Süddeutsche Zeitung

Erding:Mit dem Flugzeug in die Therme

Lesezeit: 3 min

Von Mathias Weber, Erding

Bei der Frage muss Jörg Wund schmunzeln: Ob nicht die Stadt Erding, will ein Journalist wissen, zu einem "Bad Erding" werden könne, wo doch die Therme zu so einem wichtigen Teil der Stadt geworden ist. Der Themen-Chef Wund wischt die Idee schnell zur Seite, viel würde das nicht bringen. Seine Managerin Kirsten Schneider-Kohnke hat dafür eine vielleicht realistischere Idee: Sie würde sich einen Stadtteil "Therme" wünschen. "So groß wie ein eigener Stadtteil sind wir ja mittlerweile."

In der Tat, die Therme Erding wächst, und der Erfolg wächst immer noch mit. Ein Jahr, nachdem das Victory, das Hotel mit direktem Zugang zu den Thermenwelten, eröffnet wurde, hat Jörg Wund zur Geburtstagsfeier für Freunde und Journalisten geladen. Wund und den Mitarbeitern war der Stolz auf ihr mehr als hundert Millionen Euro teures Projekt anzusehen, denn es entwickelt sich offenbar prächtig. 80 000 Gäste zählte das Hotel in einem Jahr, die Auslastung liegt bei herausragenden 86 Prozent. Zum Vergleich: In der Stadt Erding insgesamt liegt die Auslastung der Betten bei 53 Prozent, in München bei gut 60.

Der Umkreis der Therme vergrößert sich

Viele Familien kommen in die Therme, was ganz dem Konzept entspricht: Knapp mehr als 11 000 der 80 000 Gäste waren Kinder. Dazu will man auch Messegäste ansprechen, die keinen langen Weg nach Riem haben. Auch in der Therme selbst werden Tagungen und Konferenzen abgehalten, 600 bisher. 2,1 Tage bleiben die Hotelgäste im Durchschnitt, und Managerin Schneider-Kohnke beeilt sich zu versichern, dass die auch den Weg in die Stadt finden.

Denn das ist immer wieder ein Kritikpunkt an der Therme: Dass die Gäste kaum in die Innenstadt finden. Schneider-Kohnke sagt, sie sähe jeden Tag Gäste mit Gruber-Tüten durch die Lobby schlendern. Das Gewandhaus betreibt jedoch auch eine Filiale in der Therme. Vom kommenden Jahr an soll es im Eingangsbereich einen speziellen Ansprechpartner geben, der auf Ausflugsmöglichkeiten in der Umgebung hinweist.

Mit dem Flugzeug in die Therme

Der Umkreis, aus dem Gäste nach Erding kommen, hat sich Wund zufolge mit der Eröffnung des Hotels von 300 auf 400 Kilometer vergrößert. Die meisten Hotelgäste kommen nach wie vor aus Deutschland, gefolgt von Österreich, der Schweiz, den USA, Israel und Italien. Besonders stolz ist Jörg Wund darüber, dass 50 Prozent der Gäste des Hotels zum ersten Mal in die Therme kommen. "Die Menschen sind neugierig", sagt er. "Dass man in 18 Betriebsjahren so viele neue Gäste begrüßen darf, das beruhigt." Viele von ihnen legten auf dem Weg von Norden nach Süden in Erding eine Pause ein, wenn sie mit dem Auto unterwegs sind.

Aber auch neue Märkte hat man schon im Blick: Aus Skandinavien und den Niederlanden will das Management neue Gäste gewinnen. Sie sollen in Zukunft mit dem Flugzeug in die Therme kommen können, einen ersten Schritt in diesem Segment hat man schon getan: Bald wird eine Kooperation der Therme mit der Fluglinie Air Dolomiti beginnen. Unter dem Motto "Air Dolomiti flies Therme Erding" sollen Kunden die Möglichkeit haben, den Flug nach München, Übernachtung und Therme direkt als Paket zu buchen. Weitere solcher Kooperationen mit anderen Fluglinien sind offenbar schon angedacht. Auch geplant ist ein eigener Shuttle-Service der Therme zum Münchner Flughafen.

Eine eigene Hotelkette gründen

Die Gästezahl dürfte dann noch einmal ansteigen, durch die Eröffnung des Hotels gab es sowieso schon einen Zuwachs um bis zu zwölf Prozent. Sie alle haben in einem Hotel übernachtet, an dem keine Sterne kleben: Eine Klassifizierung des Hotels werde es nach wie vor nicht geben, sagte Jörg Wund, weil man sich keiner Gaststättenorganisation anschließen werde, zum Beispiel der Dehoga, dem deutschen Hotel- und Gaststättenverband. Vielmehr sei angedacht, an anderen Thermen-Standorten der Wund-Gruppe auch Hotels zu eröffnen und so seine eigene kleine Hotelkette zu schaffen.

Dann wird Wund aber mehr Shampoo einkaufen müssen. Schon jetzt haben die Gäste 20 160 Flaschen verbraucht, außerdem 7200 Badeslipper. Im Restaurant wurden 2950 Currywürste verdrückt - die beliebteste Mahlzeit gleich nach Schnitzel und Alpenburger; runtergespült wurden sie mit 15 000 Litern Erdinger. Aber Spaß im Wellenbad und Würste im Restaurant sind offenbar nicht alles für die Gäste: In der Erdinger Therme wurden im vergangenen Jahr 520 Heiratsanträge gemacht - das entspricht 1,4 Anträgen pro Tag.

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Quelle:
SZ vom 23.10.2015
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