Süddeutsche Zeitung

Erding:Jetzt wird es ernst

Die Vorbereitungen für den Abriss des Friedberger-Hauses an der Langen Zeile in Erding laufen. Das Geschäftshaus mit langer Tradition wird durch einen modernen Neubau ersetzt inklusive eines Brutkastens für die Spatzenkolonie

Von Regina Bluhme, Erding

Der Bauzaun ist gesetzt, der Container steht bereit. In Kürze wird das Friedberger-Haus im Herzen der Erdinger Altstadt abgerissen. In dem Haus an der Ecke Lange Zeile/Bräuhausgasse befand sich über viele Jahre ein Modehaus, dann der Computerspielladen Gamesworld und zuletzt eine Weinhandlung. Über die künftige gewerbliche Nutzung gibt es beim Eigentümer, die Alpha Tonträger GmbH aus Erding, aktuell keine Auskunft. Ein Mieter steht aber fest: Die Spatzenkolonie, die seit Jahren am Altbau nistet, darf auch den Neubau nutzen und erhält dort sogar eigene Brutkästen.

Mit dem Abriss verschwindet auch ein Stück Erdinger Tradition. Das Friedberger-Haus bildet als Eckhaus mit dem Restaurant Gruberei an der Langen Zeile und dem Gewandhaus Gruber an der Bräuhausgasse ein Ensemble und steht auf dem Areal, auf dem sich einst das städtische Commune-Bräuhaus befunden hat. Bei Nachfragen nach der Gestaltung des Neubaus gibt sich Alpha Tonträger bedeckt. Das Gebäude werde sich den umgebenden Gebäuden anpassen, sagt Nicole Heilmeier von der Alpha Tonträger GmbH. Die Fassade mit dem markanten, mit Ornamenten versehenen Erker, werde "optisch modernisiert".

Den Namen hat das Friedberger-Haus von der Familie Friedberger, die dort 58 Jahre lang das gleichnamige Hut- und Modegeschäft geführt hat. Im Dezember 2011 war Schluss. Dem SZ-Archiv ist zu entnehmen, dass Josef Friedberger, ein gelernter Konditor und Hutkaufmann, das sogenannte Weindler-Anwesen an der Langen Zeile, das vorher ein Lebensmittelgeschäft war, im Juni 1953 gekauft. 1961 wurde das ehemalige Schuhgeschäft Theis in der Bräuhausgasse dazu gemietet und zum Hutladen umgebaut. In den 1970er-Jahren folgte der Umbau des Hutladens zu einer Boutique mit Mode für junge Leute. Eine weitere Weindler-Immobilie, das ehemalige Schreibwarengeschäft an der Langen Zeile 5, wurde schließlich auch noch hinzugekauft und zum Herrenbekleidungsgeschäft umgebaut.

Ursprünglich stand auf dem Areal einmal das Commune-Bräuhaus, wie bei Stadtarchivar Markus Hiermer zu erfahren ist. Sieben Brauereien hatten dort ihr Bier gesotten, bis Ende des 18., Anfang des 19. Jahrhunderts das Areal verkauft und private Häuser gebaut wurden.

Schon seit Langem hat sich eine Spatzenkolonie das Gebäude als Nistplatz ausgesucht. In Zusammenarbeit mit Uschi Schmidt-Hoensdorf, Vorsitzende der Kreisgruppe des Landesbunds für Vogelschutz, suchten die Hauseigentümer nach einer Lösung. Vor circa zwei Monaten wurden an den Bäumen am Kleinen Platz Nistkästen angebracht. Einige Spatzen hätten dennoch wieder die Rollladen des Friedberger-Hauses aufgesucht. Inzwischen seien die Jungen aber flügge, so Schmidt-Hoensdorf. Das Abbruchunternehmen sei auf sie zugekommen und habe besprochen, wie der Abriss des Friedberger-Hauses mit möglichst großer Rücksicht auf die Spatzen vonstatten gehen kann. "Das hat mich wirklich sehr gefreut", sagt die Vogelschützerin. Wie Nicole Heilmeier auch bestätigt, wird am Neubau ein Kolonie-Brutkasten angebracht. Die Spatzen dürfen also wiederkommen. Eine Zwischenunterkunft ist auch gefunden. Bis der Neubau steht, finden die Vögel Unterschlupf bei der benachbarten Gruberei, dort wurde ein Kasten angebracht.

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SZ vom 19.06.2020
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