Süddeutsche Zeitung

Erding:Kriminelles Mittelmaß

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Wie sicher ist Erding? Nach dem Überfall auf eine Frau gibt sich die Polizei gelassen - und der Stadtrat diskutiert.

Florian Tempel

Das Risiko, in Erding auf offener Straße Opfer eines Überfalls zu werden, ist nicht höher als in vergleichbaren Orten. Die Polizeiinspektion Erding zählt seit Jahren meist nur ein oder zwei Fälle von "Handtaschenraub oder sonstige Raubüberfälle auf Straßen, Wegen oder Plätzen", wie die beiden einschlägigen Deliktgruppen in der Kriminalitätsstatistik heißen. Umgerechnet auf die Einwohnerzahl entspricht die Häufigkeit von Raubüberfällen in Erding recht genau dem bayerischen und bundesdeutschen Durchschnitt für Städte mit 20.000 bis 100.000 Einwohnern.

In der Nacht auf den 22. November war eine 22-jährige Frau in der Haager Straße von einem unbekannten Mann grob zu Boden gestoßen worden, er wollte ihr die Handtasche entreißen. Am Dienstagabend diskutierte der Stadtrat Erding die Frage, ob die Sicherheit im öffentliche Raum mit Überwachungskameras präventiv erhöht werden sollte. Bürgermeister Max Gotz (CSU) befand, Überwachungskameras seien nicht zuletzt aus datenschutzrechtlichen Gründen problematisch. Die Stadt sei in Sicherheitsfragen aber ständig im Gespräch mit der Polizei. Es gebe "vier bis fünf neuralgische Punkte" in Erding, die noch besser überwacht werden sollten.

Inspektionsleiter Anton Altmann sieht die Lage nüchtern: "Ich glaube, dass wir in Erding nicht so weit sind, dass man sich über die Sicherheit im öffentlichen Bereich großartig Gedanken machen müsste." Der Überfall auf die 22-Jährige sei, der kurz vor der Aufklärung steht, war der erste Fall räuberischer Straßenkriminalität in diesem Jahr. "Es ist nicht an der Tagesordnung, dass so etwas passiert", sagt er - und zu wenig, um die Installierung von Überwachungskameras zu rechtfertigen. Zudem gibt Altmann zu bedenken, dass dann auch jemand die Bilder der Überwachungskameras überwachen müsste. Das wäre eine zusätzliche Aufgabe für die Polizei, die angesichts der bekannt dünnen Personaldecke nicht zu erfüllen sei.

Wenn er mehr Leute hätte, würde der Inspektionsleiter jedoch liebend gerne mehr Beamte raus auf die Straße schicken. Denn eines räumt Altmann ein: "Leider kann ich die polizeiliche Präsenz im öffentlichen Raum nicht so gewährleisten, wie ich mir das vorstelle."

Nachts sind im Einsatzgebiet der Polizeiinspektion Erding, die von Langenpreising bis Forstern den gesamten westlichen Landkreis umfasst, meist nur zwei uniformierte Streifen im Einsatz. Wenn beide Streifen durch Einsätze bei Unfällen zum Beispiel in Wartenberg und Pastetten gebunden seien, bleibe die Stadt Erding vorübergehend unversorgt. "Mit dieser Problematik müssen wir leben", sagt Altmann. Er verweist jedoch darauf, dass bei Bedarf Zivilstreifen und Kräfte der Verkehrsinspektion oder der Inspektion am Flughafen in Erding unterstützen können. Insofern gebe es im Raum Erding letztlich doch eine "relativ hohe Polizeidichte".

Nach der Kriminalitätsstatistik ist die Zahl der Überfälle auf offener Straße in ganz Bayern seit zehn Jahren um rund ein Drittel zurückgegangen. Über die Hälfte der Taten werden in Großstädten verübt. Beim Handtaschenraub sind die Täter fast immer Männer und die Opfer fast nur Frauen. 2009 wurden in ganz Bayern 193 Fälle von Handtaschenraub gezählt. Bei den "sonstigen Raubüberfällen auf Straßen, Wegen und Plätzen" sind die Täter zwar ebenfalls fast ausschließlich Männer, jedoch auch die große Mehrzahl der Opfer. 2009 wurden in Bayern wegen 597 derartiger Überfälle ermittelt.

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Quelle:
SZ vom 02.12.2010
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