Erding:Eine neue Herausforderung

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Das Kultusministerium will, dass Lehrer mehr Stunden halten. Das kommt an der Basis gar nicht gut an.

Von Regina Bluhme, Erding

Jasmin Kohlrausch unterrichtet eine vierte Klasse an der Grundschule Finsing und ist Kreisvorsitzende des Jungen Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands (Junger BLLV). Die Arbeit mit den Kindern macht ihr Spaß, Kohlrausch ist gerne Lehrerin, aber über die Pläne, mit denen das Kultusministerium den Pädagogenmangel an Bayerns Grund- und Mittelschulen bekämpfen will, hat sich die 30-Jährige geärgert, genau wie ihre Kollegen und Kolleginnen. Dass die Arbeitszeiten erhöht werden sollen, kommt an der Basis gar nicht gut an.

Heftige Kritik musste der bayerische Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler) vor wenigen Tagen in Hallbergmoos als Gast der BR-Sendung "Jetz red i" einstecken. Die Zuschauer fanden die geplante Stundenaufstockung für Lehrer an Grund-, Mittel- und Förderschulen nicht gut. Wenn jetzt nicht gehandelt würde, fehlten im kommenden Schuljahr 1400 Vollzeitstellen, hatte sich der Minister verteidigt. Deshalb sollen Grundschullehrer in Vollzeit 29 Wochenstunden unterrichten statt bislang 28.

Jasmin Kohlrausch ist noch relativ frisch im Beruf, inklusive Referendariat im fünften Jahr. Unter den Mitgliedern des Jungen BLLV, die maximal zehn Dienstjahre haben, herrsche Verärgerung, sagt Kohlrausch. Verärgerung darüber, "dass auf unserem Rücken jetzt ausgetragen werden soll, was vielleicht früher verschlafen worden ist." Eine Stunde mehr - das höre sich nicht so viel an, "doch daran hängt deutlich mehr Zeit dran", sagt Jasmin Kohlrausch. Nach den Schulstunden gehe es ans Korrigieren, Dokumentieren, Vorbereiten auf Unterricht oder Elterngespräche. Zudem gebe es neue Herausforderungen. "Wenn man sich mit älteren Kolleginnen unterhält, dann ist es heute auch so, dass die Kinder häufiger und mehr Aufmerksamkeit brauchen", fügt die junge Lehrerin hinzu. Eins sei aber klar: "Wir werden diese zusätzliche Stunde natürlich abfangen, es muss doch die Bildung der Kinder gesichert sein."

"Wir sind von den Plänen des Kultusministeriums entsetzt." Der BLLV-Kreisvorsitzende und Isener Schulleiter Michael Oberhofer hatte sich kürzlich weitaus drastischer geäußert. Besonders trifft es viele Teilzeitkräfte. Sie müssen künftig 24 Wochenstunden arbeiten. Für Lehrer und Lehrerin, die bislang an Grundschulen eine 16-Stunden-Woche hatten, ist das ein großer Sprung. Stephan Rettig, Leiter der Grund- und Mittelschule Finsing, zeigte sich von den Plänen Piazolos nicht sehr überrascht, es sei absehbar gewesen, "dass was kommt". Von seiner Seite herrsche durchaus Verständnis für das Vorhaben, aber man hätte die Pläne "vorher vielleicht besser kommunizieren können, um sie in Ruhe besprechen zu können". Bislang seien Bayerns Schulen im Vergleich zu anderen Bundesländern immer noch "recht gut bedient" gewesen, so Rettig. Dass die Personaldecke mitunter doch angespannt war, will Stephan Rettig nicht verhehlen. "Aber zumindest an unserer Schule konnten wir alles gut auffangen, es musste noch kein Unterricht ausfallen".

Bei Schulamtsdirektorin Marion Bauer ist zu erfahren, dass im laufenden Schuljahr alle Klassen an Grund- und Mittelschulen besetzt werden konnten, aktuell sei die Mobile Reserve "noch ausreichend besetzt". Bislang habe es "noch keine großen Einbrüche durch Krankheitswellen" gegeben. Immer wieder: Noch. Gerade noch. Noch nicht. Für die Zukunft sieht die bayerische BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann schwarz: Mehr als 4500 Lehrkräfte werden in fünf Jahren an den Grundschulen fehlen werden.

Vom kommenden Jahr an müssen Grundschullehrer in Vollzeit 29 Wochenstunden unterrichten, bei Mittelschullehrer sollen es nach wie vor 27 Wochenstunden sein - bei Gymnasiallehrern sind es nur 23 bis 24 Stunden. Dass Grund- und Mittelschullehrer mehr Stunden haben, aber weniger Gehalt bekommen als die Kollegen an Gymnasium und Realschule, findet die Kreisvorsitzende des Jungen BLLV nicht in Ordnung. Grundschullehrer und Mittelschullehrer steigen eine Gehaltsstufe niedriger ein. "Es wäre schon gut, wenn ein Ausgleich stattfinden würde", sagt Kohlrausch. Oberhofer forderte dezidiert "eine Angleichung der Besoldung". Um Lehrer für Grund- und Mittelschule zu rekrutieren, gelte es an drei Stellschrauben zu drehen, so Rettig: an der Bezahlung, an den Arbeitszeiten und an der Wertschätzung. Den Beruf der Grundschullehrerin würde Jasmin Kohlrausch wieder ergreifen. "Man muss es aber auch wirklich wollen, sonst wird man mit den Herausforderungen nicht fertig."

© SZ vom 27.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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