Süddeutsche Zeitung

Erding:Leere Tragl, spitze Zungen

Kräftigen Gerstensaft trinken und dem Derbleckn zuhören - der ganze Landkreis freut sich auf die Starkbierzeit. Der Bock reift schon seit Monaten.

Thomas Daller

In der Fastenzeit hat mancher Mönch die Psalmen wohl nur noch gelallt, denn fünf bis zehn Maß Bier pro Tag standen ihm zu. Flüssiges bricht Fasten nicht, war die Devise; und das Starkbier hat bis heute nichts von seiner Beliebtheit eingebüßt. Im ganzen Landkreis werden in den kommenden Wochen wieder Starkbierfeste gefeiert. Das berühmte "Derblecken" auf dem Nockherberg hat auch vielen regionalen Festen neue Impulse gegeben und diese Mischung aus Gaudi, viel Stammwürze und einem deftigen Essen ist zu einem beliebten Treff für Jung und Alt geworden. Die Rezepte, nach denen die hiesigen Brauereien ihr Starkbier brauen, sind so alt, dass niemand mehr weiß, aus welcher Zeit sie stammen. "Der Sankt Prosper ist älter als alle unsere anderen Biere", sagte Peter Hiebl von der Fischers Stiftungsbrauerei in Erding. Wann es zum ersten Mal gebraut wurde, sei nicht mehr nachvollziehbar: "Das ist sehr, sehr, sehr lange her." Das Bier mit 18 Prozent Stammwürze ist nach Prosper Tiro von Aquitanien benannt, dem Schutzpatron der Dichter, dessen Gebeine in der Erdinger Kirche Sankt Johann liegen. Die Gebeine des Stadtpatron sollen 1676 nach Erding gekommen sein; der spätantike Schriftsteller und Kanzleischreiber von Papst Leo I. lebte im fünften Jahrhundert. Am vergangenen Samstag konnte man den Sud dieses Jahres bereits beim traditionellen "Schön- und Stärketrunk" im Gasthaus Kreuzeder probieren. 60 Hektoliter wurden gebraut. Das reicht meist nicht lange, sagte Hiebl: "In vier Wochen sind die weg, spätestens." Am kommenden Freitag, 2. März, wird das große Starkbierfest im Gasthof "Zur Post" gefeiert. Mit dabei sind die Träger des "St. Prosper Kabarettpreises 2012", das Trio "Creme Bavarese". Der Preis wurde heuer erstmals verliehen und die Brauerei will auch in den kommenden Jahren einen Preis ausloben und die Preisträger zum Starkbierfest einladen. Der Erdinger Weißbräu hat natürlich auch ein Bockbier im Sortiment. Es ist der dunkle Weizenbock "Pikantus". Er hat 16,7 Prozent Stammwürze und einen Alkoholgehalt von 7,3 Prozent. Dabei handelt es sich aber um kein saisonales Brauerzeugnis, weil er das ganze Jahr über im Angebot ist. Daher gibt es auch kein spezielles Fest, das ihn an die Fastenzeit bindet. In Dorfen, wo die Brauerei Bachmayer den Doppelbock "Josefator" mit 18,5 Prozent Stammwürze braut, wird es heuer noch mal ein "Derblecken" im Streiblsaal geben. Es gibt aber kein neues Programm, sondern das Beste aus den vergangenen zehn Jahren. Die Dorfener Comedytruppe wollte eigentlich schon nach dem Derblecken im vergangenen Jahr einen Schlussstrich ziehen, weil sie die Anfeindungen von beleidigten Leberwürsten satt hatten. Da aber Gabi Bertl, die das Josefator-Fest ins Leben gerufen hatte, heuer als Wirtin aufhören will, kam noch diese Abschiedsvorstellung zustande. Gefeiert wird am Freitag und Samstag, 16. und 17. März. Am gleichen Wochenende findet auch das Starkbierfest in Sankt Wolfgang statt, bei dem ebenfalls der Dorfener "Josefator" ausgeschenkt wird. Gefeiert wird im Gasthof "Zum Schex", wo der Wirt Anton Silbernagl als scharfzüngiger Fastenprediger den Lokalpolitikern die Leviten liest. Darüber hinaus weiß man auch in Taufkirchen die Fastenzeit zu feiern. Von 16. bis 18. März veranstaltet die Brauereigenossenschaft auf ihrem Gelände ein Starkbierfest, bei dem der hauseigene Bock mit 16,4 Prozent Stammwürze ausgeschenkt wird. 70 Hektoliter hat Braumeister Thomas Drechsel bereits vor drei Monaten eingelagert. Das ist relativ lang, trägt aber zum guten Geschmack bei. Verkauft wird der Taufkirchener Bock bei noch fünf weiteren Starkbierfesten in der Region; Ende März ist in der Regel auch das letzte Tragl leer. Ein ausgezeichnetes Starkbier ist auch der St. Georg Doppelbock, den Christoph Vincenti im Eittinger Fischerbräu braut. Er hat 18,5 Prozent Stammwürze und 7,95 Prozent Alkohol und wird sowohl in Flaschen als auch in Dosen abgefüllt. Der Doppelbock hat im vergangenen Jahr beim renommierten weltweiten Wettbewerb "Beer Star" die Bronzemedaille gewonnen. Internationale Auszeichnungen fördern jedoch auch die internationale Nachfrage: Im vergangenen Jahr hat ein Importeur aus China die gesamten Doppelbockbestände aus Eitting aufgekauft. Aber heuer hat Vincenti gleich 100 Hektoliter gebraut, sodass die heimische Nachfrage ebenfalls gedeckt werden kann. Das Starkbierfest des Fischerbräu hat bereits am vergangenen Samstag stattgefunden, sagte Vincenti. Es wird aber in den Gaststätten, die die Brauerei beliefert, noch eigene Starkbierfeste geben. Sauer wird das Saisonbier aus Eitting auf keinen Fall werden, denn Vincenti hat auch heuer wieder Anfragen aus anderen Ländern, ob er nicht doch ein paar Hektoliter exportieren könnte. Vincenti hat sich noch nicht entschieden, aber er will auch den Chinesen nicht die Starkbierfeste verderben: "Dieser Markt wird immer wichtiger."

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SZ vom 28.02.2012
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