Süddeutsche Zeitung

Erding:Das Herz der Stadt

Wie der Kern Erdings weiterzuentwickeln ist, wird Gegenstand einer Untersuchung. Eines ist jetzt schon klar: Die Autos werden nicht verbannt

Von Antonia Steiger, Erding

Der Versuch, Autofahrer aus der Erdinger Innenstadt zumindest versuchsweise und temporär zu verbannen, ist gescheitert: Der Verwaltungs- und Finanzausschuss lehnte am Dienstag einen Antrag von Erding Jetzt ab, in dem die vierköpfige Fraktion gefordert hatte, an Wochenenden von Samstag, 14 Uhr, bis Sonntag, 18 Uhr, die Zufahrt zur Innenstadt für Autos zu sperren. Die Verwaltung hatte dazu Stellungnahmen eingeholt, die vor allem deutlich machten, wie kompliziert und fast nicht machbar das wäre. Auch OB Max Gotz (CSU) sprach sich von Anfang an gegen eine Fußgängerzone aus. Er ließ sich aber davon überzeugen, dass eine Untersuchung, wie man die Attraktivität der Innenstadt künftig bewahren und steigern könne, nicht schaden könne.

Von vielen Seiten sei eine Fußgängerzone gewünscht, heißt es in dem Antrag von Erding Jetzt. Aus den Wortmeldungen der Stadträte ließ sich diese Einschätzung allerdings nicht heraushören. Josef Hochholzer (Freie Wähler) erinnerte an den an der fehlenden Disziplin gescheiterten Versuch in den 1990er-Jahren, als die Stadt die Zufahrt zur Langen Zeile ein paar Mal in einem Sommer auch am Wochenende abgeriegelt hatte. Erding Jetzt-Sprecher Thomas Schmidbauer sagte, wenn Bäcker und Metzger samstags nicht mehr offen hätten, könnte man die Autos aussperren, damit sich auch Familien in der Innenstadt wohl fühlten. Er befürchte, dass Familien wegen des Lärms in der Innenstadt lieber woanders einkaufen würden. Man sollte aber alles tun, um sie nach Erding hinein zu locken. Er musste sich die Bemerkung anhören, wo man denn einkaufen solle, wenn die Geschäfte zu hätten.

Wo nun genau die größte Konkurrenz für den innerstädtischen Einzelhandel sitzt, darüber herrscht keine Einigkeit. Lange wurde in Erding geklagt, dass das Gewerbegebiet im Westen die Kaufkraft abzieht. Mittlerweile - und dies vor allem seit den Einschränkungen zur Eindämmung des Coronavirus - ist eher das Internet mit seinen zahllosen Möglichkeiten, Ware zu bestellen und sich nach Hause liefern zu lassen, als der Hauptfeind identifiziert. Gotz sagte nun, dass die größten Feinde für ein florierendes Geschäft in der Innenstadt die Hausbesitzer und Eigentümer in der Innenstadt selbst seien. Denn wenn es nur noch Optiker, Hörgeräte-Händler und Handyshops gebe, zöge es keinen Menschen mehr in die Innenstadt. Er sieht die Hausbesitzer in der Pflicht, ihre Ladengeschäfte so zu vermieten, dass ein interessanter Branchenmix entsteht.

Unklar bleibt auch künftig, ob die Menschen mit dem Auto bis vor die Geschäfte in die Innenstadt fahren können müssen, um sie zum Einkaufen zu bewegen. Rainer Mehringer (Freie Wähler) erinnerte an den nicht neuen Wunsch nach einem Parkhaus in Innenstadtnähe. Und er betonte, dass auch im Zuge der Entstehung eines neuen Quartiers auf dem Fliegerhorstareal die Stadt sich bemühen müsse, die Attraktivität in der Innenstadt zu erhalten und zu fördern. Damit die Neubürger einen Grund haben, in die Innenstadt zu kommen. Was wiederum Gotz zu der Feststellung motivierte, dass die Innenstadt schon jetzt sehr schön sei und dass er das auch immer wieder zu hören bekomme. Zudem sei es manchen in Erding schon trubelig genug: Im Gegensatz zu anderen Städten wohnen laut Gotz noch viele Menschen in der Innenstadt, weswegen dort um 20 Uhr nicht alles dunkel werde. Diese Menschen sind gar nicht so begeistert, wenn immer mehr los ist, denn sie wollen auch gerne manchmal ihre Ruhe. Eine "Eventarena" aus der Innenstadt zu machen, sei für sie nicht erstrebenswert. Für die Grünen forderte Herbert Maier schließlich einen Beteiligungsprozess unter Einbeziehung der Anwohner und Geschäftsleute mit einem Prozessmanager, um auf diese Weise zu einer Lösung zu kommen, die möglichst vielen Interessen gerecht wird. Das war manchen zu heftig. Als Ludwig Kirmair für die CSU vorschlug, gemeinsam nach Lösungen zu suchen, klang das schon besser. Und so wird es nun auch gemacht.

Gotz betonte zudem, dass in Erding schon viel getan worden sei, damit sich der Verkehr beruhigt. So wurde Tempo 20 eingeführt, und die Zone zwischen den beiden Rathäusern ist verkehrsberuhigend angeordnet. Dort hat der Autofahrer keine Vorfahrt. Man müsse dies nun einmal ruhig sich entwickeln lassen, forderte der Oberbürgermeister. Und das passiert nun.

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Quelle:
SZ vom 23.09.2021
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