Erding:Immer neue Probleme

Überraschende Informationen bei Grundwasser-Bürgerversammlung: Weil sich die Bauträger nicht an den Bebauungsplan gehalten haben, droht nun auch den Bewohnern am Erdbeerfeld Ärger

Von Mathias Weber

Die Bürgerversammlung zum Thema Grundwasser im Erdinger Westen hat bei den Betroffenen mehr Fragen aufgeworfen als beantwortet wurden. Nicht nur die Anwohner in der Sandgrubensiedlung beschäftigt seit dem verheerenden Hochwasser im vergangenen Jahr das Niveau des Grundwassers - nachdem damals die Keller mit Grundwasser vollgelaufen waren. Auch die Bürger oberhalb der Sandgrube, in der neuen Wohnanlage am Erdbeerfeld, werden sich auf Probleme einstellen müssen.

Denn wie auf der Bürgerversammlung mit Vertretern der Stadt am Montagabend bekannt wurde, haben sich die Bauträger, die auf dem Bauabschnitt 171/1 - dem mittlerweile bebauten Erdbeerfeld zwischen Abbruchkante zur Sandgrubensiedlung und der Sigwolfstraße - nicht an den von der Stadt Erding vorgeschriebenen Bebauungsplan gehalten. Konkret geht es um so genannte Rigolen: Das sind künstlich geschaffene Kieskörper, die die Versickerung von Regenwasser in den Boden sicherstellten sollen. Den Standort dieser Rigolen hat die Stadt im Bebauungsplan klar festgeschrieben, die Bauträger aber haben sie an anderer Stelle gebaut. Stadtbaumeister Sebastian Henrich sagte, neun von zehn Rigolen - die mit bloßem Auge kaum zu erkennen sind - lägen nicht an den vorgeschriebenen Stellen. In neunzig Prozent der Fälle würde das Regenwasser also nicht an den vorgesehenen Stellen versickern - Henrich kam angesichts dieser Umstände gar nicht mehr aus dem Kopfschütteln heraus. Diese Rigolen werden nun verlegt werden müssen.

Ursprünglich sollte der Fokus der Bürgerversammlung auf der Vorstellung eines Gutachtens liegen, in dem die Grundwasserverhältnisse in der Sandgrubensiedlung untersuchen wurden - mit besonderem Fokus auf ihre Beeinflussung durch die neue Bebauung oberhalb davon. Josef Wagerer von der Beratungsfirma GeoConsult erklärte die Erkenntnisse aus seiner Untersuchung kompetent, vieles war aber schon bekannt: So schließt er für den allergrößten Teil der Sandgrubensiedlung aus, dass die Wohnbebauung einen Einfluss auf das Grundwasser habe. Dies begründete er mit verschiedenen hydrogeologischen Gründen, etwa der Fließrichtung des Grundwassers. Es strömt von Süden nach Norden, und da sich die neue Bebauung fast nur nördlich von der bestehenden Siedlung befindet, könne sie keinen Einfluss auf das Grundwasser haben - die Fließrichtung ändere sich ja nicht plötzlich.

Eine Einschränkung hatte Wagerer aber zu vermelden: Rigole Nummer vier. Diese Versickerungsanlage wurde von der Baufirma Decker direkt an der Abbruchkante zur Sandgrubensiedlung gebaut. Wagerer wollte nicht ausschließen, dass das dort versickerte Wasser, das dann nach Norden abfließt, in einem kleinen Bereich, der nur wenige Häuser umfasst, das Grundwasser beeinflussen könne. Es sei unwahrscheinlich, aber ganz ausschließen könne man das eben auch nicht.

Keine gute Nachrichten für die Bewohner dieser wenigen Grundstücke. Oberbürgermeister Max Gotz sagte ihnen Hilfe zu: Eine Gefährdung der Bewohner, ganz gleich ob in der Sandgrubensiedlung oder am Erdbeerfeld, müsse ausgeschlossen werden. Das bedeutet im Umkehrschluss: "Die Rigolen kommen weg", sagte Stadtbaumeister Henrich. Dem ursprünglichen Bebauungsplan zufolge sollten sie an der inneren Erschießungsstraße gebaut werden. Wie dieser offensichtlich hoch komplizierte Umbau von Osten nach Westen nun vonstatten gehen soll, darauf hatte am Montagabend niemand eine Antwort. Die Gebäude sind gebaut, die Gärten angelegt; Hier nun zusätzliche Leitungen zu verlegen, um das Regenwasser Richtung Sigwolfstraße abzuleiten, wird für die Bewohner zur Geduldsprobe.

Wer trägt nun Schuld an diesem Schlamassel? Gotz zufolge kann die Stadt nichts dafür. Man habe keine Möglichkeit zur Prüfung der einmal aufgestellten Bebauungspläne. Dies liege an den immer weiter gehenden Befreiungen für die Bauträger. "Wir bekommen nichts zu sehen, nichts vorgelegt", sagte Stadtbaumeister Henrich. Dass die Bauarbeiten auf dem Erdbeerfeld nicht durchgeführt wurden wie gefordert, habe man erst durch aufmerksame Bürger der Sandgrubensiedlung erfahren und sofort Baustopps verhängt. Auch Bauträger Robert Decker hatte keine befriedigende Antwort parat, wie es zu den falschen Bauten kommen konnte: "Offenbar wurde das bei der Regenwasserplanung übersehen", sagte er blumig. Obwohl Gotz anzusehen war, dass er über die Situation alles andere als glücklich ist, kam er Decker doch entgegen: Nun sollten alle Beteiligten versuchen, die Situation so gut wie möglich zu meistern. Von rechtlichen Schritten war am Montag nichts zu hören, dass es aber zu Gerichtsstreits kommen wird, davon waren die Zuhörer überzeugt.

Die Rigolen-Affäre hat zudem auch Auswirkungen auf die Bautätigkeit im Westen Erdings. Bis eine Gefährdung der Bürger ausgeschlossen werden kann, so Gotz, werde es keine Bebauung am südlichen Teil des Erdbeerfeldes geben. Die Bauabschnitte 171/2 und 171/3 bleiben also erstmal leer.

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