Landkreispolitik:Rüffel von der Aufsichtsbehörde

Landkreispolitik: Der Erdinger Landrat Martin Bayerstorfer.

Der Erdinger Landrat Martin Bayerstorfer.

(Foto: Stephan Görlich)

Die Regierung von Oberbayern gibt den Grünen recht, dass der Erdinger Landrat Bayerstorfer viele ihre Anträge im Kreistag unrechtmäßig verhindert hat.

Von Florian Tempel, Erding

Mehrere Anträge der Grünen-Fraktion im Erdinger Kreistag sind von Landrat Martin Bayerstorfer (CSU) gar nicht erst auf die Tagesordnung genommen und so schon im Vorfeld verhindert worden. Dieses Vorgehen war unrechtmäßig, stellt nun die Regierung von Oberbayern in ihrer Funktion als Aufsichtsbehörde fest und gibt damit einer Beschwerde der Grünen statt. Florian Geiger, einer der Fraktionssprecher, zeigte sich erfreut über die klare Einschätzung der Bezirksregierung: "Ich bin froh, dass unser Recht auf demokratische Mitbestimmung in den kommunalen Gremien gestärkt wurde." Und: "Wir gehen nun davon aus, dass unsere Anträge bald auf die Tagesordnung der zuständigen Gremien gesetzt werden." Eine Sprecherin des Landratsamts bestätigt das: "Die Anträge werden selbstverständlich auf die Tagesordnung der zuständigen Ausschüsse gesetzt."

Landrat Bayerstorfer hatte die 2020 und 2021 gestellten Anträge "Sicherer Hafen Landkreis Erding", "Erstellung eines Gründachpotenzialkatasters", "Erstellung eines Solarpotenzialkatasters" und "Dachbegrünung Anne-Frank-Gymnasium" mit unterschiedlichen Argumenten nicht zugelassen, unter anderem mit dem Hinweis, der Kreistag sei für so etwas nicht zuständig und würde sonst seine Kompetenzen überschreiten.

Die Grünen hielten in ihrer Beschwerde bei der Regierung von Oberbayern dagegen, dass vielmehr Bayerstorfer seine Kompetenzen überschritten habe. Die Bezirksregierung gibt den Grünen recht. "Wir haben die Angelegenheit geprüft und sind zu dem Ergebnis gekommen, dass die Anträge auch bei Annahme der Unzuständigkeit des Landkreises dem Kreistag beziehungsweise dem zuständigen Ausschuss vorgelegt werden müssen und dessen Entscheidung eingeholt werden muss."

Bayerstorfer verhinderte so jede Diskussion und Abstimmung

Im Oktober 2020 beantragten die Grünen, der Landkreis sollte sich darum bemühen, minderjährige und besonders schutzbedürftige Geflüchtete aus griechischen Flüchtlingslagern aufzunehmen sowie auch geflüchtete Menschen, die im Mittelmeer in Seenot geraten sind. Der Landkreis solle sich der internationalen Initiative "Seebrücke" anschließen und sich zum "sicheren Hafen" erklären. Die Initiative Seebrücke wurde im Juni 2018 gegründet. 321 Landkreise, Städte und Gemeinden in Deutschland haben sich seitdem zu "sicheren Häfen" erklärt. Bayerstorfer ließ den Antrag gar nicht erst zu und verhinderte so jede Diskussion und Abstimmung.

Seine Begründung der Nichtzuständigkeit zieht nicht, legt nun die Regierung von Oberbayern dar. Bayerstorfer hätte den Antrag, auch wenn er der Ansicht ist, das gehe den Kreistag nichts an, auf die Tagesordnung setzen müssen. Der Landrat hätte dann, in der Sitzung, seine Bedenken äußern und einen Antrag auf Nichtbehandlung stellen können. Falls die Mehrheit des Gremiums das wolle, würde der Antrag so noch vor Beginn der eigentlichen Diskussion wieder abgesetzt. "Das entscheidet aber die Mehrheit", sagt Florian Geiger, "und nicht allein der Landrat schon im Vorhinein" - das sei ein großer Unterschied.

In der Grünen-Fraktion mache man sich, bevor ein Antrag gestellt werde, natürlich auch Gedanken darüber, "ob das was für den Kreistag ist", sagt Geiger. Im Fall des "Sicheren Hafen" sei etwa festzustellen, dass offensichtlich nicht wenige Kommunen und Landkreise in Deutschland in ihren Gremien ähnliche Anträge beraten haben. Das sei doch ein klares Zeichen dafür, dass man anderswo sehr wohl eine eigene Zuständigkeit bei diesem Thema sehe.

Der Landrat darf Bedenken erst in einer Sitzung geltend machen

Ähnlich war es auch beim Antrag für ein Solarpotenzialkataster, das Auskunft geben kann, welche Dachflächen sich für Solarthermie- und Photovoltaikanlagen eignen. Solche Kataster gibt es in vielen Landkreisen in der Region und ihre Einführung wurde von den dortigen politischen Gremien beschlossen. Mit einem Hinweis auf die bayerische Verfassung lehnte Bayerstorfer aber allein schon eine Diskussion des Grünen-Antrags ab. Nach seiner Ansicht wären für ein Solarpotenzialkataster alleine die Kommunen zuständig, nicht aber ein Landkreis. Bayerstorfers Meinung ist jedoch auch in diesem Fall nicht so erheblich, dass er damit den Antrag komplett kalt stellen durfte. Der Landrat hätte, korrekterweise, seine Bedenken erst nach Aufruf des Antrags in einer Sitzung geltend machen dürfen.

Den Antrag der Grünen zur Begrünung des Anne-Frank-Gymnasiums schmetterte Bayerstorfer mit anderen Rechtfertigungen ab: Die Lenkungsgruppe zum Neu- und Anbau am AFG wolle das nicht und ein ähnlicher Vorschlag für die Herzog-Tassilo-Realschule sei auch schon mal abgelehnt worden. Eine derart inhaltliche Art der Vorprüfung eines Antrags ist ebenso unzulässig und geht über die Kompetenzen eins Landrats hinaus. Das ist freilich keine neue Erkenntnis, sondern seit einem wegweisenden Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs aus dem Jahr 1986 in Bayern geklärte Rechtslage, wie aus dem aktuellen Schreiben der Regierung von Oberbayern hervorgeht.

Florian Geiger sagt, er sei froh, dass seine Fraktion die bisherige, so oft ablehnende Praxis des Landrats nicht mehr länger hingenommen haben. Er und die anderen Fraktionsmitglieder seien sich aber bewusst, dass sie, auch wenn sie nun Recht bekommen haben, bei Bayerstorfer damit nicht unbedingt Pluspunkte gesammelt haben. Doch den Grünen gehe es um eine Stärkung der guten Ideen und der Debattenkultur. Denn letztlich "sollen nicht Verfahrensfragen die politische Auseinandersetzung prägen, sondern die Debatte um Lösungen für die anstehenden Herausforderungen".

Zur SZ-Startseite

SZ PlusKunstaktion
:Bilder aus dem Feuer

Der Erdinger Künstler Rudolf L. Reiter reist 2006 nach Island und versenkt seine Werke im Vulkan. Nun sind sie heimgekehrt.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: