Erding:Herausforderung in Sütterlin

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Für das neue digitale Grundbuch müssen alte Einträge ins elektronische System des Amtsgerichts Erding übertragen werden

Von Regina Blume, Erding

Ein paar Klicks auf dem Computer, und schon erscheint auf dem Bildschirm von Brigitta Obert ein Grundbucheintrag aus dem Jahr 1898. Längst befinden sich alle alten Einträge im elektronischen System des Erdinger Amtsgerichts. Im Rahmen der Aktion "Digitales Grundbuch" soll nun ein bayernweites Datenverarbeitungssystem eingeführt werden. Deswegen müssen viele der eingescannten Akten umgeschrieben werden. Kenntnisse der alten Sütterlin-Schrift sind durchaus gefragt.

Gerade in der Erdinger Region hat das Grundbuchamt gut zu tun, weiß Rechtspflegerin Brigitta Obert. Im ganzen Landkreis wird viel gebaut und die Grundbücher belegen zum Beispiel, wer der rechtmäßige Eigentümer eines Grundstücks ist und welche Rechte auf dem Besitz lasten. Seit 1897 gibt es in Deutschland Grundbücher, ab 1935 wurde das System deutschlandweit vereinheitlicht. In der Zeit wurden die Bücher zum Teil noch handschriftlich geführt, zum Teil kam auch eine interessante Schreibmaschine zum Einsatz, wie Brigitta Obert informiert. Dabei wurden die Bücher unterhalb des Geräts abgelegt und von oben vollgetippt. Später wurden die nun ausschließlich maschinengeschriebenen Akten in sogenannten "Lose Blattsammlung" aufbewahrt, die einen abschließbaren Schraubverschluss besaßen.

In den 1990er Jahren wurden die Grundbuchämter nach und nach auf Computer umgestellt. Auch die ganz alten Bände mussten digitalisiert werden. Dafür wurden im Erdinger Amt die handgeschriebenen und zum Teil kiloschweren Bücher aufgeschnitten, das Riesenformat Blatt für Blatt auf DINA4-Format kopiert und anschließend einzeln eingescannt, sagte Obert. Jetzt müssen viele der Einträge wiederum bearbeitet werden, denn das neue Datenverarbeitungssystem, das bayernweit eingeführt werden soll, kann keine handschriftlichen Aufzeichnungen umsetzen. Diese Eintragungen, die teilweise noch in Sütterlin geschrieben sind, müssen neu eingegeben werden.

"Manchmal ist es schon mühsam", bekennt Brigitta Obert. Sie habe zwar nie richtig Sütterlin gelernt "aber mittlerweile komme ich ganz gut damit zurecht". Bestimmte Wörter wiederholten sich "und wenn man ungefähr weiß, was es heißen soll, dann geht´s schon". Die Umrechnung von Reichs- oder Goldmark in Euro übernimmt immerhin der Computer.

Für den Notfall hat Obert noch ein Sütterlin-Alphabet zur Hand "und wenn alle Stricke reißen, dann rufen wir unseren ehemaligen Geschäftsleiter an". Der 92-Jährige beherrsche die Schrift sehr gut und helfe gerne aus. Ganz ohne Sütterlin-Kenntnisse wird es auch im anvisierten komplett "Digitalen Grundbuch" nicht gehen, davon ist Obert überzeugt. Die alten handschriftlichen Urkunden zum Beispiel wurden in Erding nicht eingescannt. "Das hätten wir personell gar nicht geschafft", betont Obert. Die Blätter lagern in der Registratur im Keller und es kommt immer wieder vor, dass die Erdinger Rechtspflegerin dort nachschlagen muss: "Das wird nie aufhören.", In etwa vier Wochen wird das Grundbuchamt in einen Neubau Am Gries übersiedeln. Es ziehen mit: Bücher und Akten mit leicht vergilbten Seiten, per Hand beschrieben mit Tinte und Feder und mit einer Schrift, die kaum noch jemand lesen kann.

© SZ vom 27.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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