Erding:Fasziniert von den Wirbellosen

Maximilian Streubel qualifiziert sich zum dritten Mal für den Landesentscheid "Schüler experimentieren". Dieses Mal hat er erforscht, wie sich eine Stubenfliege bei Wind auf Glas festkrallt

Von Alexandra Maier

Maximilian Streubel hat es wieder geschafft. Der zwölfjährige Schüler aus Dorfen hat heuer zum dritten Mal in Folge den Regionalentscheid von "Schüler experimentieren", die Juniorklasse von "Jugend forscht", im Fachbereich Biologie gewonnen und sich damit für die nächste Runde, den Landesentscheid in Dingolfing, qualifiziert. Die Jury lobte nicht nur seinen "unermüdlichen Forschergeist", sondern auch seine "Kreativität im Finden von Lösungsmöglichkeiten." Maximilian Streubel blieb seiner Forschungsline treu: Im Mittelpunkt seines Projekts standen wieder die Wirbellosen.

Es war wieder einmal eine ganz alltägliche Situation, die dem Achtklässer die Idee für sein neues Forschungsprojekt lieferte. Eine Autofahrt wie jede andere, doch dabei fiel Maximilian Streubel ein Detail auf, das vielen wahrscheinlich entgangen wäre: "Eine Schwebfliege surfte auf der Windschutzscheibe tapfer mit", erinnert er sich. Sofort war Maximilians Forscherinstinkt geweckt, er beobachtete den blinden Passagier weiter, und als die Fliege erst bei Tempo 80 den Halt verlor und davon flog, da war für den talentierten Nachwuchsforscher aus Dorfen klar, woran er in den kommenden Monaten arbeiten würde: Maximilian wollte nicht nur untersuchen, wie sich Insekten und andere Kleintiere bei unterschiedlichen Windstärken festhalten können. Er setzte noch einen Aspekt drauf, indem er das Ganze in Abhängigkeit zur Oberfläche stellte. Und so lautete sein prämiertes Forschungsthema in diesem Jahr: "Festhaltevermögen wirbelloser Tiere auf verschiedenen Oberflächen in Abhängigkeit von der Windstärke".

Mit unterschiedlichen Holz- und Glasunterlagen baute Maximilian Streubel sich daheim in Dorfen eine Teststrecke. Die gewünschte Windstärke lieferte der hauseigene Haarföhn. Seine Probanden fand der Zwölfjährige wie schon bei den vergangenen Versuchen zumeist im heimischen Garten oder auf den umliegenden Feldern. Von insgesamt 25 unterschiedlichen Gliederfüßern - vorwiegend Insekten, aber auch Milben, Wanzen und Hundertfüßer - bestimmte er die Daten, setzte sie auf die Teststrecke und maß, nachdem sie weggeblasen worden waren, den Abstand zwischen dem Tier und dem Versuchsaufbau. Durch die Variation des Abstands zwischen Föhn und seinen Testpiloten erzeugte er unterschiedlich große Kräfte. Die Größe dieser Kräfte ermittelte Maximilian anschließend mit einer ausgefeilten Konstruktion aus Kunststoffblechen, Schnur, Spule und einer mit Wasser gefüllten Einwegspritze. Zur Berechnung der genauen Angriffsfläche bestimmte er Länge, Höhe und Breite seiner Probanden. Damit konnte Maximilian Streubel verlässliche Ergebnisse errechnen, die einmal mehr aufhorchen lassen - und das mit einem relativ geringen Materialaufwand. "Es hängt immer von der Oberfläche ab", sagt er.

Wespen könnten sich vor allem auf Holz gut halten, eine winzig kleine Staublaus dagegen auf der Glasunterlage: "Die konnte sich mit dem Zehnfachen ihres Körpergewichts festhalten. Das ist schon faszinierend." Und Maximilian Streubel fand noch etwas heraus: Nicht nur die Oberfläche ist entscheidend für das Festhalteverhalten der Tiere, sondern auch ihre anatomischen Voraussetzungen. Bei einer ganzen Reihe der Probanden bestimmte Maximilian nicht nur die genaue Art, sondern sah sich auch die Fußform genauer an. Bei der Stubenfliege, die besonders auf Glas gute Festhalteergebnisse erzielte, konnte er unter dem Mikroskop "winzig kleine Hautläppchen mit Nanostrukturen" erkennen, beim Marienkäfer, der sich auf der Holzunterlage besser halten konnte, fielen ihm dagegen große Krallen auf.

Maximilian Streubel beschäftigt sich schon seit einigen Jahren sehr intensiv mit wirbellosen Tieren. Auch seinen letzten beiden Siegerthemen waren Forschungen aus diesem Bereich. Vor zwei Jahren sorgte sein "Wettrennen der Wirbellosen" für Aufsehen, mit dem er nachweisen konnte, dass Weltklassesprinter wie Usain Bolt oder Justin Gatlin gegen so manches Insekt ganz schön alt aussähen. Im vergangenen Jahr erreichte er mit seiner Arbeit "Warum fliegen nachtaktive Wirbellose zum Licht?" den dritten Platz im Landeswettbewerb. Insekten, Schaben, Käfer oder Milben - das sind seine bevorzugten Forschungsobjekte. Tiere, die sich so manch anderer lieber vom Hals hält oder gar nicht erst wahrnimmt. Klein sind sie, das schon, unscheinbar aber nur auf den ersten Blick, sagt Maximilian Streubel: "Wenn man sie mal unter dem Mikroskop betrachtet, dann kommen da die tollsten Muster und Strukturen zum Vorschein. Das finde ich immer wieder total interessant."

Interessant findet Maximilian Streubel auch, was sich so alles unter seinem Mikroskop wiederfindet. Denn neben gängigen Arten wie Stubenfliegen oder Marienkäfer fand er auch seltenere Tiere, wie einen Kugelspringer und "einen wunderschönen Eilkäfer", den wohl die wenigsten schon einmal in seiner ganzen Farbpracht mit seinen silbern-metallisch grün schimmernden Deckflügeln gesehen haben, denn das Tier misst nur etwa einen halben Zentimeter. Maximilian Streubel geht bei seinen Forschungen vorbildlich mit den Tieren um. Die Tiere sollen auf keinen Fall unter seinen Forschungsinteressen leiden: "Ich achte immer darauf, dass ihnen nichts zustößt, und entlasse sie so bald wie möglich wieder in die Freiheit", sagt er. Die Versuche auf seiner Teststrecke hat Maximilian während der Sommerferien durchgeführt. Mit dem Bündeln der Ergebnisse und deren Auswertung war er aber fast bis zum Wettbewerb beschäftigt.

In der Miniaturwelt der Wirbellosen ist noch längst nicht alles erforscht. "Ich denke, da kann man sein ganzes Leben damit zubringen, und man wird immer wieder neue spannende Dinge und Fragestellungen entdecken", meint Maximilian Streubel. Deswegen will er den kleinen Tieren auch in Zukunft die Treue halten. Ideen für konkrete Forschungsfragen und Projekte hat er jedoch noch nicht. Jetzt will er sich erst einmal auf den Landeswettbewerb Ende April in Dingolfing konzentrieren. "Danach schaue ich weiter." Für die älteren unter den Nachwuchsforschern geht es dann noch weiter zum Bundesentscheid von "Jugend forscht". Bei "Schüler experimentieren" ist dagegen mit dem Landesentscheid die höchste Stufe erreicht. Über seine Chancen in Dingolfing denkt der Achtklässer nicht nach und nimmt's wie ein richtiger Forscher: "Mir geht es nicht so sehr um die Platzierung am Ende, daran habe ich bei meinen anderen Projekten auch nie gedacht. Das Schöne am Forschen ist doch nicht der Wettbewerb, sondern die Arbeit davor", sagt er. Und gewonnen, das hat er ohnehin schon, nämlich zwei schulfreie Tage.

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