Erding:Die Energiewende steht Kopf

Drei Jahre lag der Antrag unbearbeitet im Landratsamt. Nun könnte Albert Obermaier ein Windrad bauen. Er weiß aber nicht, ob er das will: "Wenn ich zum Wirt gehe und alle anderen stehen auf - das brauche ich nicht", sagt er

Von Florian Tempel

Dachau-Etzenhausen: GRUENE - Besichtigung der Windkraftanlage

Der Neuchinger Albert Obermaier hat bereits 2011 den Bau eines 200 Meter hohen Windrades in Neuching beantragt. Drei Jahren lang lag sein Antrag unbearbeitet im Landratsamt. Nun könnte er genehmigt werden. "Es wird schwierig, Nein zu sagen", erklärte Landrat Martin Bayerstorfer (CSU).

(Foto: Johannes Simon)

Als die bayerische Staatsregierung am 4. Februar beschloss, die Abstandsregeln für Windkraftanlagen erheblich zu auszuweiten, schienen damit alle Windkraftpläne für den Landkreis auf einen Streich erledigt. Bei zwei Kilometer Abstand zur Wohnbebauung geht da gar nichts. Der mühsam ausgearbeitete Teilflächennutzungsplan, der auf Abstände zwischen 650 und 1000 Meter ausgelegt war, war zur Makulatur geworden. Da aber das Kabinett von Horst Seehofer eine Altfallregelung in seine Entscheidung eingebaut hat, kommt es nun zu einer unerwarteten Wendung: Ein privates Windradprojekt, das wegen des Teilflächennutzungsplans zuvor keine Aussichten hatte, hat auf einmal wieder Chancen.

Der Neuchinger Albert Obermaier hat bereits 2011 den Bau eines 200 Meter hohen Windrades in Neuching beantragt. Drei Jahren lang lag sein Antrag unbearbeitet im Landratsamt. Man hatte ihn in Hinblick auf den Teilflächennutzungsplan Windkraft zurückgestellt. Da jedoch aus diesem - wegen Seehofers neuen Abstandsregeln - nichts mehr wird, müsste Obermaiers Antrag auf einen Vorbescheid - wegen Seehofers Altfallregelung - nun genehmigt werden. "Es wird schwierig, Nein zu sagen", erklärte Landrat Martin Bayerstorfer (CSU).

Das heißt allerdings noch lange nicht, dass Obermaier, falls er eine Genehmigung erhält, auch tatsächlich sein Windrad bauen würde. Er müsste zum einen erst noch weitere Gutachten vorlegen. Vor allem aber will er eine Windkraftanlage nur errichten, wenn sie weitgehend Akzeptanz bei seinen Mitbürgern findet. "Ich werde nicht auf Biegen und Brechen meine Interessen vertreten", versicherte Obermaier und illustriert seine Einstellung mit einem schönen Bild: "Wenn ich zum Wirt gehe, mich an einen Tisch setze und alle anderen stehen auf - das brauche ich nicht." Obermaiers Projekt bleibt also auch weiterhin ein nur im Konjunktiv formuliertes Vorhaben - ganz so wie die bayerische Energiepolitik seit 2011.

Als die Staatsregierung vor drei Jahren die Losung ausgab, Bayern müsse Vorreiter bei der Energiewende sein, stand Obermaier bereit. "Ich befasse mich mit dem Thema seit 1999." Damals hat er mit Windmessungen auf seinem Hof begonnen und die Windverhältnisse kontinuierlich verfolgt. Schließlich war er sich sicher, dass der Kreuzberg, eine leichte Erhöhung bei Oberneuching, wo er Grund besitzt, ein guter Standort für eine Windkraftanlage wäre. 2011 reichte er im Landratsamt den Antrag ein, dort eine Drei-Megawatt-Windkraftanlage errichten zu dürfen.

Mit einem Abstand von etwa 500 Meter bis zur nächsten Wohnbebauung waren die gesetzlichen Mindestabstände eingehalten. Für einen Vorbescheid waren darüber hinaus nur Lärm- und Schattenwurfgutachten nötig, die Obermaier beilegte. Bevor er weitere, für eine endgültige Genehmigung notwendige Gutachten in Auftrag gab, wollte er erst mal abklären, wie die Behörden das Vorhaben bewerteten. "Wenn die das von Haus aus ablehnen, dann kann ich mir ja die ganzen weiteren Gutachten sparen."

Doch das Landratsamt befasst sich mit seinem Projekt gar nicht. Denn 2011 standen auch die Kommunen im Landkreis bereit, sich aktiv an der Energiewende zu beteiligen. Man begann einen Teilflächennutzungsplan auszuarbeiten, der festgelegen sollte, wo Windräder im Landkreis hin dürfen und wo nicht. Obermaiers Projekt wurde zurückgestellt. Und da im Erdinger Teilflächennutzungsplan größere als die gesetzlichen Mindestabstände zur Wohnbebauung angesetzt wurden, fiel Obermaiers Standort in Neuching raus.

Als sich schließlich auch noch die Flugsicherung meldete und forderte, wegen eines Funkfeuers in Poing dürfe im Umkreis von 15 Kilometern kein Windrad stehen, schien es ganz aus zu sein. Obermaiers potenzielles Windrad läge mit etwa acht Kilometer Abstand innerhalb dieses Radius. "Da habe ich endgültig gedacht, es ist vorbei", sagt Obermaier.

Doch dann änderte sich die Situation grundlegend. Nicht nur durch die Entscheidung der Staatsregierung, die den Erdinger Teilflächennutzungsplan platt machte und gleichzeitig Obermaiers tot geglaubtes Projekt wiederbelebte. Eine paradoxe Situation, findet Landrat Bayerstorfer, "die niemand verstehen kann".

Wichtig war auch eine Entscheidung des Verwaltungsgericht Oldenburg. Das erklärte am 5. Februar in einem als wegweisend angesehenen Verfahren, dass die Flugsicherung nicht pauschal Windräder im Umkreis von 15 Kilometern verhindern könne. Vielmehr müsse mit Einzelfallgutachten geprüft werden, ob ein Windrad die Flugsicherung überhaupt beeinträchtige. Bei dem in Oldenburg verhandelten Fall kamen Gutachter zu dem Ergebnis, fünf geplante Windräder im niedersächsischen Ganderkesee störten die etwa zehn Kilometer entfernte Anlagen der Flugsicherung in Bremen nicht. Obermaier könnte mit einem Gutachten womöglich ebenfalls nachweisen, dass sein Windkraftanlage die Flugsicherung in Poing gar nicht beeinträchtige.

Ob er das tun wird, weiß er selbst noch nicht. Denn Obermaier fragt sich vor allem, ob sein Windrad nach all dem Hin und Her seinen Mitbürgern noch vermittelbar wäre. Eine Frage, zu der auch die bayerische Staatsregierung eine Meinung formuliert hat. "Bei örtlichem Konsens" soll der Bau von Windrädern weiterhin überall möglich sein.

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