Die historische Erforschung des Nationalsozialismus und des Kriegsgeschehens ist noch keineswegs zu einem Ende gebracht. Ganz im Gegenteil. Gerade auf der lokalgeschichtlichen Ebene haben in jüngster Vergangenheit neue Ansätze und andere, als bislang übliche Perspektiven sowie intensive Recherchen in Archiven wichtige Erkenntnis gebracht.
Nach den lokalgeschichtlichen Forschungen zu den vielen tausend Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern, die in der Stadt und dem Landkreis Erding die Kriegswirtschaft am Laufen halten mussten und dem Grauen der NS-Euthanasieprogramme ist die Erforschung des Bombenangriffs am 18. April 1945 auf Erding ein weiteres herausragendes Beispiel.
Trotz der Tragweite des Bombenangriffs blieb die historische Aufarbeitung über Jahrzehnte unvollständig. Der Historiker Giulio Salvati hat vor fünf Jahren erstmals dargelegt, dass der Angriff der US-Luftwaffe auf einer fatalen Verwechslung beruhte. In diesem Jahr erscheint ein umfangreiches Buch zu diesem Thema. Im Vorwort schreibt Salvati: „Bis heute ranken sich unzählige Mythen und Gerüchte um den Angriff. Das vorliegende Buch setzt sich das Ziel, diese endlich aufzuklären und eine faktenbasierte Grundlage zu schaffen.“ Das gelingt Salvati in beeindruckender Weise. Sein Buch versammelt präzise Archivrecherchen, eine Fülle Zeitzeugenberichte und kritische Betrachtungen bislang vernachlässigter Aspekte wie den unzureichenden Luftschutz in Erding.
Die Stadt, das Museum Erding und der Historische Verein erinnern in mehreren Veranstaltungen an den 18. April 1945, „diesen folgenschweren Schicksalstag, an dem viele Bürgerinnen und Bürger, darunter Kinder und Jugendliche sowie Kriegsgefangene und auch Zwangsarbeiter, im katastrophalen Bombenhagel starben“, wie es in einer Ankündigung aus dem Rathaus heißt.
Am 18. April selbst, der dieses Jahr auf Karfreitag fällt, findet ein Gedenkspaziergang zu authentischen Orten statt. Treffpunkt ist um 14 Uhr am Schrannenplatz. Giulio Salvati führt die Teilnehmerinnen und Teilnehmer zu Plätzen, Straßen und Häusern, die von der Bombardierung betroffen waren. Die Veranstaltung ist eine Kooperation von Historischem Verein, dem Museum, dem Arbeitskreis „Erding bewegt“ und der Geschichtswerkstatt Dorfen. Zum Zeitpunkt des Bombenabwurfs – um 15.17 Uhr – wird ein Gedenken in Stille stattfinden. Um 15.30 Uhr stellt Salvati dann sein Buch „18. April 1945: Luftangriff auf Erding – Mythen, Erzählungen, Fakten“, das in der Schriftenreihe des Museums Erding als Band 4 erscheint, am Schrannenplatz vor.
Nazi-Gegner konnten aufatmen, Kriegsgefangenen und Zwangsarbeiter kamen frei
Am Donnerstag, 8. Mai, findet um 19 Uhr im Museum Erding ein Vortrag zu 80 Jahre Kriegsende in Deutschland statt. Der Militärhistoriker Thorsten Blaschke aus Forstern beantwortet die Frage „Wer waren die Befreier am 1. Mai 1945? Forschungen zur 86. US-Infanterie-Division in Erding“.
In Isen findet am Freitag, 25. April, um 19.30 Uhr im Pfarrheim Isen eine große Abendveranstaltung zum Tag der Befreiung statt. Am 1. Mai 1945 endete für die Bevölkerung des oberen Isentals der Zweite Weltkrieg durch die Ankunft US-amerikanischer Truppen. Giulio Salvati, Reinhold Härtel, Robert Obermayr und Michael Grimmeisen-Marx berichten anhand historischer Dokumente und Berichte sowie Zeitzeugenaussagen und Fotografien, was rund um den 1. Mai 1945 in und um Isen geschah.

In Dorfen hat die Geschichtswerkstatt Dorfen am 2. Mai den Jakobmayer-Saal gemietet, wo ihre Veranstaltung zum 80. Jahrestag des Endes des Nationalsozialismus stattfindet. Am 1. Mai 1945 rollten in Dorfen um 20 Uhr amerikanische Panzer ein. Nach nächtlichen Gefechten wurde am 2. Mai um 10 Uhr der Markt übergeben. Dorfen war befreit. Örtliche NS-Funktionäre, wie der Ortsgruppenleiter und Bürgermeister Georg Erhard, wurden verhaftet. Die Nazi-Gegner, die es in Dorfen auch gab, konnten aufatmen. Die Kriegsgefangenen und Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter kamen frei.
An die Befreiung Dorfens und deren Vorgeschichte erinnert die Geschichtswerkstatt Dorfen mit musikalischer Unterstützung von Werner Meier, Dieter Knirsch und Leonhard M. Seidl. Beginn ist um 19 Uhr. Der Eintritt ist frei, wie bei allen anderen Veranstaltungen auch.