Süddeutsche Zeitung

Erding:"Der tanzt ja wie der Teufel"

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Der katholische Pfarrer Martin Garmaier gewinnt einen Tanzwettbewerb in Erding - und spendet sein Preisgeld an eine Schwangerenberatung, die von der Kirche abgelehnt wird.

Von Antonia Steiger, Erding

Ein Videobeweis war bedauerlicherweise bei "Let's Dance" nicht vorgesehen. Und so blieb am Samstagabend in der Stadthalle Erding unklar, ob Landrat Martin Bayerstorfer bei seinem Cha Cha Cha einen Hüftschwung gezeigt hatte, womöglich sogar einen "richtig geilen Hüftschwung", wie ihn Kai Peters gesehen haben wollte - oder auch nicht. Den Respekt des fachkundigen Publikums und der spitzzüngigen Jury haben sich die vier Kandidaten auf jeden Fall erarbeitet.

Und sie hatten sich ja auch richtig reingehängt. Mancher trainierte intensiv und häufig, einer fing dagegen erst drei Tage vor dem Wettkampf an - und soll einmal sogar fast pünktlich zum Training erschienen sein: Max Gotz. Am Ende stahl der katholische Pfarrer Martin Garmaier mit einem Jive den Politikern und der Stadthallen-Geschäftsführerin Jutta Kistner die Show. Den Gewinn in Höhe von 1000 Euro spendet Garmaier der Schwangerenberatung Donum Vitae, die offiziell von der katholischen Kirche abgelehnt wird. "Ich mach das trotzdem", sagte Garmaier.

Zurück zum Hüftschwung: Der frühere Tanzschulen-Besitzer Hubert Niestroy hatte den Hüftschwung nicht gesehen. "Muss ich wohl gerade die Augen zugehabt haben." Dafür attestierte er dem Landrat, er sei "recht taktsicher" gewesen, leider habe er so gewirkt, "als wenn er frisch vom Pferd gestiegen wäre". Insgesamt gingen die vier Juroren - die mit Profi-Tanzerfahrung ausgestattete Amtsgerichts-Direktorin Ingrid Kaps, Hubert Niestroy, Stadtmarketing-Chef Günther Pech und Kai Peters von der Stadthalle - nicht übertrieben zimperlich mit den Kandidaten um.

Ihr habe da ein wenig Feuer gefehlt, urteilte Kaps über den Landrat, er habe etwas von einem "Teddybär". Von Pech gab es dagegen eine Art Lob für Charakterstärke: Bayerstorfer habe getanzt nach seinem ureigenen Motto: "Das war so, das bleibt so. Und die anderen müssen damit leben." Das gelte eben auch für die Schrittfolge beim Tanzen. Er würde es allerdings begrüßen, sagte Pech, wenn lateinamerikanische Tänze im Zuge der Jamaika-Verhandlungen zur Pflicht würden bei der CSU.

Max Gotz erging es besser, er hatte es aber auch leichter beim Walzertanzen mit Kathrin Linnenkohl. Der Übergang vom langsamen zum Wiener Walzer sei gut gelungen, urteilte Niestroy, einen tollen Pendelschwung hatte Peters gesehen. Und auch Kaps attestierte dem OB eine "schöne Leistung". Nur Pech war "nicht so topzufrieden", ging aber nicht weiter ins Detail. "Montagmorgen, 7 Uhr, erster Stock, Rathaus": Gotz hatte bereits angedeutet, dass er seinen Marketing-Chef zu einem Vier-Augen-Gespräch laden werde. Pech rang sich daraufhin ein Lob ab: Der OB habe seine Partnerin toll aussehen lassen, das sei Aufgabe des Mannes beim Tanzen.

Das Publikum kegelte den OB von der Spitzenposition

Aus der Jurywertung ging Gotz als Sieger hervor. Das Publikum, das anschließend per Smartphone und mit Zettel abstimmen konnte, kegelte den Oberbürgermeister aber noch von der Spitzenposition herunter und hob den Pfarrer aufs Podest. Bayerstorfer und seine Partnerin Lisa-Marie Jügler nahmen den Pokal für den vierten Platz entgegen, dritte wurde Jutta Kistner, die mit ihrem Tango mit Tschen Fung Wang die allerschwierigste Aufgabe zu bewältigen hatte und die am alleraufgeregtesten gewesen sei, wie Chriss Melzer verriet, der Besitzer der Tanzwelt Erding und Ausrichter des Balles. Es habe tatsächlich so ausgesehen, als wenn Kistners Partner geführt habe, sagte Pech. Da wussten schon alle, dass Kistner genau damit Probleme hat: geführt zu werden. Tschen Fung Wang bestätigte, dass die erste Übungsstunde "sehr interessant" gewesen sei.

Pech sah es knistern zwischen den beiden, Peters sagte, er habe sich ins Moulin Rouge versetzt gefühlt - wobei auch er sich offen zu dem Konflikt bekannte, über seine Chefin ein Urteil sprechen zu müssen. Er wolle am Montag ja wieder ins Büro kommen.

Ein koketter Pfarrer mit vielen Sympathien

"Kokett" habe Garmeier den Jive getanzt, fand Ingrid Kaps. Der Pfarrer in legerer Kleidung mit Daniela Scholtischik an seiner Seite musste als erster auf die Fläche, er zeigte keine Stresssymptome, hatte Spaß - und die Menschen auf seiner Seite. Die Performance sei ein Grund, nicht aus der Kirche auszutreten, sagte Kaps. Angeblich lernt man im Priesterseminar so zu tanzen, das behauptete der Prüfling. Und Pech urteilte: "Der tanzt ja wie der Teufel."

Die Tanzgala war ein Erfolg für Chriss Melzer und die Tanzwelt Erding, der Saal war praktisch ausverkauft. Mit der Big Band Markus Fluhr fühlten sich die Gäste gut unterhalten und zum Tanzen animiert. Noch mehr Pepp brachten die Rock'n'Revolution aus Anzing und die Hip Hop Formation der Tanzwelt. Nun müssen sich die Erdinger jedoch gedulden: Die nächste Tanzgala findet am 2. Februar 2019 statt. Einen Tanzwettbewerb soll es wieder geben - möglicherweise mit den diesjährigen Kandidaten in der Jury. Das sollte Melzer eventuell noch einmal überdenken: Die Fachexpertise bliebe weitgehend auf der Strecke.

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SZ vom 20.11.2017
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