Warteraum Asyl:Der neue Leiter

Volker Grönhagen

Volker Grönhagen, 59, war 15 Monate lang in Afghanistan. Er sagt: "Empathie ist für mich kein Fremdwort."

(Foto: oh)

Der pensionierte Oberstleutnant Volker Grönhagen wollte "noch was tun". Seit zwei Wochen leitet er den Warteraum Asyl

Von Sebastian Fischer, Erding

Seine Frau hat es gleich gewusst. Als Volker Grönhagen am Ende des vergangenen Jahres in Ruhestand ging und sich fortan mit der Gartenarbeit hinter dem Haus der beiden in Hagelstadt beschäftigte, ahnte sie, dass es nicht lange dauern würde, bis ihren Mann die Ungeduld plagt. Gut ein halbes Jahr später, im August, hörte der pensionierte Oberstleutnant Grönhagen, 59, eine Ansprache des bayerischen Innenministers im Radio: Joachim Herrmann suchte pensionierte Beamte für die Flüchtlingshilfe. "Ich wollte noch was tun", sagt Grönhagen: "Ich dachte, ich könnte die Helfer bei der Registrierung unterstützen." Nun arbeitet er für das Bundesamt für Migration. Seit zwei Wochen ist er der neue Camp-Leiter im Erdinger Kurzzeitlager für Flüchtlinge, dem Warteraum Asyl.

Erfahrung in Afghanistan

Wenn Grönhagen gleich zu Beginn des Gesprächs "ich bin völlig unwichtig" in den Telefonhörer brummt, dann sagt dies weniger über seinen Job auf dem alten Fliegerhorstgelände als über sein Wesen. Die Zusammenarbeit sei unkompliziert und gut, sagt Günther Geiger vom Deutschen Roten Kreuz. Auch der frühere Camp-Leiter Heiko Werner, der inzwischen den Aufbau einer Erstaufnahmeeinrichtung in Norddeutschland leitet, hatte seinen Nachfolger während der Einarbeitungszeit vor drei Wochen gelobt. Er hätte sich auch gerne untergeordnet und Flüchtlinge registriert, sagt Grönhagen. Doch wegen seines Dienstgrads und auch aufgrund seiner Vita haben sie ihm nun diesen Job gegeben.

Acht Mal war er mit der Bundeswehr im Ausland unterwegs. "Ich bin ein Einsatzjunkie", sagt Grönhagen. Zuletzt und am längsten war er in Afghanistan, 15 Monate lang, bis September 2003. In Kabul brachte er mit Journalistikstudenten der Universität eine alle 14 Tage erscheinende Zeitung für die einheimische Bevölkerung heraus und schuf den Radiosender "Stimme der Freiheit". Wie wichtig es sei, auch Mädchen in die Schule zu schicken, wählen zu gehen und dass man seinen Kindern besser kein Kriegsspielzeug schenken sollte, das waren ein paar der Inhalte. Grönhagen klingt glaubhaft, wenn er sagt: "Empathie ist für mich kein Fremdwort."

"Ein ganz normales Arbeitsverhältnis"

Es werde ein "Haufen Mist" über Flüchtlinge erzählt, weiß er jetzt: "Ich habe jedenfalls in Erding noch keinen sogenannten Wirtschaftsflüchtling gesehen." Sondern Menschen in "erbarmungswürdigem Zustand". Knapp 39 000 sind mittlerweile angekommen und weiterverteilt worden. Einmal ganz Erding - das habe er auch Oberbürgermeister Max Gotz (CSU) gesagt, als der jüngst im Camp zu Besuch war. Mit Landrat Martin Bayerstorfer (CSU) hat sich Grönhagen noch nicht getroffen, das soll demnächst geschehen. Aber er hat schon gehört, dass die Zusammenarbeit in der Vergangenheit nicht frei von Komplikationen war. Er sagt: "Wir versuchen ein ganz normales Arbeitsverhältnis aufzubauen." Grönhagens Vertrag ist zunächst auf ein halbes Jahr angelegt.

Es wird ein arbeitsreiches halbes Jahr. Zwar ist auch in Erding zu spüren, dass zurzeit etwas weniger Flüchtlinge nach Deutschland kommen als noch vor ein paar Wochen. Doch es gibt eine Großbaustelle im Camp: Die Festzelte mit Schlafplätzen sollen spätestens im Februar, im tiefen Winter also, durch Leichtbauhallen ersetzt werden. Am besten soll das noch vor dem Jahreswechsel geschehen. Denn die im Sommer eilig eingerichteten Zelte waren zwar zunächst die einzig mögliche Lösung, auf den Zuzug Tausender Flüchtlinge zu reagieren. Doch im Winter würden sie laut Grönhagen eine starke Schneelast nicht aushalten können und auch keinen starken Sturm vertragen. "Wir arbeiten mit Hochdruck daran", sagt er.

Er sucht nun einen Stellvertreter

Und auch ohne Hochdruck ist es ja nicht leicht, die zahlreichen Mitarbeiter verschiedener Organisationen zu koordinieren. Am Anfang, sagt Grönhagen, war er täglich 24 Stunden lang ansprechbar. Nun soll zur Entlastung ein Stellvertreter gefunden werden. Die Aufgabe findet er "total spannend". Und Gartenarbeit sei im Winter ja ohnehin sinnlos.

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