Süddeutsche Zeitung

Erding:"Erfreulich und erstaunlich"

Die FDP hat gerade einen Lauf, nicht nur in Berlin. Der Kreisverband freut sich über jüngere Neuzugänge

Von Regina Bluhme

Es vergeht kein Tag, an dem nicht in Zeitungen oder im Fernsehen von der FDP die Rede ist. Nach Jahren der Opposition geht es steil bergauf für die Freien Demokraten. Alle Zeichen stehen auf Regierungsbeteiligung in einer Koalition mit SPD und Grünen. Im Landkreis Erding hört man von der FDP: auffallend wenig. "Wir sind gerade noch ein bisschen am Luftholen", sagt Arndt Scheffler, Vorsitzender des FDP-Kreisverbands. Damit meint er den kräftezehrenden Wahlkampf, aber vielleicht auch die jüngste, wenn nicht atemberaubende, so doch schwungvolle Entwicklung des Kreisverbands, der sich ebenfalls im Aufwind befindet und einige jüngere Mitglieder gewinnen konnte. Erst im Juli ist der neue Vorstand gewählt worden. Man darf also gratulieren.

"Erfreulich und erstaunlich" nennt Rainer Vogel, 73, einziger FDP-Stadtrat in Erding, die Entwicklung. Nach Jahren der Opposition, habe "die Durststrecke" ein Ende. Viel zu lange sei die FDP in die Ecke "Golfspieler und Unternehmer" gedrängt worden, "wo wir nicht hingehören", so Vogel. Die FDP sei "die bürgerliche Mitte". Der Erdinger Augenarzt hat im Bund im Laufe der Jahrzehnte schon viele Koalitionen miterlebt. Die Ampelkoalition wäre ihm recht: "Es muss sich jetzt was ändern!"

Im Erdinger Stadtrat ist Vogel ein Einzelkämpfer, aber er habe sich mit der CSU "assoziiert", wie er sagt. Das heißt, er nimmt an deren Fraktionssitzungen teil. Da erfahre er mehr Hintergrund und Fakten über anstehende Themen, "sonst wäre ich schon isoliert". In den kommunalen Parlamenten im Landkreis Erding sind FDP-Vertreter rar gesät. Franz Ganslmaier sitzt im Gemeinderat Wartenberg und Rosi Neumeier-Korn im Kreistag. Die neugewählte Kreisrätin sieht die Ampel-Koalition durchaus positiv: "Ich denke, dass tatsächlich eine neue Richtung nicht schadet." Gerade jetzt gebe es die Chance für eine Erneuerung "und für mehr Jüngere", wie sie in der FDP zu finden seien.

Unter den Erstwählern schaffte es die FDP bei den Bundestagswahlen am 26. September sogar auf Platz eins, noch vor den Grünen. Der Dorfener Gymnasiast Lionel Rubin ist mit 17 Jahren der Jüngste im Vorstand der Kreis-FDP. Dass er zur FDP gekommen ist, liegt auch an den Corona-Beschränkungen und Homeschooling. "Die FDP hat immer gesagt: Die Schüler sollen wieder in die Schule gehen können", sagt Rubin. Ihm seien Freiheit und Chancengleichheit wichtig und da sei die FDP einfach die Partei, die sein Meinungsspektrum am besten widerspiegele - auch das jeder durch eigene Arbeit und Fleiß etwas erreichen könne. Bürokratieabbau und Digitalisierung, vor allem der Schulen, das seien weitere seiner Themen. Viele seiner Mitschüler seien grün oder eher links orientiert, sagtRubin "doch Pluralität ist extrem wichtig". Man müsse im Gespräch bleiben, so wie es bei den Sondierungen zur künftigen Ampelkoalition zwischen den drei Partien auch gerade geschehe.

Der Kreisverband hat gerade Zulauf, im letzten halben Jahr sind laut Rosi Neumeier-Korn "sechs oder sieben neue Mitglieder dazugekommen". Und bei den ganz Jungen ist die FDP ohnehin gerade hoch im Kurs. "Ich glaube, dass die Jungen sehen: Klimaschutz ist wichtig, aber es gibt auch noch andere wichtige Themen", sagt Rosi Neumeier-Korn, zum Beispiel Digitalisierung oder Bildung. Ihre Themen im Kreistag: unter anderem Wasserstofftechnologie, die Bereiche Kliniken und Pflege sowie nachhaltiges Bauen.

Der Kreisvorsitzende Arndt Scheffler sieht die FDP im Landkreis mit aktuell circa 60 Mitgliedern, "auf einem guten Weg". Zuletzt habe Corona öffentlichen Veranstaltungen einen Strich durch die Rechnung gemacht, erklärt der Anwalt. Aber für die nächsten Monate seien einige Veranstaltungen geplant mit Bundes- und Landtagsabgeordneten. Unter anderem zum Thema Wohnungsbau. Im Landkreis habe sich die Partei auch für die Ausweitung des MVV-Netzes bis zum Bahnhof Dorfen engagiert und für ein Gymnasium für Wartenberg und ganz zu oben auf der Agenda stehe der Hochwasserschutz in Erding.

Eine Frage ist bislang noch ungelöst: Warum so wenig Frauen? Die Grafik-Designerin und Marketing-Fachfrau Rosi Neumeier-Korn und die Erdinger Unternehmerin Anne Connelly, immerhin zur Stellvertreterin von Arndt Scheffler gewählt, sind im zehnköpfigen FDP-Vorstand die einzigen Frauen, auch die Neuzugänge sind allesamt Männer. Da ist noch Luft nach oben. "Ich finde das auch ein wenig erschreckend", räumt Neumeier-Korn ein. "Da können wir auf alle Fälle noch mehr brauchen." Scheffler sieht das auch so, er setze auf die "Vorbildwirkung" von Connelly und Neumeier-Korn und hoffe, dass sich künftig auch einige Frauen, die sich politisch engagieren wollen, für die FDP entscheiden.

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SZ vom 26.10.2021
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