Landkreis Erding:Die Räder setzen sich in Bewegung

Landkreis Erding: Es tut sich was in Erding, doch viele Radfahrer beklagen noch immer, dass sie sich auf den Straßen der Stadt nicht wirklich sicher fühlen und nicht als gleichberechtigte Verkehrsteilnehmer anerkannt werden.

Es tut sich was in Erding, doch viele Radfahrer beklagen noch immer, dass sie sich auf den Straßen der Stadt nicht wirklich sicher fühlen und nicht als gleichberechtigte Verkehrsteilnehmer anerkannt werden.

(Foto: Renate Schmidt)

Das Fahrrad ist im Landkreis Erding endgültig als Verkehrsmittel angekommen. Die Große Kreisstadt ist bereits als fahrradfreundliche Kommune anerkannt und verbessert sich im Fahrradklima-Test des ADFC. In Dorfen gibt es noch mehr Handlungsbedarf. Der Kreistag wird sich bald mit einem landkreiseigenen Radkonzept befassen.

Von Johannes Lesser, Erding

Seit dem 1. Januar 2022 ist die Stadt Erding eine "Fahrradfreundliche Kommune". Dieser Titel wurde nach einem langen Entscheidungsprozess und unter der Erfüllung umfangreicher Vorgaben wie einem Grundsatzbeschluss zur Radverkehrsförderung und der Ernennung eines Radverkehrsbeauftragten seitens der Stadt vom Arbeitsverband fahrradfreundlicher Kommunen (AGFK) für die Dauer von sieben Jahren vergeben. In der Tat hat sich in der Stadt in den letzten Jahren einiges getan. Tempo 20 in der Innenstadt, Abstellgelegenheiten vor öffentlichen Einrichtungen und rote Markierungen in kritischen Bereichen sind Beispiele für eine Stadt, die die Förderung des Radverkehrs immer mehr in ihre Planungen einfließen lässt. Über diese Verbesserungen freut sich auch der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC). Der Erdinger Pressesprecher Michael Wiesner betont im Gespräch die gute Zusammenarbeit mit der Stadt und fügte hinzu, dass der ADFC immer mit der Stadt im Gespräch sei, um "den nächsten Schritt zu machen".

Christian Famira-Parcsetich ist bei der Stadt Erding direkt an der Planung der Radinfrastruktur beteiligt. Generell gibt es vier Bereiche, in denen etwas für den Radverkehr unternommen werden kann: Infrastruktur, Service, Information und Öffentlichkeitsarbeit. Das 2013 verabschiedete Verkehrskonzept der Stadt bot Verbesserungen in allen vier Bereichen. Nach wie vor werde regelmäßig geprüft, ob sich einzelne Maßnahmen aus dem Konzept mit geplanten Tiefbaumaßnahmen kombinieren lassen. Ein aktuelles Beispiel sind die Arbeiten für die Erweiterung des Gewerbegebiets Erding West südlich der Dachauer Straße, bei denen sowohl im Neubaugebiet, als auch bei den Umbaumaßnahmen an den vorhandenen Wegen mehr Fokus auf den Radverkehr gelegt wird. Andere Möglichkeiten sind das Anlegen von Schutzstreifen an allen Straßen, die dafür breit genug sind oder das Anbringen von Schildern, die Autofahrer auf 1,5 Meter Abstand beim Überholen hinweisen.

Mit einer Durchschnittsnote von 3,8 liegt Erding im oberen Mittelfeld bei Städten ähnlicher Größe

Zusätzlich fördert Erding seit einem Jahr den Kauf von Lastenfahrrädern und Anhängern mit Zuschüssen zwischen 25 und 30 Prozent finanziell. Bislang wurden dabei fast 30 000 Euro ausgezahlt. Das Ziel für die Zukunft ist, 25 Prozent des Erdinger Verkehrs über den Radsektor stattfinden zu lassen. Dabei ist auch der Austausch mit den lokalen Ämtern und Betrieben sowie die Information und Sensibilisierung der Gesellschaft wichtig, sagt Famira-Parcsetich. Ein Fahrrad werde kaum als Alternative wahrgenommen, wenn es erst aus dem Fahrradkeller eine Treppe hinaufgeschleppt werden muss, während das Auto direkt vor der Tür auf seinem Parkplatz wartet. Insgesamt sei es wichtig, "mit Verständnis für die einzelnen Teilnehmer am Prozess zu agieren und nicht zu dogmatisch vorzugehen".

Im Fahrradklima-Test des ADFC für das Jahr 2022 findet sich Erding mit einer Durchschnittsschulnote von 3,8 im Vergleich mit anderen Städten der Größe im oberen Mittelfeld. Positiv wurde die Öffnung von einigen Einbahnstraßen in beide Richtungen und die Erreichbarkeit des Stadtzentrums mit dem Fahrrad bewertet. Nicht so gut sieht es dagegen beim Sicherheitsgefühl aus, das rund zwei Drittel der Befragten mit Note vier oder schlechter bewerteten. Ein Grund dafür könnte in der noch unterentwickelten allgemeinen Akzeptanz der Radfahrer als Verkehrsteilnehmer liegen, die in der Umfrage schlecht bewertet wird. Insgesamt gibt es also weiterhin viel zu tun, die Entwicklungen und Pläne der Stadt sind jedoch gute Gründe, optimistisch in die Zukunft zu blicken.

Auch in Dorfen geht es vorwärts. 2020 wurde die 15 000-Einwohner-Stadt als vorläufiges Mitglied in den AGFK aufgenommen. Nächstes Jahr steht eine Überprüfung an, ob die Stadt die Aufnahmekriterien erfüllen und die Handlungsempfehlungen der Vereinigung umsetzen konnte. Der Bedarf ist auf jeden Fall gegeben: Im Fahrradklima-Test des ADFC landet die zweitgrößte Kommune des Landkreises nur im unteren Mittelfeld. Neben dem Sicherheitsgefühl, das nicht einmal einer von zehn Teilnehmern als gut oder sehr gut bewertete, fehlt den meisten Radfahrern in Dorfen die Akzeptanz als Verkehrsteilnehmer.

Gleichzeitig ist die Bereitschaft, auf das Fahrrad zurückzugreifen, durchaus gegeben. Fast zwei Drittel der Befragten stehen größtenteils hinter der Aussage, dass in Dorfen alle Altersgruppen auf den Rädern vertreten seien. Seit der vorläufigen Aufnahme in den Kreis der fahrradfreundliche Kommunen wurden erste Schritte umgesetzt. So wurde ein Radverkehrskonzept in Auftrag gegeben, mit dessen Hilfe Sicherheit und Akzeptanz gesteigert werden sollen, außerdem ist die Stadt "laufend bemüht, wo es möglich ist, Grundstücksfläche für den Radwegebau zu generieren", heißt es aus dem Rathaus. Abseits davon gibt es zunehmend Projekte wie die Organisation und Teilnahme an der Aktion Stadtradeln, die Errichtung von Abstellanlagen für Fahr- und Lastenräder und einer Servicestation und eine jährliche Codieraktion, die gemeinsam mit dem ADFC durchgeführt und am 20. Mai zum nächsten Mal stattfinden wird.

Die größte Herausforderung sei "ein Umdenken in der Bevölkerung" zu erreichen

Der Landkreis Erding entschied sich im Jahr 2021 gegen einen Beitritt zum AGFK mit dem Verweis auf die Arbeit an einem eigenen Radverkehrskonzept, das nun Anfang des zweiten Halbjahres 2023 in den Gremien vorgestellt werden soll. Der Antrag wurde von Thomas Bauer für die CSU-Fraktion eingereicht. Hans Wiesmaier (CSU) sprach von einem "völligen Paradigmenwechsel" in der Förderung des individuellen Radverkehrs. Laut dem Landratsamt soll es in erster Linie die Alltagsradwege betreffen und "allgemeine Informationen zur Verbesserung der Fahrradinfrastruktur enthalten". Aktuell ist zudem eine App in der Testphase, die Informationen speziell zum Radverkehr im Landkreis bieten soll.

Neben dem neuen Konzept arbeitet auch das Landratsamt für eine ausreichende Beschilderung mit dem ADFC zusammen und versucht, beispielsweise mit einer Teilnahme an der Aktion Stadtradeln für das Fahrrad als Fortbewegungsmittel zu werben. In den vergangenen Jahren seien "vielfältige Maßnahmen" getroffen worden, die zu einer Verbesserung der Situation der Radfahrer geführt hätten, heißt es aus dem Landratsamt. Neben der Entschärfung von Unfallschwerpunkten werden dafür aber keine weiteren Beispiele genannt. Die größte Herausforderung sei "tatsächlich ein Umdenken in der Bevölkerung in den Köpfen zu erreichen". Das ziele auf alle Altersbereiche ab, "von SchülerInnen bis zu Senioren". Die Zielsetzung sei dabei "das Fahrrad als klimafreundliches Verkehrsmittel durch verschiedene Werbemaßnahmen immer wieder präsent zu machen".

Der ADFC hat für die unmittelbare Zukunft noch eine andere Hoffnung: Passiert das Volksbegehren zum Radentscheid Bayern die Hürde des bayerischen Verfassungsgerichts und wird auch von der Bevölkerung angenommen, könnte es direkt von der Landesebene mehr Rückenwind für Fahrradprojekte im gesamten Freistaat geben. Am vergangenen Sonntag beteiligten sich auch Einwohner aus dem Landkreis an einer Sternfahrt nach München, um auf den Radentscheid aufmerksam zu machen.

Zur SZ-Startseite

SZ PlusKickboxen
:Stark werden und Frust abbauen

Schon Kinder lernen beim Erdinger Kickboxverein, sich schnell und wendig zu bewegen - und wie sie sich wehren können. Der Verein ist so erfolgreich wie kaum ein anderer seiner Art in Bayern.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: