Süddeutsche Zeitung

Erding:Ein "blöder Tag" kommt teuer zu stehen

Auf dem Heimweg wird ein betrunkener 28-Jähriger von zwei Polizisten kontrolliert und gerät mit denen in Streit. Am Amtsgericht Erding wird er nun wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte und Beleidigung zu einer Geldstrafe verurteilt. Der Vorwurf des tätlichen Angriffs entfällt

Von Gerhard Wilhelm, Erding

"Ich weiß, das war ein blöder Tag, aber ich kann es auch nicht mehr ändern", sagte der 28-jährige Angeklagte in seinem Schlusswort. Der "blöde" Tag wird ihn jetzt wohl um 3600 Euro Geldstrafe plus die Kosten des Gerichtsverfahrens ärmer machen. Amtsrichter Björn Schindler sah es als erwiesen an, dass der Angeklagte sich des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte und der Beleidigung von zwei Polizeibeamten schuldig gemacht hatte. Beides hatte der 28-Jährige auch zuvor offen zugegeben, aber vehement bestritten, dass er die Beamten auch noch tätlich angegriffen habe - das hatte ihm nämlich die Staatsanwaltschaft ebenfalls vorgeworfen.

Doch bei diesem Vorwurf blieb dem Richter nach der Vernehmung der Zeugen nur, im "Zweifelsfall für den Angeklagten" zu entscheiden. Der hatte nämlich erklärt, er habe gegen keinen der Polizisten zum Schlag ausgeholt, er habe nur seine Absicht, endlich nach Hause zu kommen, mit der Richtungsangabe, wo er wohne, verbunden und dies schwungvoll mit der Hand gezeigt. Getroffen hatte er sowieso niemanden.

Der "blöde Tage" war am 12. Oktober 2019 ziemlich früh angegangen. Als er und ein Bekannter sich gegen 4 Uhr früh aus dem Weekend-Club nach Hause aufmachten. Dort hatte er sich bereits mit einem Taxifahrer angelegt, der seiner Meinung nach - wie immer - viel zu schnell an Gästen aus dem Club vorbei fuhr. Beim folgenden Disput schubste er den Taxifahrer weg, weil der ihm zu nah auf die Pelle gerückt sei. Für den angetrunkenen Angeklagten - eine Alkoholtest um 4.57 Uhr ergab 2,09 Promille - war die Sache damit erledigt, für den Taxifahrer aber nicht, er rief die Polizei an.

Da die Beschreibung des Taxifahrers ziemlich genau war, entdeckte eine Polizeistreife ihn und seinen 21-jährigen Bekannten ziemlich schnell gegen 4.24 Uhr an der Friedrich-Fischer-Straße vor einem Back-Shop. Laut Staatsanwaltschaft habe er sich gegenüber den beiden Polizisten lautstark sehr aggressiv und unkooperativ verhalten und sie als "Knallköpfe" und "Idioten" bezeichnet, statt seine Personalien anzugeben. Plötzlich habe der Angeklagte dann die linke Hand zum Kopf eines der Beamten geführt und dieser habe sich gerade noch abducken können und sei zurück gewichen. Man habe ihn daraufhin aufgefordert, dies zu unterlassen. Er habe aber dann mit rechts gegen den zweiten Polizisten geschlagen, der den Arm nur 30 Zentimeter vor seinem Kopf stoppen habe können. Daraufhin wurde der 28-Jährige erst an die Scheibe des Shops gedrückt, zu Boden gebracht und gefesselt, wogegen er sich wehrte.

Die Beleidigungen gab der Angeklagte zu: "Da habe ich mich nicht ganz optimal verhalten", sagte er vor Gericht. Und natürlich habe er sich gegen die Verhaftung gewehrt. Er habe zu dem Zeitpunkt überhaupt nicht verstanden, was die beiden Polizisten von ihm wollten. Er habe sie immer wieder gefragt, wo "denn das Problem sei", aber keine Antwort bekommen. Darüber sei er natürlich "ein wenig sauer geworden". Er habe aber keinen einzigen Schlag ausgeführt, sondern den Polizisten einfach mit einer Handbewegung die Richtung gezeigt, wo er wohne. Beim ersten Mal wohl mit der linken Hand, beim zweiten Mal - weil die Beamten wohl nicht verstanden hätten, dass er einfach nur noch nach Hause wolle - mit rechts. "Dass das unglücklich abgelaufen ist, bestreitet er gar nicht", sagte seine Verteidigerin.

Vor Gericht war nur einer der beiden Polizeibeamten zur Aussage gekommen. Der bestätigte, dass der Angeklagte immer wieder gefragt habe, was man von ihm wolle. Er sagte aber auch aus, dass er keinen Schlag gesehen habe, da der Angeklagte nicht mal eine Faust geballt habe, man könnte dessen Bewegung durchaus auch als Richtungsdeutung sehen. Von dem zweiten, angeblichen Schlag gegen seinen Kollegen habe er nichts mitbekommen, da der mit dem Bekannten des 28-Jährigen beschäftig war. Er habe den Vorfall nur von seinem Kollegen danach geschildert bekommen. Nach der Fixierung sei der Anklagte wie ausgewechselt gewesen und habe sich später im Krankenhaus sogar bei beiden entschuldigt. Die Aussage seines Kollegen wurde in dessen Abwesenheit nur vorgelesen. In ihr hieß es, er habe "den Eindruck" gehabt, dass der Angeklagte zuschlagen wollte.

Doch das reichte weder am Schluss dem Staatsanwalt noch dem Amtsrichter einen tätlichen Angriff als bewiesen zu sehen. "Ein Eindruck ist nur ein subjektives Empfinden", sagte Schindler. Deshalb blieb es bei zwei Anklagepunkte, von denen die Beleidigungen am schwersten wiegen. Da der Angeklagte aber ohne Vorstrafen ist und sich in den beiden Punkten als geständig zeigte, beließ es der Amtsrichter bei einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 40 Euro. Auf ein einmonatiges Fahrverbot, wie es der Staatsanwalt zusätzlich gefordert hatte, verzichtete er.

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SZ vom 19.05.2020
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