Unterstützung für Geflüchtete im Landkreis Erding:Zähe Probleme und kleine Hoffnungsschimmer

Lesezeit: 2 min

Die Teilnehmer beim Pressegespräch: (vorne von links) Selam Haile, Karin Fengler-Mensah und Stephan Glaubitz, (hinten links) Josef Kronseder, Franz Leutner und Monika Schwarzenböck. (Foto: Renate Schmidt)

Die Schwierigkeiten, mit denen geflüchtete Menschen und mit ihnen die Ehrenamtlichen der Flüchtlingshilfegruppen zu kämpfen haben, sind dieselben wie eh und je. Bürokratie, Wohnungsnot und unzulängliche Integration machen ihnen das Leben schwer.

Von Florian Tempel, Dorfen

Selam Haile ist eine neue Mitarbeiterin beim Verein Flüchtlingshilfe Dorfen. Beim Pressegespräch zur aktuellen Lage der Unterstützungsarbeit für geflüchtete Menschen macht sie mit der Schilderung ihrer eigenen Erfahrungen deutlich, dass die allgemeinen Probleme dieselben sind wie seit Jahren. Bürokratie, Wohnungsnot und unzulängliche Integration machen Menschen wie Selam Haile das Leben in Deutschland schwer - immer noch und immer wieder.

Für erfahrene Ehrenamtliche wie Franz Leutner und Josef Kronseder aus Dorfen, Karin Fengler-Mensah aus Erding, Monika Schwarzenböck aus Sankt Wolfgang und Stephan Glaubitz aus Walpertskirchen sind die Schwierigkeiten, von denen Selam Haile berichtet, alltägliche Probleme, die so oder ähnlich Hunderte andere auch betreffen. Wenn man das aber so direkt und prägnant von einer Betroffenen hört, ist man vollständig konsterniert.

Newsletter abonnieren
:Mei Bayern-Newsletter

Alles Wichtige zur Landespolitik und Geschichten aus dem Freistaat - direkt in Ihrem Postfach. Kostenlos anmelden.

Selam Haile stammt aus Eritrea, sie ist verheiratet und hat zwei Kinder. 2017 kam sie nach Dorfen und wurde mit ihrer Familie in einem Zimmer in der außerhalb gelegenen Großunterkunft in Lindum untergebracht. "Mein Mann kam da wenigstens tagsüber raus, zum Arbeiten", sagt sie. Doch sie war mit ihren Kindern wie gefangen in Lindum. Es waren zwei deprimierende und verlorene Jahre ihres Lebens, bis die Flüchtlingshilfe Dorfen 2019 eine Wohnung für die Familie in der Stadt fand. Vor allem über die Kinder habe sie endlich Anschluss an das normale Leben gefunden, sagt Selam Haile.

Ihr Mann kommt wie sie aus Eritrea, im Gegensatz zu ihr hat er aber als anerkannter Asylsuchender einen soliden Aufenthaltstitel. Bei Selam scheitert das bisher, weil sie keinen gültigen Pass hat. Sie erhält deshalb lediglich eine Duldung, die alle drei Monate erneuert werden muss. Sie könnte zur Botschaft gehen und einen neuen Pass beantragen. Von geflüchteten Staatsbürgern verlangt Eritrea aber eine sogenannte Reueerklärung. Zusätzlich wird man verpflichtet, eine Diaspora-Steuer an den eritreischen Staat zu zahlen, lebenslang ein Prozent des Einkommens. Da Selam Haile verheiratet ist, verlangt Eritrea die Steuer auch von ihrem Ehemann. Es ist absurd.

Kein Pass, kein vernünftiger Aufenthaltstitel, keine Arbeit

Das Bundesverfassungsgericht hat unlängst geurteilt, dass es für Geflüchtete aus Eritrea unzumutbar ist, auf die Bedingungen ihres autoritären Herkunftsstaats einzugehen. Das Urteil ist ein Hoffnungsschimmer für Selam Haile, bringt ihr aber bislang noch nichts. Franz Leutner würde sie gerne im Rahmen eines Bundesfreiwilligendienst anstellen. Doch das geht nicht. Dazu bräuchte sie einen Aufenthaltstitel, der mindestens ein Jahr lang gilt. Den kriegt sie aber nicht, weil ja ihre Identität nicht geklärt ist. Selam Haile spricht ganz gut Deutsch, obwohl sie nie einen Deutschkurs besuchen durfte, sie kann fließend Englisch, sie hat gute Computerkenntnisse, Empathie und Durchhaltewillen - und Deutschland ignoriert das alles.

Die Probleme für Geflüchtete sind von zäher Beständigkeit, sagten die Ehrenamtlichen. Die Bürokratie, allem voran die Wohnungsnot, die Schwierigkeiten, Ausbildung oder Arbeit genehmigt zu bekommen, das immer noch in in vielen Unterkünften fehlende WLAN. Menschen kommen, die einen bleiben, manche gehen wieder. Bei den Ehrenamtlichen in den Flüchtlingshilfevereinen und Helferkreisen ist das nicht anders. Viele, die zum Beispiel 2015 von der Willkommenskultur-Euphorie angesteckt wurden, haben sich wieder zurückgezogen oder sind nun in anderer Weise tätig.

"Wir brauchen neue Leute", sagt Franz Leutner, "wie brauchen Unterstützung". Vor allem aber brauche es einen gesellschaftlichen Wandel beim Großthema Migration. "Bei uns sind Menschen seit sechs, sieben Jahren, die Deutsch lernen und arbeiten wollen, aber nicht dürfen", sagt Monika Schwarzenböck. "Man muss mal nachrechnen, was uns das kostet, die Leute von der Arbeit fernzuhalten", sagt Stephan Glaubitz. "Man muss sich klarmachen, dass man durch die Politik der Arbeitsverweigerung Langzeitarbeitslose produziert", sagt Franz Leutner, "wir erzeugen uns massive soziale Probleme".

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusAsylbewerber
:"Eine vernünftige Unterbringung ist nicht mehr möglich"

Feuer in einer Zeltunterkunft, Demos und rechte Schmierereien: Kommunalpolitiker sind in Sorge - und fordern Unterstützung.

Von Nina von Hardenberg, Olaf Przybilla und Patrick Wehner

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: