Erding:Ein Name als Auftrag

Beim Festakt zum 75-jährigen Bestehen des Anne-Frank-Gymnasiums betont Schuldirektorin Helma Wenzl, dass die Haltung für Toleranz und gegen rechtsextremistische Tendenzen kein Selbstläufer ist

Antonia Steiger

Erding: Dicht besetzt mit Gästen war die Aula des Anne-Frank-Gymnasiums am Freitag beim Festakt zum Jubiläum, hier während der Ansprache der Schulleiterin Helma Wenzl

Dicht besetzt mit Gästen war die Aula des Anne-Frank-Gymnasiums am Freitag beim Festakt zum Jubiläum, hier während der Ansprache der Schulleiterin Helma Wenzl

(Foto: Renate Schmidt)

Was ehemalige Kultusminister, jetzige Ministerialdirigenten und Schulleiter anlässlich eines Festaktes Bedeutsames sagen, das kann sich ein Publikum aus Lehrern und ehemaligen Lehrern schon vorher gut vorstellen. Wenn aber ein früherer Schüler ans Pult schreitet, dann werden die Lehrer hellhörig: Oberbürgermeister Max Gotz (CSU) hat mit seinem flüssig vorgetragenen Grußwort am Freitag beim Festakt zum 75-jährigen Bestehen des Anne-Frank-Gymnasiums einige seiner früheren Lehrer geradezu entzückt: "Super. Ohne Fehler", raunte die eine Lehrerin der anderen zu.

Alle Redner beim Festakt in der Schulaula würdigten die besondere Geschichte des Erdinger Gymnasiums, das im Jahr 1936 - eines der düstersten Jahre in der deutschen Geschichte, wie die Schuldirektorin Helma Wenzl sagte - gegründet wurde und durch schwere Zeiten musste. Die Existenz der Schule stand sogar auf dem Spiel, bis die neu gegründete Notgemeinschaft in den fünfziger Jahren 150 000 Mark zusammengetragen hatte und damit half, einen Grundstock zu legen für das neue Schulhaus auf der Heilig-Blut-Wiese. Mehrfach wurde die Schule erweitert, und als das nicht mehr reichte, wurde in Erding das zweite Gymnasium gebaut, das war 2004. Ihr ganz besonderes Profil bekam die Schule jedoch im Jahr 2005, als sie sich auf Betreiben des Kollegiums mit Ulrich Bartl an der Spitze um den Namen Anne-Frank-Gymnasium bemühte - mit Erfolg, wie man weiß.

Dieser Name sei an Symbolkraft nicht zu überbieten, sagte Wenzl. Er sei ein Glücksfall wegen seiner hohen Integrationskraft, er sei Auftrag für die Schule. Sie machte aber auch deutlich, dass die Haltung für Toleranz, für Solidarität, gegen Rassismus und gegen rechtsextremistische Tendenzen kein Selbstläufer sei. Unter anderem die Schüler, die Anne-Frank-Botschafter sind, machen es sich zur Aufgabe, diesen Geist wachzuhalten und an die folgenden Schülergenerationen weiterzugeben.

Erstmals war Ministerialdirigent Walter Gremm als Abgesandter des Kultusministeriums in Erding zu Gast. Er lobte die Schule für ihre Atmosphäre, er habe sich als früherer Lehrer sofort heimisch gefühlt, sagte Gremm. Er vergaß aber auch nicht, auf die Erfolge der bayerischen Schulpolitik hinzuweisen, zum Beispiel dass demnächst jedes Gymnasium eineinhalb Lehrerstellen mehr bekommen wird. Das Ministerium möge sich zurückhalten mit weiteren Neuerungen und nicht ständig jeder neuen Mode hinterherrennen, erwiderte ihm Gotz in seinem Grußwort. Landrat Martin Bayerstorfer (CSU) sagte, das Anne-Frank-Gymnasium genieße einen hervorragenden Ruf und sei Teil eines breit gefächerten Bildungsangebotes im Landkreis, das künftig auch noch breiter werden könnte. Ehemalige Schüler blickten fast ausnahmslos gerne auf ihre Zeit an dieser Schule zurück, sagte Bayerstorfer. Ob er damit vielleicht sogar Max Gotz gemeint hat?

Der sagte, er sei sich nicht sicher, ob die Lehrer sich alle freuten, dass sie ihm nach 30 Jahren wieder begegneten. Dass nicht immer alles glatt lief in der Schulzeit des heutigen Erdinger Oberbürgermeisters, lässt sich aus seinen Worten erahnen, dass er eine längere Zeit als gedacht an der Schule verbracht habe. Das Publikum lachte. "Mir war damals nicht zum Lachen zumute", sagte Gotz. Er bedankte sich bei den Lehrern und Schulleitern, deren Engagement weit darüber hinaus gehe, "was das Berufsleben eigentlich erfordert. Sie schufen zahlreichen Möglichkeiten für Schüler, sich im Schulleben einzubringen und Integration zu erfahren." Letztendlich erinnere man sich eher an den Auftritt in der Theatergruppe als an eine Schulaufgabe, die man geschrieben hat.

Auch an diesem Abend erlebten die Gäste des Festaktes, was die Schüler außerhalb des Unterrichts leisten: Lea Gardner und Matthias Groß bezauberten mit ihrem Vortrag mit Gesang und Klavier, die Jazzgruppe lockerte den Reigen der Redebeiträge mit zwei schmissigen Darbietungen auf, und das Oberstufentheater zog das Kultusministerium und dessen Informationspolitik mit einer leicht schrillen Performance so durch den Kakao, dass das gediegene Publikum erst ein bisschen nachdenken musste, bevor es die kreative und flotte Darstellung von Problemen wie Lehrermangel und dem Kampf dagegen würdigen konnte. Mit einem Rollstuhl versuchten die Schüler, frühere Lehrer wie Wolf Scherer und Michael Bibl wieder für die Arbeit in der Schule zu ködern - vergeblich.

Immer wieder gerne gesehen ist auch Hans Zehetmair am Rednerpult, wenn es an einer Schule etwas zu feiern gilt. Der frühere Erdinger Landrat und frühere bayerische Kultusminister philosophierte ein wenig über Erziehung zu Wohlwollen - auch sich selbst gegenüber, über die Freiheit, auch einmal etwas bleiben sein zu lassen, und darüber, dass ein Mensch sich erst einmal die Wirklichkeit aneignen müsse, dass er zwischen wahr und unwahr unterscheiden lernen müsse, bevor er seinem Wunsch nach Veränderung schließlich auch nachgeben könne.

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