Erding:Die einzige Sprache

Erding: Wenn sie spielt, wird Martina Eisenreich ganz eins mit ihrer Musik. Sie lebt in und mit den Klängen.

Wenn sie spielt, wird Martina Eisenreich ganz eins mit ihrer Musik. Sie lebt in und mit den Klängen.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Martina Eisenreich hat sich mit Haut und Haaren der Musik verschrieben. Die Violinistin ist für zahlreiche Auftritte mit ihren beiden Ensembles bekannt, komponiert auch fürs Kino, und sie unterrichtet an der Münchner Filmhochschule

Von Konstantin Schätz, Erding

Egal ob Geige, Klavier, Lampenschirm oder Thermoskanne - alles kann in der Welt der Musik verwendet werden, um den Zuhörer zu berühren. Denn in dieser Welt sind keine Grenzen gesetzt. Das scheint vor allem für Musiker wie die gebürtige Erdingerin Martina Eisenreich zu gelten. Ihr gelingt es, die Menschen nicht nur zu berühren, sondern sie zu umgarnen, sie einzufangen, wenn sie mit ihren Stücken in Kontakt kommen. Unabhängig davon, ob Eisenreich mit einem ihrer eigenen Ensembles auf der Bühne steht oder ihre Musik dazu beiträgt, in Filmen, Theaterstücken und Hörspielen Atmosphäre zu schaffen. Sie lebt in und mit ihrer Musik und die Beschäftigung damit ist auch bis in die letzte Faser ihres Lebens vorgedrungen.

"Wenn ich bei uns am Schreibtisch sitze und komponiere, dann kann ich meinen Kindern im Garten beim Spielen zusehen", schwärmt Eisenreich, wenn sie von ihrem Arbeitsplatz berichtet. Zusammen mit ihrem Ehemann, dem Perkussionisten Wolfgang Lohmeier und ihren beiden Kindern Ferdinand und Leo wohnt sie in einem Haus, wo die Musik wahrlich in den Wänden steckt.

"Bevor wir in das Haus eingezogen sind, haben wir es noch ein halbes Jahr umgebaut, damit jeder Raum als Aufnahmeraum genutzt werden kann." Kabel wurden verlegt, der begehbare Kleiderschrank wurde zu einem Serverraum umfunktioniert und drei digitale sowie ein analoger Regieraum wurden eingerichtet. Zwischen den Spielsachen der Buben lassen sich allerhand Instrumente finden. "Meine Kinder kommen gar nicht um die Musik herum", erklärt sie lachend. "Sie begegnen ihr auf einer spielerischen Ebene."

Ihren Kindern wurde die Liebe zur Musik in die Wiege gelegt. Dies sei bei ihr selbst anders gewesen, erzählt die 36-Jährige. "Ich komme eigentlich aus einer Handwerkerfamilie." Als dem Vater ihre Begeisterung für den Musikantenstadl und die Volksmusik auffiel, ermöglichte er ihr, einen ersten Schritt in die Welt zu setzen, in der sie in jeder Hinsicht aufgehen konnte. "Mein erstes Instrument war übrigens keine Geige, sondern ein Akkordeon, mit dem ich bairische Trinklieder gespielt habe." Lieder wie "heute blau und morgen blau" wurden zur Grundlage für ihre erfolgreiche Musikkarriere.

"Musik war mein Sport. Ich habe irgendwann angefangen, Instrumente zu sammeln." Mittlerweile beherrscht Martina Eisenreich fast jedes Instrument in seinen Grundlagen, wurde mehrfach ausgezeichnet - unter anderem mit dem Preis der Deutschen Schallplattenkritik - und unterrichtet an der Hochschule für Fernsehen und Film in München. "Ich muss aber sagen, dass ich kein Instrument in Vollendung gelernt habe. Ich habe auch nicht Geige studiert, wie oft angenommen wird." Dafür ermöglichte ihr der bereits verstorbene Komponist Dieter Acker einen neuen Zugang zur Musik. "Meine Eltern haben mir vermittelt, dass Musik dazu da ist, Menschen zu berühren." Als Jungstudentin begann sie sich mit Klassischer Komposition zu beschäftigen. Damals war sie 15 und lernte, dass es um viel mehr geht, als zu wissen, wie Noten in Notenzeilen zu setzen sind und welche Harmonien gut zusammen passen. "Ich habe gelernt, dass es auch um die Suche nach dem Neuen geht. Nach subtilen Dingen."

Subtilität. Ein Element, das sich auch in ihren Kompositionen wiederfinden lässt. Eine zarte Kombination aus Glockenspiel, Vibrafon und gestrichenen Gläsern gefolgt von mystischem Gesang, der den Zuhörer in angenehme Melancholie hüllt. Leise Geigentöne, die mit vielen Tremolos und einer sanften Melodie eine ganz eigene Atmosphäre erschaffen. Selbst wenn man den 2006 erschienen Kinderfilm "Mondmann", für den sie die Komposition geschrieben hat, nicht kennt, kann man den Tönen folgen in eine mystische Welt, angesiedelt irgendwo zwischen Traum und Realität.

"Damals hat mich die Filmmusik von Danny Elfman sehr inspiriert. Ich habe sehr in der Klangwelt von Edward mit den Scherenhänden gedacht." Edward ist ein künstlich erschaffener Mensch, der allein in einem Schloss lebt und dann hinaus in die reale Welt gerät. Der US-Film von Tim Burton zeichnet in starken Kontrasten: schrille, bunte Szenen einerseits, seltsame und traurige Szenen aus der Welt Edwards andererseits. Märchenhafter Höhepunkt des Films ist, als Edward eine Eisskulptur mit seinen Händen schnitzt und die Eiskristalle als Schnee vom Himmel fallen. Die Musik von Danny Elfman prägte sich bei vielen Fans des Filmklassikers von 1990 ein. Einen ganz ähnlichen Zauber zu schaffen, gelang Martina Eisenreich bei der Komposition für den Kinderfilm Mondmann.

Es war der erste Film, bei dem sie die Möglichkeit hatte, mit einem kompletten Orchester zusammenzuarbeiten. Mittlerweile hat sie die Musik zu über 100 Filmen, Theaterstücken und Hörspielen geschrieben. Was sie sich ausgedacht und aufgeschrieben hat, erwacht durch namhafte Ensembles wie das deutsche Filmorchester Babelsberg, das Münchner Rundfunkorchester oder die Münchner Philharmoniker zum Leben. "Das ist wirklich ein großes Privileg. Es ist überwältigend, wenn 85 Musiker deine Komposition spielen."

Auch der SWR hat sich ihr Talent mittlerweile zu eigen gemacht, um eine außergewöhnliche Folge der Kultserie Tatort zu drehen. "Mir wurde lediglich eine kurze Zusammenfassung der Handlung vorgelegt und ich habe dann eine 50-minütige Tatort-Sinfonie geschrieben, die von der Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz eingespielt wurde." Die Schauspieler, denen nicht gesagt wurde, wer der Mörder ist, bekamen am Set lediglich ein paar Anweisungen und die Komposition vorgelegt. "Normalerweise besteht Filmmusik ja immer aus kurzen Tracks. Das ist aber eine in sich geschlossene Komposition bestehend aus vier Sätzen", erklärt Eisenreich. Das außergewöhnliche Konzept dieser Tatort-Folge stammt von dem Regisseur Axel Ranisch, mit dem Eisenreich schon mehrmals zusammengearbeitet hat.

Auch auf der Bühne kann Martina Eisenreich große Erfolge feiern. Diesen Bereich teilt sie sich mit ihrem Mann Wolfgang Lohmeier, mit dem sie seit zehn Jahren verheiratet ist. Mit ihrer Violine und den beiden Martina Eisenreich-Ensembles, einem Quintett und einem Quartett, zieht sie ihr Publikum mit Filmklassikern von Ennio Morricone oder Danny Elfman ebenso in den Bann wie mit jazzigen Stücken - irgendwo zwischen Clint Eastwood und Tom Waits bewegen sie und ihre Musikerkollegen sich auf der Bühne. Ihr Mann Wolfgang übernimmt dabei die Percussions. "Über ihn habe ich gelernt, dass es auch Bereiche der Musik gibt, in denen Platz für Improvisation eingeräumt werden muss und man nicht alles durchkomponieren darf. Ich habe verstanden, dass Filmmusik im Kopf entsteht und Bühnenmusik im Bauch."

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