Süddeutsche Zeitung

Erding:Eine Kirche der Phantasie

Kardinal Reinhard Marx spricht in Erding mit Gläubigen über die Auferstehung und das Leben nach dem Tod

Von Alexandra Maier

"Auferstehung ist für mich Licht." Jemand hat einen Zettel mit dieser Aufschrift an die Pinnwand im Eingangsbereich geheftet. Ein anderer sieht das Thema fatalistischer: "Es kimmt eh wie's kimmt." Die Statements zeigen, wie die Meinungen zum Thema Auferstehung auseinandergehen. Fast zwei Stunden nahm sich Kardinal Reinhard Marx, Erzbischof von München und Freising, am Samstag Zeit, um das Thema zu diskutieren. Wie sieht es denn aus nach dem Tod? Schwarz wie die Nacht - so denken viele, auch gläubige Menschen.

Kinder der Grundschulen in Moosinning und am Grünen Markt in Erding sind anderer Meinung. Unter dem Motto "Hinterm Horizont bleibt's bunt, oder?" haben sie in einem Workshop Bilder gemalt. Das Jenseits als ein paradiesischer Ort mit exotischen Pflanzen und seltenen Tieren oder als ein Raum mit vielen Betten, in dem jeder seine Ruhe finden kann. Die kindlichen Vorstellungen sind farbenfroh. "Aus den Bildern spricht Hoffnung", stellte auch Marx fest. "So müssen wir Auferstehung sehen."

Zum Glaubensgespräch in der Grundschule am Grünen Markt waren etwa hundert Gläubige gekommen. Es war das letzte von sechs Glaubensgesprächen in diesem Jahr und setzte damit den Schlusspunkt unter die Reihe, die das Ordinariat zum diesjährigen Jahr des Glaubens kreiert hatte. Wie bei den vorangegangenen Gesprächen stand eine Zeile aus dem apostolischen Glaubensbekenntnis im Mittelpunkt.

Diesmal ging es um die Auferstehung von den Toten. In Sichtweite zur Kirche St. Johannes gaben drei Teilnehmer ihre persönlichen Statements ab. Monika Eder, Rektorin der Grundschule am Grünen Markt, spielte mit dem Begriff Auferstehung. Für sie bedeute das auch, "immer wieder aufstehen zu können", nach Krankheit, nach Lebenskrisen und Schicksalsschlägen, nach Streit und Unfrieden. Was nach dem Tod passieren wird, wollte der neunjährige Lucas Huber von Kardinal Marx wissen. Und der Familienvater Martin Haindl merkte an, dass der Glaube an die Auferstehung vielfach "zur Privatsache erklärt" würde. Er fragte Marx nach Möglichkeiten, diesen Glauben wieder stärker im Kirchenjahr zu verankern.

In seiner Auslegung der Stelle "Ich glaube an die Auferstehung" ging Marx auf das Wunder des Lebens ein und schlug von da aus den Bogen zu Tod und Auferstehung. Diese Frage sei essenziell damit verbunden, ob man an die Existenz Gottes glaube: "Denn wenn es Gott gibt, kann ein Mensch nicht ins Leere fallen."

Auf die Frage, was denn nun nach dem Tod sein wird - dunkle Nacht oder ein Paradies mit den Tieren und Pflanzen - hielt Marx sich bedeckt: "Wir haben keine Erfahrung. Wir haben diese Bilder der Hoffnung, des Lichts, aber keine endgültige Antwort." Er gab zu, dass die katholische Kirche in früheren Zeiten die Angst vor dem Tod geschürt habe: Fegefeuer. Hölle. Diese Vorstellungen gehörten mittlerweile nicht mehr zur Lehre der Kirche, dennoch seien sie noch präsent und im kollektiven Gedächtnis verankert. Er erkenne derzeit ein "verkrampftes Verhältnis zum Tod", sagte Marx, weil der Glaube an die Auferstehung durch die naturwissenschaftliche Prägung schwächer werde.

Auf die zentrale Frage des Tages hatte Marx keine Pauschalantwort, doch er erklärte seine persönliche Vorstellung: "In der Stunde des Todes trete ich vor meinen Schöpfer hin. In der Begegnung mit Jesus erfahre ich, was ich geworden bin und was ich hätte sein können. Diesen letzten Weg bis hin zur Vollendung gehen wir dann gemeinsam."

Marx sieht Pfarreien und Familien in der Pflicht, Tod und Sterben "auf keinen Fall zu tabuisieren". Der Glaube an die Auferstehung solle kein Randthema im Kirchenalltag sein, sondern ein zentraler Bereich. Im Gespräch kam die Frage auf, wie man Kinder in diese Praxis einbinden könne. Marx riet dazu, mit Kindern über alles zu sprechen, was geschieht, sie an Beerdigungen teilnehmen zu lassen und ihnen die Möglichkeit zum Abschiednehmen zu geben. Das Thema Auferstehung sei ein Bereich, in dem "viel Phantasie möglich ist", sagte Marx. "Wir brauchen die Bilder, aber wir müssen vorsichtig damit umgehen." Um nicht Angst zu schüren, um nicht alte Fehler nochmals zu begehen und um das komplexe Thema nicht auf Banales zu reduzieren.

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Quelle:
SZ vom 11.11.2013
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