Erding:Frühere Gesetzeslage rettet Angeklagten

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40-Jähriger wegen Verbreitung, Erwerb und Besitz von kinderpornografischen Inhalten verurteilt - auf Bewährung

Von Gerhard Wilhelm, Erding

Zu einem Jahr und elf Monaten Freiheitsstrafe ist am Dienstag wegen der Verbreitung, des Erwerbs und des Besitzes von kinderpornografischen Fotos und Videos ein 40-jähriger Mann am Amtsgericht verurteilt worden. Dabei kam er noch glimpflich davon, wie die Staatsanwältin meinte, da seine Taten vor der Verschärfung des Paragrafen 184b des Strafgesetzbuches waren. In der alten Fassung stand ein Strafmaß von drei Monaten bis zu fünf Jahren, in der neuen, seit 1. Juli 2021 gültigen, ist eine Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren vorgesehen. "Man will den Markt eindämmen", sagte die Staatsanwältin. Wenn die höheren Strafen abschrecken, gebe es keine große Nachfrage mehr.

Die Liste der Anklagepunkte, die sie zu Beginn der Verhandlung vorgelesen hatte, war umfangreich. Insgesamt 945 Dateien hatte ein Gutachter auf dem Mobiltelefon gefunden und ausgewertet. Überwiegend Fotos und Videos. Bei dem größten Teil der Fotos, so der Gutachter, 96 Prozent, habe es sich um Erwachsenen-Pornografie gehandelt. Bei einem Prozent waren Jugendliche zu sehen, bei drei Prozent aber Kinder unter 14 Jahren - dabei in vielen Fällen Kinder mit geschätzten drei bis sechs Jahren. Bei den gefundenen Videos lagen die Anteile ähnlich. Aufnahmen, in denen sexuelle Handlungen an den Kindern vorgenommen wurden oder eine "aufreizend geschlechtsbetonte Körperhaltung" oder "die sexuell aufreizende Wiedergabe der unbekleideten Genitalien" zu sehen waren, wie es im Gesetz heißt.

Erhalten und verschickt alles hatte der Angeklagte, der selber Vater von zwei kleinen Kindern ist, über den Dienst Telegram. Ein kostenloser Chat-Dienst auf Smartphones, Tablets, Smartwatches und PCs, der in Russland entwickelt wurde, und wie bei Whatsapp, den Austausch von Dateien zulässt. Bekannt geworden ist der Dienst zuletzt, weil ihn auch viele Rechte und Corona-Leugner nutzen, um ihr Gedankengut zu verbreiten.

Bei der Vernehmung habe der Angeklagte, angesprochen auf seine Motive, angegeben, dass es einerseits Langeweile gewesen sei, aber er auch sexuell erregt worden sei, wie der sachbearbeitende Polizeibeamte vor Gericht sagte. Er habe auch gesagt, dass er "ein Idiot" gewesen sei. Von wem er die Fotos und Videos erhalten hat und an wen er sie dann weiter versendete, sei unbekannt, da der Dienst Telegram keine Daten heraus gebe - was natürlich Straftäter schützt.

Ins Laufen gebracht hatte das Verfahren die Generalstaatsanwaltschaft Bamberg, die 2020 durch das "Zentrum zur Bekämpfung von Kinderpornografie und sexuellem Missbrauch im Internet" (ZKI) verstärkt worden war. Acht Spezial-Staatsanwälte kümmern sich seitdem um das Thema. Von dort war die Polizeiinspektion Erding um weitere Ermittlungen gebeten worden, da es sich bei dem damals erst Tatverdächtigen um einen in Erding wohnenden Mann handelte. Bei der Durchführung des Durchsuchungsbeschlusse, aber auch bei der späteren Vernehmung auf der Dienststelle sei der Angeklagte durchgehend kooperativ gewesen und habe alles eingeräumt. Er habe sogar freiwillig den Beamten sein Handy im Auto gezeigt und übergeben. Zwar fand man noch vier weitere Datenträger, aber alle Videos und Fotos, die nach Paragraf 184b strafbar sind, wurden auf diesem Mobiltelefon gefunden.

Zunächst hatte auch der Verdacht im Raum gestanden, dass auf einem der Dateien auch eines seiner Kinder zu sehen ist. Der Angeklagte hatte aber beteuert, dass er nie das Bedürfnis gespürt habe, Kinder auch anzufassen. Ein Gutachter bestätigte auch, dass seine Kinder auf keinen der Dateien nach einem Abgleich zu sehen sei.

Die Staatsanwältin hatte nach der Beendigung der Beweisaufnahme wegen der großen Zahl von Fotos und Videos, sowie wegen der "Intensität" der Aufnahmen, die extrem kleine Kinder zeigten, auf eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren plädiert - ausgesetzt noch auf Bewährung. Dabei wurde dem Angeklagten zu Gute gelegt, dass er voll umfänglich geständig war und keine Vorstrafen hat. Er sollte zudem eine Sexualtherapie machen und 5500 Euro an eine gemeinnützige Einrichtung zahlen.

Amtsrichter Andreas Wassermann folgte der Meinung der Staatsanwältin überwiegend. Die Freiheitsstrafe, die er um einen Monat reduzierte, setzte er drei Jahre zur Bewährung aus und ordnete dem Angeklagten einen Bewährungshelfer bei, der ihn während der Therapie betreuen soll. Die Geldauflage reduzierte er auf 4500 Euro, da der 40-Jährige jetzt Unterhalt zahlen muss. Bereits am Tag der Durchsuchung habe sich nach Auskunft seines Verteidigers sowohl seine eigene Familie, auch die seiner Frau, sowie diese und die Kinder von ihm abgewandt. "Ein heilsamer Schock mit erheblichen Auswirkungen für Sie", sagte Wassermann.

© SZ vom 23.02.2022 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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