Erding:Die Einkleidetage sollen bleiben

Dass Asylbewerber nicht in normalen Geschäften einkaufen dürfen, stößt immer wieder auf Kritik. Die CSU will an diesem Verfahren jedoch festhalten, die Grünen wollen es abschaffen, der Rest wartet ab

Von Mathias Weber, Erding

Der Erdinger Landrat Martin Bayerstorfer (CSU) stößt innerhalb des Kreistages auf wenig Widerstand, wenn es um die Frage geht, wie die Asylsuchenden im Landkreis mit Kleidung versorgt werden sollen - obwohl das Vorgehen des Landratsamtes außerhalb der Politik immer wieder in der Kritik steht. Im Landkreis Erding gibt es eine ganz besondere Art der Einkleidung: Zweimal im Jahr haben die Asylbewerber die Möglichkeit, sich für 200 Euro zu einem festgelegten Termin mit Kleidung zu versorgen. Vergangene Woche war es wieder soweit, als mehr als 250 Menschen in die AWO-Turnhalle nach Erding kamen, um sich mit Kleidung für den Winter einzudecken. Rundweg abgelehnt wird dieses Verfahren nur von den Grünen.

Erding: Mit voller Tüte wieder heim: Die Asylbewerber können sich zweimal jährlich mit Kleidung eindecken, so ist das im Landkreis geregelt.

Mit voller Tüte wieder heim: Die Asylbewerber können sich zweimal jährlich mit Kleidung eindecken, so ist das im Landkreis geregelt.

(Foto: Renate Schmidt)

Der Einkleidetag ist auch nicht für alle Asylbewerber zufriedenstellend: Manche fanden etwas Passendes, andere zogen enttäuscht ab, weil es nicht mehr die richtige Größe gab. An diesem Vorgehen gibt es immer wieder Kritik: Den Asylbewerbern werde eine wenig freundliche Art des Einkaufens zugemutet. Würden sie sich selbst auf den Weg in die Geschäfte machen, würde dies der Integration helfen. Die Erdinger Nachbarlandkreise gehen anders vor: In Freising und München gibt es Gutscheine, in Ebersberg wird das Geld bar ausbezahlt, sodass die Asylbewerber in Geschäfte gehen und ihre Kleidung auswählen können. Die Politiker im Kreistag sehen die Sache differenziert, auch über Parteigrenzen hinweg. Bei der SPD zum Beispiel: Zwar hält deren Fraktionsvorsitzende im Kreistag, Ulla Dieckmann, es grundsätzlich für besser, die Asylbewerber könnten selbst einkaufen. Allerdings sagt sie über den Einkleidetag auch: "Ich will das nicht verteufeln." Wie andere Kreisräte war sie im Frühjahr eingeladen, sich ein Bild von der Einkleideaktion zu machen. "Ich fand vieles gut, was dort angeboten wurde", sagt sie. Sie habe der Firma, die den Tag organisiert, Verbesserungsvorschläge mit auf den Weg gegeben, etwa weil es keine Sommerkleider gab. Sie sieht dieses Vorgehen als Übergang zu einem System, in dem sich die Asylbewerber selbst einkleiden können. Ähnlich lief es auch bei der täglichen Verpflegung: Statt sich in einem eigens eingerichtete Shop versorgen zu müssen, dürfen die Asylbewerber mittlerweile selbst einkaufen gehen. Die SPD will nicht auf Konfrontation schalten, "denn das schadet", sagt Dieckmann. "Wir wollen die Kirche im Dorf lassen und sollten in Ruhe gemeinsam überlegen, was möglich ist."

Erding: Kann sich eine Verbesserung der bisherigen Regelung vorstellen: der FW-Fraktionsvorsitzende Georg Els.

Kann sich eine Verbesserung der bisherigen Regelung vorstellen: der FW-Fraktionsvorsitzende Georg Els.

(Foto: Renate Schmidt)

Damit ist sie auf einer Linie mit dem Forsterner Bürgermeister Georg Els, der die Fraktion der Freien Wähler im Kreistag anführt. Seine Fraktion sei immer dafür, die Asylbewerber menschenwürdig zu behandeln. Er habe auch nichts dagegen, sie auf dem freien Markt einkaufen zu lassen. "Wenn das funktioniert, dann ist das gut", sagt er. Aber man müsse erst einmal Erfahrungswerte einholen. Trotzdem hegt er Zweifel an der Durchführbarkeit: "Ich glaube nicht, dass man das verwaltungstechnisch und gesellschaftlich hin kriegt." Beispiel Winterklamotten: Ob man die in vernünftigerer Qualität auf dem Markt findet, das bezweifelt er.

Erding: Klare Gegnerin der jetzigen Lösung: die Grünen-Fraktionsvorsitzende Helga Stieglmeier.

Klare Gegnerin der jetzigen Lösung: die Grünen-Fraktionsvorsitzende Helga Stieglmeier.

(Foto: Renate Schmidt)

Da ist Helga Stieglmeier allerdings ganz anderer Ansicht und findet klare Worte zum Vorgehen des Landratsamtes. Die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Kreistag sagt: "Ich wage zu behaupten, dass man in den Erdinger Geschäften günstiger einkaufen und bessere Qualität bekommen kann." Die Qualität der Kleidung am Ankleidetag empfand sie als "unterirdisch", und den Umgang mit den Menschen sowieso: "So behandelt man erwachsene Menschen nicht", sagt sie. Und das immer wieder vorgebrachte Problem, dass Gelder nicht zweckgebunden ausgegeben würden, habe man schließlich überall, bei allen staatlichen Leistungen.

Die Grünen sind in ihrer Sicht der Dinge auf einer Linie mit der ÖDP. Stephan Treffler, der langjährige Kreistagsabgeordnete, spricht für seine Fraktion: Er sagt, dass man Vertrauen zu den Asylbewerbern haben solle und diese schnell in die Gesellschaft aufgenommen werden sollen - eben durch einen selbstständigen Einkauf in den Erdinger Geschäften. Allerdings: Auch die ÖDP hält sich politisch zurück. "Man könnte nach jeder Sitzung einen Antrag stellen und an die Öffentlichkeit gehen", sagt Treffler. Aber man hält sich zurück, eben weil das Thema ein sehr sensibles sei.

Die einzige der großen Fraktionen, die keine Probleme mit dem Vorgehen des Landrats hat, ist die CSU. Sie stellt sich hinter das Landratsamt. "Wir unterstützen den Landrat", sagt Vize-Fraktionschef Michael Oberhofer. Seine persönliche Meinung sei, dass das System durchaus Vorteile habet: "Die Waren kommen auch bei denen an, die darauf Anspruch haben", sagt er. Bei einer Barauszahlung könne das Geld auch andersweitig verwendet werden, und dabei denke er vor allem an die Kinder. Die nämlich bedürften eines besonderen Schutzes, das durch das System des Einkleidetages gegeben sei. Grundsätzlich aber, so Oberhofer, dürfe bei der CSU aber auch diskutiert werden.

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