Erding:Ganz normal im Unterricht

Damit behinderte Kinder eine Regelschule besuchen können, bietet der Malteser Hilfsdienst künftig im Landkreis Erding eine Schulbegleitung an - das ist nicht immer leicht für alle Beteiligten

Von Mathias Weber

Friedel-Eder-Schule für Seelenpflege-bedürftige Kinder in München, 2011

Lesen und schreiben lernen wie andere Kinder auch: Manche behinderte Kinder können in eine Regelschule nur mit einer Schulbegleitung gehen. Der Malteser Hilfsdienst will hier vermitteln

(Foto: Catherina Hess)

Der Malteser Hilfsdienst im Landkreis Erding wird vom kommenden Schuljahr an eine flächendeckende Schulbegleitung anbieten, damit behinderte Kinder eine Regelschule besuchen können. Mit dem Bezirk Oberbayern habe man neu finanziell verhandelt, sagt der Malteser-Dienststellenleiter in Erding, Martin Draheim. Denn der Bezirk übernimmt die Kosten. Damit die Schulbegleitung, die die Malteser schon einmal angeboten haben, wieder voll durchstarten kann, werden auch potenzielle Begleiter gesucht. Früher seien hauptsächlich Zivis und FSJ-ler eingesetzt worden, sagt Draheim, aber den Zivildienst gibt es nicht mehr.

Die heute 20-jährige Pia Buchmann, die im vergangenen Jahr ein Freiwilliges Soziales Jahr bei den Maltesern absolviert hat, stand jeden Tag pünktlich vor dem Eingang zur Schule. Wenn der Fahrdienst kam, nahm sie den Jungen in Empfang und ließ ihn fortan keine Sekunde aus den Augen. Sie begleitete den Neunjährigen in den Unterricht, half ihm die Hausschuhe anzuziehen und legte ihm die Unterrichtsmaterialien bereit. Pia Buchmann begleitete ihn auf Schritt und Tritt und passte auf ihn auf. Denn alleine hätte der Junge nicht in die dritte Klasse einer Regelschule gehen können. Der Junge brauchte jemanden, der sich um ihn kümmert und ihm hilft. Er hat Muskelschwund, anfangs konnte er noch mit einem Rollator gehen, am Ende saß er im Rollstuhl. Mit der Schulbegleitung soll behinderten Kindern die Möglichkeit gegeben werden, mit einer Begleitung eine Regelschule zu besuchen, eine Mittelschule zum Beispiel oder auch ein Sonderzentrum. Die Begleitung versucht dabei, den Kindern im Schulalltag zu helfen, pflegerisch (beim Toilettengang), bei praktischen Aufgaben (Ankleiden oder beim Essen) und in der Freizeit (bei Wandertagen oder im Schullandheim). Das ist Inklusion schon im Kindesalter: Keine Trennung von Behinderten und Nichtbehinderten, sondern aktive Aufnahme in die Gesellschaft. Für das kommende Schuljahr will der Malteser Hilfsdienst dieses Angebot den Familien mit behinderten Kindern in Erding machen.

Gemeinsam mit den Eltern und der Schule wird entschieden, wer am geeignetsten für diese Aufgabe ist. Die Begleitperson - es sollte immer dieselbe Person sein - wird in Teilzeit bei den Maltesern angestellt. Manchmal bietet sich laut Maltesern aus dem Bekanntenkreis jemand an, die beste Lösung sei aber ein ausgebildeter Pädagoge. Das sieht auch die Leiterin des Sonderpädagogischen Förderzentrums in Dorfen, Gabriele Schober, so. In ihrer Schule waren bereits regelmäßig Schüler mit Schulbegleitung im Unterricht. Sie sagt, dass die Begleiter am Besten eine fachliche Qualifikation bräuchten, aber nicht nur das: "Man sollte auch eine gewisse Reife und Lebenserfahrung mitbringen, die Arbeit ist nicht immer leicht", sagt Schober.

Diese Erfahrung hat auch Pia Buchmann gemacht. "An sich war er ein netter Junge", sagt sie über ihren Schützling. "Manchmal wurde er aber auch stinkig und unhöflich." Wenn zum Beispiel die Klassenkameraden um einen herum hüpfen und draußen spielen, er aber nicht aus seinem Rollstuhl heraus kam: "Klar, dass das nicht schön ist", sagt sie. Aber die Klasse habe den Jungen gut aufgenommen, er habe viele Freunde gehabt. Trotzdem, erinnert sie sich, sei es irgendwann nicht mehr gegangen. Der gesundheitliche Zustand des Jungen habe sich verschlechtert, heute ist er in einer speziellen Einrichtung in München untergebracht. "Auch das kann passieren", sagt Malteser-Leiter Draheim. Und doch lohne sich der Versuch: Behinderte und nichtbehinderte Kinder, die zusammen unterrichtet werden, das führe zu mehr sozialer Akzeptanz. Und auch für die Begleiter lohnt es sich. Pia Buchmann möchte die Zeit als FSJ-lerin nicht missen. Sie sagt: "Das war eine tolle Arbeit."

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