Nachhaltige Mobilität:Gesund, umweltfreundlich und sozial unterwegs sein

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Hier sind Fußgänger in Erding sicher: der Herzoggraben zwischen Freisinger- und Münchner Straße. (Foto: Renate Schmidt)

Der Münchner Verkehrsplaner Paul Bickelbacher sieht Erding, auf einem guten Weg, wenn es um die Sicherheit der Fußgänger geht. Verbesserungspotenzial gibt es aber immer. Ein Plädoyer für das Gehen.

Von Philipp Schmitt, Erding

"Zu Fuß in Erding - Licht und Schatten": Unter diesem Motto hat sich die Kreisgruppe des Bund Naturschutz (BN) mit der natürlichsten und umweltfreundlichsten Form der Fortbewegung - dem Zufußgehen - im Kontext der Neugestaltung der Innenstadt und der Verkehrswende bei einer Themenwoche (bis 18. Mai) beschäftigt. In der Stadtbücherei sind Schautafeln mit Fotos von Gehwegen im Landkreis neben Schautafeln zum Mobilitätskonzept für die Innenstadt zu sehen.

Höhepunkt der Themenwoche war am Mittwochabend der Vortrag von Paul Bickelbacher: "Es tut sich was in Erding - in der belebten Innenstadt sind viele Fußgänger unterwegs. Die Gestaltung der Plätze und Wege geht in die richtige Richtung, ihr seid auf einem guten Weg", sagte der Münchner Stadt- und Verkehrsplaner, der dem Bundesvorstand des "Fachverbands Fußverkehr Deutschland (Fuss)" angehört.

Der Münchner Stadtrat (Grüne) nannte positive Beispiele: In Spanien gebe es die Stadt Pontevedra auf dem Jakobsweg nach Santiago de Compostela, die ein Eldorado für Fußgänger sei. Dort gebe es breite, barrierefreie Gehwege, Zebrastreifen, eine autofreie Innenstadt in verkehrsberuhigten Zonen. Fußgänger könnten sich dort frei bewegen, ohne unter die Räder zu kommen. Der Bürgermeister sei ein Arzt, der wisse, dass "Gehen die einfachste, gesündeste, umweltfreundlichste und sozialste Form der Mobilität ist".

In Deutschland tun sich Fußgänger noch schwer, es fehle Respekt, Straßenquerungen seien gefährlich: "Da ist ein Umdenken erforderlich". Gehwege seien oft zu schmal und durch parkende Autos oder abgestellte Mülltonnen blockiert. Die Verkehrs- und Stadtplaner müssten mit Bürgern zukunftsfähige Konzepte auf die Beine stellen: "Wer zu Fuß geht, braucht breite Gehwege, sichere Querungen, angemessene Verkehrsregeln", sagte Bickelbacher, der sich für mehr verkehrsberuhigte "Tempo 30 Zonen" aussprach.

Zebrastreifen seien zwar der "rote Teppich für Fußgänger", doch in Deutschland mit hohen bürokratischen Hürden flankiert. Möglich seien "Shared Places", gemischte Straßenflächen wie am Viktualienmarkt für Fußgänger, Rad-, Bus- und Autofahrer. Zu beachten sei die Kombination von Zufußgehen und öffentlichen Verkehrsmitteln. Eine Studie belege, dass die meisten Fahrgäste zu Fuß zur Bushaltestelle oder zum Bahnhof laufen würden. Je angenehmer und sicherer der Gehweg und das Umfeld dort seien, desto weiter und länger werde spaziert. Es müssten aber Regeln für das Zusammenspiel von Fußgängern, Radfahrern und E-Scooter-Nutzern gefunden werden.

Risiken müssen für Fußgänger reduziert werden

"Wir müssen mehr Verkehr auf die Füße bringen - dazu brauchen wir attraktive Wegenetze mit guter Verkehrsinfrastruktur und schönen öffentlichen Plätzen". Beim Gehen könnten Fußgänger mehr Eindrücke wahrnehmen als beim Rad- oder Autofahren. Deshalb seien im öffentlichen Raum interessante Grünzüge und Schaufenster, Sitzplätze, Toiletten, Informationsstellen, Abfalleimer wichtig. Zufußgehen sei aber auch fragil und gefährlich, vor allem an Ampeln und auf Hauptstraßen. Risiken müssten reduziert werden. Gehwege sollten 2,5 Meter breit sein, damit sich zwei Personen komfortabel begegnen können. In München sind zum Beispiel in der Sendlinger Straße neue Fußgängerzonen entstanden.

Die in Erding diskutierten Fußgängerzonen nur am Wochenende seien wegen der Vorschriften kaum umzusetzen. Gut seien am Schrannenplatz die Querlinien, die Autofahrer mehr Aufmerksamkeit abverlangten. Innovative Maßnahmen gebe es auch in Villach und Wien, wo Autos in der Mitte der Straße parken oder in der Mitte der Straße Fußgängerwege konzipiert sind. Gut seien autofreie Stadtquartiere, wo die Autos am Rand in Parkhäusern abgestellt werden. Viele Städte zeigten, dass eine innovative Gestaltung des Straßenraums gelingen könne, hieß es.

Bickelbacher berichtete über Erfahrungen aus der Ludwigs-/Isarvorstadt in München beim Mobilitäts-Pilotprojekt mit Bürgerbeteiligung von den Bürgerforen bis zum Stadtratsbeschluss. Auch die Gestaltung des Bodenbelags sei wichtig: Gabriele Betzmeir, BN-Kreisvorsitzende, wies auf die Stolper- und Unfallgefahren auf Kopfsteinpflaster in Erding hin, wo bereits Pflasterungen ausgetauscht wurden. Neue Wege werden im integrierten städtebaulichen Entwicklungskonzept (ISEK) untersucht. Zum Fliegerhorst-Areal sind neue Fuß-Radverbindungen im Mobilitätskonzept geplant.

Zu dem Verein "Fuss" gehören 50 Ortsgruppen mit 1400 Mitgliedern ( www.fuss-ev.de ).

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