Erding:Erhöhte Wachsamkeit

Gewalt gibt es in vielen Facetten - überall auf der Welt, auch im Landkreis Erding. Es besteht Handlungsbedarf, das findet nicht nur die BRK-Geschäftsführerin van der Heijden

Von Philipp Schmitt, Erding

Ob körperliche Gewalt gegen Frauen oder gegen Senioren, ob psychische Gewalt gegen Schüler und Lehrer im Internet oder Hate speech gegen Andersdenkende in den sozialen Medien: Alle diese Formen gibt es auch im Landkreis. "Wir müssen wachsamer werden", sagte die aus dem Landkreis stammende Moderatorin Gabi Uitz vom Bayerischen Rundfunk bei einer Podiumsdiskussion des Bayerischen Roten Kreuzes. Hilfsangebote gibt es bereits, zum Beispiel das Frauenhaus. Weitere Angebote sollen folgen, das kündigte Landrat Martin Bayerstorfer (CSU) an.

"Gewalt im gegen Menschen - Häusliche Gewalt" lautete das Motto der Diskussion bei der Frühjahrsversammlung des Bayerischen Roten Kreuzes (BRK) am Freitag im Schrannensaal. "Es handelt sich immer noch um ein Tabuthema, doch auch hier im Landkreis findet häusliche Gewalt in vielen Familien und in allen sozialen Schichten statt", sagte Franz Hofstetter (CSU), BRK-Kreisvorsitzender und Taufkirchener Bürgermeister. Er wies auf die Bedeutung von Angeboten wie das Frauenhaus hin, das seit 2018 in der Trägerschaft des BRK ist, und des Kriseninterventionsdienstes. "Uns alle eint, dass wir helfen wollen", sagte Hofstetter. Bayerstorfer würdigte die "hohe Bandbreite des Angebots" und die gute Arbeit des BRK-Kreisverbands.

An der von Uitz moderierten Podiumsdiskussion nahmen neben dem Landrat und der BRK-Geschäftsführerin Gisela van der Heijden die Münchner Fachanwältin Antje Brandes, Arno Helfrich von der Polizei aus München und Nicky Alexander Cebulla vom Weißen Ring teil. "Dem Ausbruch der Gewalt gehen oft viele Jahre des Leidens voraus", sagte Brandes. Es gehe oft nicht um körperlich sichtbare, sondern um subtile psychische Gewalt: Beleidigungen, Psychoterror, Mobbing, Stalking, gehässige Diffamierungen und anderes. Bei akuten Fällen und Übergriffen sollten Betroffene die 110 wählen und Hilfe holen. Einrichtung wie das Frauenhaus böten im Notfall Zuflucht und Schutz. Allerdings ist das Haus gut ausgelastet. Van der Heijden sagte, dass es den Frauen und ihren Kindern oft schwer falle, danach eine Wohnung zu bekommen. Dabei soll das Pilotprojekt Second Step helfen; es läuft gerade an.

Aber auch ältere Menschen sind von körperlicher oder psychischer Gewalt in Pflegeheimen und zu Hause im Umgang mit oft überlasteten Pflegepersonal oder Familienmitgliedern betroffen. Hilfreich wäre im Notfall ein Platz in einem Krankenhaus wichtig, um Betroffene bei Problemen aus der familiär-häuslichen Pflege in einen Schutzraum nehmen zu können, hieß es. Hier müssten Angebote geschaffen werden. Bayerstorfer sagte zu, dass er die Vorschläge prüfen werde: Ein Notfallbett für Senioren in Pflegekrisen sei im Krankenhaus schnell umsetzbar. Zusätzlich wolle er Angebote schaffen, um älteren Leuten zu helfen, die nach Operationen und Kuraufenthalten nach Hause geschickt werden. Ohne Familienangehörige seien die Senioren verzweifelt, weil der Kühlschrank leer ist und sie nicht zum Einkaufen gehen können.

Wo Gewalt beginnt, müsse jeder selbst definieren, sagte Arno Helfrich vom Polizeireferat Opferschutz und Prävention. Laut Studien sei jede vierte Frau von häuslicher Gewalt betroffen, die Dunkelziffer sei hoch, denn in der Familie werde oft geschwiegen. Auch junge Leute und Lehrer seien von Beleidigungen über die sozialen Medien betroffen. Helfrich riet Eltern, mit ihren Kindern über den Umgang mit sozialen Medien zu reden. Verbotene Inhalte sollten nie verschickt werden, es drohen drastische Konsequenzen auch für Mitwisser, die die Inhalte nicht sofort löschen und sich nicht an die Polizei wenden. "Oft verstehen die Betroffenen die juristische Tragweite gar nicht, weil sie damit nicht umgehen können." Die auf Opferschutz spezialisierte Strafverteidigerin Brandes riet, nie allzu private Dinge wie Nacktfotos über soziale Medien preiszugeben: "Das Internet vergisst nichts", sagte sie. Auch Nicky Alexander Cebulla vom Weißen Ring Bayern-Süd berichtete vom Cybermobbing, das vor allem Schüler und Lehrer betreffe.

Uitz richtete die Aufmerksamkeit der Zuhörenden auf Hate speech, böse und beleidigende Kommentare, die über das Internet verbreitet werden, um Menschen zu diffamieren, die von den Anfeindungen oft nicht einmal etwas wissen: "Die Gewalt ist auch im Landkreis ganz nah, wir müssen wachsamer werden." Für körperliche und psychische Gewalt gebe es viele Ursachen, aber keine Entschuldigung. "Wir dürfen nicht wegschauen, es besteht Handlungsbedarf", sagte auch Gisela van der Heijden, die auch an den Anschlag in Hanau erinnerte. Zeitgleich fand auf dem Schrannenplatz wie an vielen Orten in Deutschland eine Mahnwache statt.

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