Süddeutsche Zeitung

Erding:Ein Scherbenhaufen

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Nach der Kritik der CSU an der Postenvergabe bei der konstituierenden Sitzung des Erdinger Stadtrates wehren sich die anderen Parteien

Von Antonia Steiger, Erding

Willi Vogl wäre sicher ein guter Feuerwehrreferent für die Stadt Erding. Er ist Kreisbrandrat, hat am Feuerwehrbedarfskonzept für den Landkreis mitgearbeitet und genießt Ansehen bei allen Feuerwehren in Stadt und Landkreis. Dass er es nicht geworden ist, warf zunächst ein ungutes Licht auf Freie Wähler, Grüne, Erding Jetzt, SPD und ÖDP, denen man unterstellen musste, eigene Interessen über alles zu stellen. Doch das ist nur eine Sichtweise. Es gibt noch eine andere - und die lässt die CSU alles andere als gut aussehen.

Die CSU hat vier von elf Referentenposten bekommen, das entspricht in etwa ihrem Anteil an Sitzen im Stadtrat, 13 von 40. Auf die Posten für Feuerwehren und Schulen hat die CSU offenbar keinen Anspruch erhoben, andere aber schon. Und das wusste die CSU, die daher nicht damit rechnen durfte, dass ihre Kandidaten gewählt werden. Außer Vogl, der dem SPD-Fraktionssprecher Alexander Gutwill unterlegen war, ereilte dieses Schicksal auch Hubert Sandtner, der Benedikt Hoigt (Freie Wähler) beim Thema Schulen unterlag. Die CSU hat ihre Stadträte Vogl und Sandtner demnach in ein Rennen geschickt hatte, das überhaupt nicht zu gewinnen war.

In mehreren Presseerklärungen reagierten am Montag Vertreter von Freien Wählern, Grünen und Erding Jetzt auf die Vorwürfe der CSU, man habe falsch gespielt, sei von Rache getrieben und habe verdiente Politiker wie Vogl, aber auch Ludwig Kirmair und Walter Rauscher beschädigt, die allesamt Wahlen um Posten verloren haben. Fraktionssprecher Burkhard Köppen hatte der SZ gesagt, die CSU sei "kalt erwischt" worden. In der Presseerklärung warf die CSU den anderen vor, dass Absprachen gebrochen worden seien. Wer wem was zugesagt haben soll, das bleibt vorläufig jedoch komplett im Dunklen.

Bis heute sei nicht klar, schreiben die Freien Wähler nun, "wer eigentlich einen Auftrag hatte, Gespräche zu führen oder gar abzuschließen". Schon beim ersten Treffen habe Gotz klargestellt, dass er als Ortsvorsitzender Ansprechpartner sei, das bestätigt auch Hans Egger, Fraktionssprecher von Erding Jetzt. In dieser Runde habe Gotz den Anspruch der CSU auf das Amt des Zweiten Bürgermeisters formuliert. Gleiches taten die Freien Wähler und seien davon bis zum Schluss nicht abgewichen. Die CSU habe "eine völlig falsche Wahrnehmung" bezüglich angeblicher Zusagen, schreiben die Freien Wähler und wundern sich nun darüber, dass die CSU darauf verweist, sie habe Petra Bauernfeind ebenfalls das Amt des Zweiten Bürgermeisters angeboten. Wenn dies ein ernsthaftes Angebot gewesen wäre, warum habe die CSU "wenige Tage vor der entscheidenden Sitzung wissen lassen", Bauernfeind sei "für die CSU unwählbar?" Berichtet hatte darüber der Erdinger Anzeiger.

Von gebrochenen Absprachen wissen auch die Grünen nichts, wie Fraktionssprecher Herbert Maier sagte. "Mit uns hat keiner gesprochen." Maier und auch Egger betonen, dass es in den Absprachen der fünf Parteien ohnehin vor allem um die Geschäftsordnung gegangen sei, zu der nun Anträge vorliegen. Unter anderem sollen öffentliche Sitzungen im Internet übertragen werden und Unterlagen für öffentliche Sitzungen sollen sieben Tage vorher auf der Homepage einsehbar sein soll. Außerdem sollen Antragsteller fünf Minuten reden dürfen, sodass alle Stadträte erfahren, um was es dem Antragsteller gegangen ist. Schon Wochen vor der konstituierenden Sitzung sei daran gearbeitet worden, sagte Egger. Ziel sei eine Stadtpolitik, "die von Zuhören, Mitwirken und Transparenz für alle Gruppierungen getragen wird". Davon werde auch die CSU profitieren.

Vorläufig aber müssen noch Scherben zusammengekehrt werden, wobei die Freien Wähler betonen, dass bei der Verteilung der Referate "niemand auf Konfrontationskurs zur CSU" gegangen sei. Nach dem Verteilungsschlüssel seien der CSU vier Referenten zugestanden. "Die CSU bekam alle vier von ihr beanspruchten Referate: Kultur, Sport, Umwelt und Hochwasser." Die Freien Wähler hätte gerne das Sportressort besetzt, verzichteten aber, "um die CSU und insbesondere Sportreferentin Janine Krzizok nicht zu düpieren". Stattdessen hätten sie sich für das Referat Schulen entschieden, "auf das in den Vorgesprächen niemand Anspruch erhob". Das sei der CSU bekannt gewesen, die dennoch einen Kandidaten gestellt habe, der unterlag: Hubert Sandtner. Analog die Vergabe des Feuerwehrreferenten: Keine Fraktion, "auch nicht die CSU", schreiben die Freien Wähler, habe sich beworben, bis die SPD ihr Interesse angemeldet habe. Es habe keinen Widerspruch gegeben. In der konstituierenden Sitzung stellte die CSU Vogl auf - und beklagte sich dann, dass man ihn habe durchfallen lassen.

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SZ vom 19.05.2020
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