Süddeutsche Zeitung

Erding:Nachfrage nur in der Stadt

In Erding und Dorfen wurden die Angebote der Corona-Hilfen gebraucht und gut angenommen. In den ländlichen Gemeinden im Landkreis blieben die Hilfetelefone hingegen oft still

Von Gerhard Wilhelm, Erding

Mit Beginn der Corona-Pandemie und den persönlichen Einschränkungen durch den Lockdown sind überall im Landkreis spezielle Hilfsangebote entstanden, um vor allem älteren Menschen oder Personen aus Risikogruppen Unterstützung anzubieten. Die Hilfen wurden vor allem in den Städten Erding und Dorfen angenommen. Auf dem Land blieben die Hilfetelefone oft still, wie von den Corona- und Nachbarschaftshilfen zu erfahren ist.

"Bei uns gab es einige, die Hilfe brauchten, das ist gut angenommen worden", sagt Irene Hoffmann von der Coronahilfe Erding. Für mehrere ältere Personen sei man Einkaufen gegangen, habe Medikamente aus der Apotheke geholt oder den Hund Gassi geführt. "Ich selber habe einen Gassigänger für meine Hunde gesucht. Und wenn ich eh immer daheim sitze und nicht raus darf, habe ich dann die Hotline übernommen", sagt Hoffmann. Die Anzahl der Anrufer sei zuletzt stark zurückgegangen. Allerdings hätten viele Leute inzwischen mit den Betreuern direkt etwas ausgemacht und würden ihre Vermittlung nicht mehr benötigen. Sie sei nach wie vor "sehr begeistert" über die Bereitschaft zu helfen, sagt Hoffmann. Es habe auch Anrufe von weiter weg geben, zum Beispiel aus Augsburg. Die Eltern der Anrufer waren in Erding im Altersheim. "Sie fragten, ob wir nicht dorthin was liefern können, weil sie nicht mehr selbst Süßigkeiten vorbei bringen könnten. Also haben wir Süßigkeiten-Spendenboxen aufgestellt und die in den Altersheimen verteilt", erzählt Hoffmann. Auch die Pflegerinnen und Krankenschwestern hätten so "Nervennahrung" bekommen.

Gut beschäftigt war und ist immer noch die Nachbarschaftshilfe Dorfen. Sie hat eine breite Palette an Angeboten, wie die Vorsitzende Ruth Wildgrube erläutert: "Bei der Tafel haben wir einen Lieferdienst eingerichtet, als es mit Corona losging. Wir versorgen derzeit 51 Haushalte mit 150 Personen." Zurzeit prüfe man, ob man auf eine vereinfachte Ausgabe mit gepackten Tüten umstellen könne. Auch beim Einkaufsdienst habe es einige Nachfragen gegeben. "Allerdings weniger als gedacht", sagt Wildgrube, "da viele doch noch offenbar selber einkaufen gehen, wir hatten 30 Einsätze." Der Seniorenmittagstisch wurde auf eine Essenslieferung umgestellt. "Inklusive kleinem Geschenk und Briefchen. Das wird sehr geschätzt von alleinstehenden Senioren." Anfangs gut gelaufen sei auch das "Plaudertelefon", in letzter Zeit habe es jedoch immer weniger Redebedarf gegeben.

"Bei uns gab es von Anfang an nicht den große Andrang und in den letzten Wochen gar nichts mehr."

"Bei uns gab es von Anfang an nicht den große Andrang und in den letzten Wochen gar nichts mehr", berichtet Ramona Herget von der Coronahilfe Buch am Buchrain, die die Dirndlschaft Buchner Bixn ins Leben gerufen hat. Man habe nur vier Anfragen insgesamt gehabt. "Wir schätzen, dass im ländlichen Umfeld ganz einfach Familien oder Angehörige sich darum gekümmert haben", sagt Herget. "Es sind so gut wie keine Anfragen gekommen", sagt auch Gisela Foß von der Nachbarschaftshilfe Oberding. Seit April betreut sie das Coronahilfetelefon, aber bis auf einige Einkaufsanfragen sei nicht viel zu tun gewesen. Die Anfragen hätten zudem weniger mit Corona zu tun gehabt, sondern mit dem, was die Nachbarschaftshilfe eh anbiete. Auch bei der Krisenhilfe Forstern hatte man sich mehr Nachfrage erwartet. "Es ist relativ wenig gekommen. Was vielleicht auch zeigt, dass die Krise nicht so schlimm war. In den letzten zwei, drei Wochen kam gar nichts mehr", sagt Michael Mettin. In seinem persönlichen und beruflichen Umfeld habe er gesehen, dass ältere Menschen die Lage teilweise gar nicht so ernst genommen hätten. Viele seien weiter fleißig zum Einkaufen gegangen, mit dem E-Bike rumgefahren und hätten die angebotenen Hilfen deshalb nicht benötigt. "Man hat die Hilfe anders angedacht", sagt Mettin, "jetzt sind wir eine Erfahrung reicher und wenn es wirklich schlimm geworden wäre, hätte man sie wohl doch gebraucht." Das Krisentelefon soll dennoch bis Jahresende bestehen bleiben.

Wenn man Heike Schwaiger, die Vorsitzende der Nachbarschaftshilfe der Verwaltungsgemeinschaft Wartenberg die Frage stellt, ob sich viele gemeldet haben, bekommt man einen Lacher als erste Antwort. "Wir hatten jetzt doch tatsächlich mal eine Anfrage, vor vielleicht 14 Tage, da ging es ums Einkaufen." Man habe sich schon mehr erwartet, sagt Schwaiger, doch es habe "tote Hose" geherrscht. Auch sie denkt, dass sich die Menschen in ländlicheren Gegenden mehr untereinander geholfen haben.

Bei Martin Kutschauer in Hörlkofen hielten sich die Anfragen ebenfalls in Grenzen: "Wir hatten nur vereinzelt Anrufe, was aber auch gut ist. Es ging um Einkäufe oder Botengänge, beispielsweise etwas zur Post zu bringen. Ich glaube, dass viele ältere Menschen, die Hilfe brauchten, sehr nah bei ihren Angehörigen leben. Die kommen gar nicht in die Situation, unsere Hilfe zu benötigen."

Mehr los war, beziehungsweise ist noch in Isen. "Bei mir ist schon einiges angekommen", sagt Patrizia Bamring von der Nachbarschaftshilfe Isen-Lengdorf-Pemmering, "von Einkaufen für alleinstehenden Personen bis hin zur Hilfe beim Ausfüllen von Formularen, die nicht warten durften." Sie sei immer noch jeden Vormittag gut beschäftigt, sagt Bamring. Es hätten zwar auch andere Einrichtungen in der Gemeinde Hilfe angeboten. Doch die würden unisono sagen, dass sie keine Arbeit haben. "Das liegt wohl auch daran, dass man uns kennt vom Pfarrverband beziehungsweise von der Nachbarschaftshilfe."

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4932288
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 10.06.2020
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.