Süddeutsche Zeitung

Langenpreising:Irritation über CSU-Ansichten

Ein offener Brief des Ortsverbands liest sich wie ein AfD-Pamphlet. Die Langenpreisinger CSU sieht unter anderem "für die deutsche Bevölkerung eine weitere Belastung durch eine neuerliche Flüchtlingswelle".

Von Florian Tempel, Erding

Bei der Nominierungsversammlung der CSU für die Landtags- und Bezirkstagswahl 2023 hat der Langenpreisinger Alexander Otto Klug nicht nur mit seiner Bewerbung überrascht, sondern auch mit einem erstaunlichen Ergebnis. Klug erhielt in der Kampfabstimmung gegen Oberbürgermeister Max Gotz ein Drittel der Stimmen. 58 der 170 Delegierten wollten lieber ihn als den Erdinger OB im Bezirkstag sehen.

Bei der Frage, was für ein Typ dieser Alexander Otto Klug ist, war ein Blick auf seine Facebook-Seite aufschlussreich. Dort hatte Klug mehrere Beiträge von AfD-Politikern geteilt. Noch in der Nacht nach der Nominierungsversammlung übernahm er unkommentiert ein Video einer Rede von Alice Weidel inklusive überschwänglicher Lobhudelei. Auf der Facebook-Seite fanden sich noch weitere AfD-Beiträge, wie etwa ein Auftritt des AfD-Bundestagsabgeordneten und ehemaligen Landesvorsitzenden Martin Sichert. Der SZ sagte Klug, er sei zwar gegen die AfD, teile aber einige ihrer Positionen. Die AfD vertrete konservative Werte und mache in vielen Bereichen die Politik, für die die CSU vor 20 Jahren stand - das gefalle ihm. Mittlerweile hat Klug seine Facebook-Seite einer gründlichen Säuberung unterzogen. Es findet sich dort nun überhaupt nichts Politisches mehr, nur noch Familiäres, Urlaubsfotos und unverfängliche Sinnsprüche.

Klug ist keineswegs ein Einzelkämpfer, sondern er gehört dem Vorstand des Ortsverbands Langenpreising an und ist als Gegenkandidat zu OB Max Gotz in der Versammlung von Leo Melerowitz, seinem stellvertretenden CSU-Ortsvorsitzender, vorgeschlagen worden. Wahrscheinlich wussten nicht alle CSU-Delegierten, die dem Überraschungskandidaten Klug ihre Stimme gaben, dass er eine Abgrenzung zur AfD vermissen lässt. Doch viele von ihnen werden wohl den offenen Brief des CSU-Ortsverbands Langenpreising gekannt haben, der im Oktober verschickt wurde. In diesem Brief kommen, wie darin eingangs beteuert wird, die mehrheitlichen Ansichten der Langenpreisinger CSU-Mitglieder zum Ausdruck - die inhaltlich deckungsgleich mit AfD-Positionen sind und auch in ihrer Formulierung starke Ähnlichkeit zu AfD-Pamphleten haben.

Die CSU-Mitglieder an der Basis wollen neue Atomkraftwerke und weniger Migranten

In dem offenen Brief wird zunächst die aktuelle Bundesregierung massiv kritisiert und die Umkehr vom Atomausstieg gefordert. Wobei man nicht zimperlich ist: "Ein Atomausstieg ohne vorherige Schaffung einer sicheren Energieversorgung stellt ein Verbrechen am eigenen Volk dar." Zweites Thema ist die Migration. Die Langenpreisinger CSU sieht "für die deutsche Bevölkerung eine weitere Belastung durch eine neuerliche Flüchtlingswelle" und nennt angebliche Folgen der "untragbaren Migrationspolitik" der Bundesregierung: "Das Sozialsystem blutet aus, die Kriminalität steigt an und der Wohnraum wird derart verknappt, dass der Normalverdiener kaum mehr in der Lage ist, die, Mietpreise zu zahlen." Die CSU agiere auf Bundesebene viel zu lasch.

"Hat man zu viel Angst vor den Medien?", fragen die Langenpreisinger. In diesem Stil gehen die Klagen weiter: "Die Politik sorgt sich um ein korrektes Gendern, um die Frage, ob Kinder ihr Geschlecht jährlich ändern können sollen, ob Straßennamen zu ändern sind, weil der Namensgeber möglicherweise heutzutage politisch nicht korrekte Ansichten vertreten hat." Der Gegner wird ganz klar ausgemacht: Es sind die Grünen mit ihrer "abwegigen, lebensfremden und ideologischen Politik".

"Offiziell ist nichts gekommen"

Dieser Brief ging an viele in der CSU raus. An Ministerpräsident Markus Söder, den Bundestagsabgeordneten Andreas Lenz, Staatsministerin Ulrike Scharf, Landrat Martin Bayerstorfer und die Vorsitzenden der Arbeitskreise und Ortsvereine im Landkreis Erding. Doch niemand habe auf das Stimmungsbild von der Basis reagiert, sagt Leo Melerowitz, entgegen allen Erwartungen "haben wir keine Rückmeldung bekommen". Aber dann sagt er noch, "offiziell ist nichts gekommen".

Das ist ein kluger Hinweis von Melerowitz. Denn die vielen Stimmen für Alexander Otto Klug, den Gegenkandidaten zu OB Max Gotz, könnte man ja durchaus als Reaktion werten.

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