzug haben nur die Flüchtlinge, die nach der Genfer Flüchtlingskonvention anerkannt werden. Doch auch sie haben oft mit riesigen Problemen zu kämpfen. Die in der Heimat zurückgebliebenen Angehörigen müssen meistens erst in Nachbarländer flüchten und dann dort monatelang auf einen Termin in der deutschen Botschaft warten, damit ihr Verfahren überhaupt in Gang kommt.

© SZ vom 17.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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