Erding:"Dramatische Welle"

Burkhard Köppen referiert beim CSU-Stammtisch über fehlende Pflegekräfte. Droht gar ein "Tsunami"?

Von Philipp Schmitt, Erding

Droht im Pflegesektor wegen des demografischen Wandels und Fachkräftemangels ein Notstand? Beim Stammtisch der Erdinger CSU am Sonntag im Gasthaus Kreuzeder hat CSU-Fraktionssprecher im Stadtrat Burkhard Köppen vor "einer dramatischen Welle" gewarnt, die in den nächsten Jahren auf den Landkreis zu rolle. Ohne ein politisches Gegensteuern drohe ein Desaster. In den stationären Einrichtungen seien oft freie Betten wegen Personalmangels nicht mehr belegbar. Der Arbeitsmarkt für qualifiziertes Personal sei im Raum München leer gefegt.

"Pflegeberufe müssen lukrativer gestaltet und das System langfristig umgebaut werden. Wir brauchen mehr Flexibilität", sagte Burkhard Köppen. Er ist Mitglied der 2017 gegründeten Vereinigung der Pflegenden in Bayern (VDGB), die mit Fachleuten die Studie Monitoring zum Pflegepersonalbedarf in Bayern 2020 erstellen ließ. Mit dem Pflegekrisendienst (PKD) habe der Landkreis den richtigen Weg beschritten, doch der PKD müsse ausgebaut werden. Zudem sollten häuslich pflegende Angehörige finanziell besser gefördert werden. Stationäre Pflegeeinrichtungen sollten möglichst nicht von Investoren betrieben werden, sondern in kommunaler Hand bleiben. Bei den Kliniken habe der Landkreis gezeigt, dass dies ein Erfolgsmodell sei. Die Rendite dürfe nicht im Vordergrund stehen. Neue Einrichtungen im Investorenmodell, wie etwa in Forstern geplant, sehe er eher kritisch.

Altenpflegerinnen, die wegen der Familie pausierten, sollten bei der Rückkehr ins Berufsleben unterstützt werden, so Köppen. Er sei froh, dass der Landkreis in neue Ausbildungsstätten für Gesundheitsberufe investiert habe. Auch der Freistaat sei gefordert. Es sei davon auszugehen, dass viele der etwa 130 000 in Pflegeberufen Tätigen in den nächsten Jahren in den Ruhestand gehen und Nachwuchs fehlen werde. Wenn neue Pfleger aus dem Ausland angeworben würden, müssten deren berufliche Qualifikationen schneller anerkannt werden. Zudem müssten sprachliche und kulturelle Barrieren abgebaut werden.

Auch der Sprecher der CSU-Kreistagsfraktion, Thomas Bauer, sieht im Pflegebereich wegen der demografischen Entwicklung "einen Tsunami auf uns zu kommen". Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) hatte das Thema Pflege im Landkreis kürzlich bei der Feier zum 100-jährigen Bestehen der KBO Klinik in Taufkirchen neben Klima wichtigsten Zukunftsthema bezeichnet. Inzwischen seien bereits mehr als 40 Prozent der Bevölkerung älter als 65 Jahre, Tendenz steigend. Bei Senioren steige das Risiko, an Demenz zu erkranken oder Pflege zu benötigen. Bauer räumte ein, dass im Landkreis noch viel zu tun sei. Es sei schwer, Personal zu finden. Auch er zeigte erfreut, dass trotz Widerständen der PKD auf den Weg gebracht wurde: "Dafür mussten dicke Bretter gebohrt werden." Auch Pflegestützpunkte würden unterstützt. Der Kreisrat erinnerte daran, dass es sich dabei um freiwillige Leistungen handle. Pflegende Angehörige, vor allem wenn sie durch ihr Engagement ihre berufliche Karriere vernachlässigen, sollten besser unterstützt werden.

Kreisrätin Sosa Balderanou aus Taufkirchen berichtete wie Köppen über ihre Erfahrungen mit zu pflegenden Angehörigen. Ein Besucher wies auf die hohen Kosten von stationärer Pflege hin: "Wenn die Löhne und damit die Pflegesätze weiter steigen, wer soll sich das denn noch leisten können?" Das Geld für die Sozialsysteme müsse erst verdient werden. Dafür müssten auch Handwerker besser bezahlt werden, um Nachwuchs zu finden. Viele Berufsgruppen würden gerne mehr Geld verdienen, seien systemrelevant.

Burkhard Köppen verwies auf die Studie der Vereinigung der Pflegenden in Bayern, die 96 Bezirke untersucht hat: Ende 2019 wurden demnach 376 430 Menschen zu Hause und 115 200 in Pflegeheimen betreut. 240 000 Menschen waren Ende 2019 in Bayern an Demenz erkrankt.

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