Erding:Das Leid der Opfer vor dem Vergessen bewahren

Am Anne-Frank-Gymnasium setzen sich Arbeitskreise mit dem NS-Regime auseinander: Ältere Schüler geben ihr Wissen über das Leben der Anne Frank an jüngere weiter

Inga Siedentopp

Erding: Der Besuch des Jüdischen Museums Berlin in Erding im Sommer 2011 gehörte zu dem Konzept, wie die Erinnerung an die Namnespratronin wach gehalten wird.

Der Besuch des Jüdischen Museums Berlin in Erding im Sommer 2011 gehörte zu dem Konzept, wie die Erinnerung an die Namnespratronin wach gehalten wird. 

(Foto: Bauersachs)

- Achtung, Respekt, Zivilcourage - durch die Erinnerung an das Leben der Namenspatronin ihres Gymnasiums vorurteilsfreies Denken und Toleranz gegenüber Minderheiten stärken. Diese Ziele verfolgen die sogenannten Anne-Frank-Botschafter am gleichnamigen Erdinger Gymnasium.

Das ist aber keine leichte Aufgabe, findet Franziska Meier. Die 17-Jährige besucht die Abschlussklasse des Anne-Frank-Gymnasiums und engagiert sich wie ihre Mitschülerinnen Eva Peis und Kathrin Sarcher bereits im vierten Jahr als schulinterne Botschafterin. "In den verschiedenen Klassen findet man immer einen sehr unterschiedlichen Wissensstand über die Zeit des Nationalsozialismus", erläutert Kathrin die Problematik. Diese Lücke zu schließen, erfordere nicht nur Fachwissen, sondern auch ein Gespür dafür, welche Methode angebracht ist. Außerdem sei das Geschehen unter dem NS-Regime so unendlich weit weg vom heutigen Alltag eines Teenagers, gibt Eva zu bedenken.

"Was für die Wenigsten heutzutage noch eine lebendige Erinnerung ist, wird erst durch einzelne Schicksale wie das der Anne Frank zu lebendiger Geschichte", berichtet Birgit Schiwietz aus ihrer langjährigen Erfahrung. Seit seiner Gründung im Jahr 2005 leitet die Lehrerin für Deutsch und Religion den "Arbeitskreis Anne Frank" und gibt pädagogische Impulse für die Botschaftsarbeit der Schüler.

Professionelle Unterstützung in Form von Material und Fortbildungen erhält sie dabei von den Anne-Frank-Zentren in Amsterdam und Berlin. Unter diesem Einfluss sei auch das neue Konzept entstanden: Neben der Einführung der fünften Klassen gewinnt der Aufbau der Botschaftsarbeit in den höheren Jahrgangsstufen an Bedeutung. So erhielten kurz vor den Herbstferien auch die Sechstklässler Besuch von den Jungbotschaftern.

Unter der Obhut von Schiwietz und ihrer Kollegin Evelyn Helmreich können sich alle Schüler aus den Klassenstufen acht bis zwölf als Botschafter engagieren. Dazu findet einmal im Monat im Rahmen des Wahlunterrichts ein Schülerarbeitskreis statt. Die Teilnahme an einem beliebigen Arbeitskreis sei am Anne-Frank-Gymnasium ohnehin für mindestens ein Schuljahr verpflichtend, erläutert Helmreich, Lehrkraft für Englisch und Geschichte.

Das breit gefächerte Angebot reicht vom Experimentierclub über das Literaturcafé bis zur Theatergruppe. Umso mehr waren Helmreich und Schiwietz von der diesjährigen Teilnehmerzahl des "AK Anne Frank" überrascht: 40 Jungen und Mädchen im Alter von 14 bis 18 Jahren wollen verhindern, dass das Leid der Opfer des nationalsozialistischen Terrorregimes in Vergessenheit gerät. In den monatlichen Treffen bereiten sich die Teilnehmer darauf vor, Wissen und Werte aus dem Leben der Anne Frank an ihre Mitschüler weiter zu geben. Bei den "Kleinen" geschieht das auf eine spielerische Art und Weise.

Im Verlauf ihres ersten Schuljahres am Gymnasium legen die fünften Klassen einen Anne-Frank-Tag ein. Die Botschafter fragen dann beispielsweise nach einem ganz normalen Tagesablauf der jungen Gymnasiasten: Essgewohnheiten, Schulalltag, Sportverein, Shopping, Freunde treffen. "Der Blick durch die Brille der nationalsozialistischen Judengesetze löst immer wieder tiefe Betroffenheit aus", beschreibt Helmreich die Reaktion in den Klassenräumen. Rationierte Mahlzeiten, Ausschluss von sportlichen Aktivitäten, einkaufen mit Lebensmittelmarken: Schnell stellten so schon die jüngsten Schüler fest, wie groß die Einschränkungen aufgrund der jüdischen Glaubenszugehörigkeit in jedem denkbaren Lebensbereich waren.

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