Frauenkircherl Erding:Viel Spielraum im Zwischenmenschlichen

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Für die Jahresausstellung des Kunstvereins Erding im Frauenkircherl haben Künstlerinnen und Künstler aus ganz Bayern Arbeiten eingereicht, 49 wurden ausgewählt und nun gezeigt. (Foto: Renate Schmidt)

Die Jahresausstellung des Kunstvereins Erding steht unter dem offenen Titel „Der Mensch ist dem Mensch ...“. Die Werke von Künstlerinnen und Künstlern aus ganz Bayern reflektieren in vielfältiger Weise private Beziehung, politische Positionen und gesellschaftliche Verhältnisse. Eine sehenswerte, nachdenklich stimmende und anregende Kunstschau.

Von Florian Tempel, Erding

Es ist eine gute Sache, dass die Jahresausstellung des Kunstvereins Erding bayernweit ausgeschrieben wird. Künstlerinnen und Künstler aus dem ganzen Land können Arbeiten einreichen. Nicht alle werden auch gezeigt. Das liegt allein schon daran, dass das Frauenkircherl kein allzu großer Ausstellungsraum ist. Eine Jury hat in diesem Jahr 49 Werke von 120 Einreichungen ausgewählt. Nur gut ein Drittel sind Werke von Vereinsmitgliedern. Das mag den einen oder die andere grämen, wenn man ausgerechnet bei der Jahresausstellung des eigenen Vereins nicht berücksichtigt worden ist. Doch die Offenheit gehört zum selbstbewussten Selbstverständnis des Erdinger Kunstvereins: Man ist nicht nur für sich da, keine Interessenvertretung in eigener Sache, sondern Teil des bayerischen Kunstlebens.

Die Jahresausstellung ist eine vielfältige Schau mit Gemälden, Zeichnungen, Fotografien, Collagen, Objekten, Skulpturen, Plastiken, einer Assemblage und einer Videoinstallation. Grell und dunkel, ernst und witzig, zart und heftig – alles vorhanden. Die Vielfältigkeit der Techniken und formalen Mitteln setzt sich bei den Themen und Motiven fort. Den Motto-Titel der Jahresausstellung „Der Mensch ist dem Menschen...“ haben viele Künstlerinnen und Künstler wohl sehr gerne aufgegriffen. Die hohe Qualität der gezeigten Arbeiten bestätigt das.

"Heimatlos" von Gudrun Ertl-Nies. (Foto: Renate Schmidt)
"Kinder" von Helga Zellner. (Foto: Renate Schmidt)
"Verblendung" von Willee Regensburger. (Foto: Renate Schmidt)

Der englische Mathematiker, Staatstheoretiker und Philosoph Thomas Hobbes (1588 bis 1679) schrieb einst: „Beide Sätze sind wahr: Der Mensch ist ein Gott für den Menschen. Und: Der Mensch ist ein Wolf für den Menschen.“ Schon Hobbes sagte also, dass viel Spielraum im Zwischenmenschlichen besteht, von himmelhoch jauchzender Bewunderung bis zum brutalen Vernichtungswillen, in privaten Beziehungen, im Zusammenleben in einer Gesellschaft und im Mit- und Gegeneinander ganzer Staaten.

Frank Halatsch, der Vorsitzende des Erdinger Kunstvereins, ist davon beeindruckt, wie unterschiedlich die eingereichten Kunstwerke das offene Ausstellungsthema beleuchten. Darin liegt für ihn die Kraft der Kunst. „Ein künstlerischer Ansatz ist es, Dinge komplexer zu machen, auch unbequeme Punkte zu thematisieren und immer wieder Fragen zu stellen“, sagt Halatsch, „Kunst kann uns helfen, zu reflektieren und Grauzonen zu entdecken – auch in den schlimmsten Zeiten.“

"Der Mensch ist dem Menschen treu" von Harald Sedlmeier. (Foto: Renate Schmidt)
"Eitler Tropf" von Maria Weber. (Foto: Renate Schmidt)

Manche Werke, die man nun zwei Wochen lang in der Ausstellung sehen kann, beziehen sich ganz auf private Verhältnisse, andere beziehen politische Positionen. Die stille Schwarz-Weiß-Fotografie „Der Mensch ist dem Menschen treu“ von Harald Sedlmeier und die ruhige Figurengruppe „Kinder“ von Helga Zellner stehen beispielhaft für den erstgenannten Aspekt. Das Aquarell „Heimatlos“ von Gudrun Ertl-Nies zeigt hingegen farbenfroh eine dynamisch vorwärts gehende Gruppe von Menschen, die man unwillkürlich als Flüchtende interpretiert. Erschreckt steht man vor der Assemblage „Verblendung“ von Willee Regensburger, der den Kakao-und-Kuchen-Tisch der Familie Goebbels kurz vor der Ermordung der sechs Goebbels-Kinder im Führerbunker darstellt. Doch lachend freut man sich plötzlich über den närrischen „Eitlen Tropf“ von Maria Weber.

Jahresausstellung, bis Sonntag, 21. Juli, täglich 13 bis 19 Uhr, Frauenkircherl Erding.

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