Süddeutsche Zeitung

Erding:Das Handwerk gerät ins Hintertreffen

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Bei der Abschlussfeier der Berufsschule Erding präsentieren sich 221 Absolventen - aber nur zwei Schreiner und zwei Maurer

Antonia Steiger

Warum wohne ich nicht in Erding? Das werden sich am Freitag bei der Abschlussfeier der Berufsschule Erding einige der 221 Absolventen gefragt haben. Denn wer in Erding wohnt, hatte mit sehr guten Noten die Chance, einen Preis der Franz-Eisenreich-Schulfonds-Stiftung zu bekommen. Vier Absolventen ist dies gelungen: den Kauffrauen Nadya Kranzeder und Tatjana Hammel vom Gewandhaus Gruber, der Bürokauffrau Franziska Wild von der Firma Wild in Erding und dem Kfz-Mechatroniker Stefan Nußrainer, der beim Autohaus Ewald gelernt hat. Sie erhielten nicht nur eine wunderschöne Urkunde, wie Bürgermeister Max Gotz (CSU) findet, sondern auch noch 200 Euro. Zwar vergab auch die Regierung von Oberbayern 30 Anerkennungspreise, vier davon mit einem Geldpreis. "Aber nur mit 75 Euro", wie Gotz bemerkte.

Gotz gratulierte allen jungen Frauen und Männern zu ihren Leistungen und ermunterte sie, wie dies auch der Schulleiter Dieter Link tat, sich kräftig einzubringen in die Gesellschaft, in die Familie, im Betrieb. Gotz ist selber Gerbermeister, er äußerte sich bekümmert über die seiner Meinung nach zu geringe Zahl von Handwerkern unter den 221 Schülern: Nur zwei Schreiner und zwei Maurer, das erscheint Gotz zu wenig in diesen Berufen.

Im Beisein des Kreishandwerksmeisters Rudolf Waxenberger ermunterte er das Handwerk, sich positiver zu verkaufen. Aber auch die Novellierung der Handwerksordnung habe dem Handwerk zugesetzt, sagte Gotz. Schuld am Niedergang habe aber auch der Verbraucher, der "mit den Füßen" abstimme, sagte er mit Blick auf die Zustände bei der Großbäckerei Müller. Viele kauften lieber billigere Produkte als zum Metzger oder Bäcker in der Nachbarschaft zu gehen.

Die größte Aufmerksamkeit genossen an diesem Tag jedoch die 221 Absolventen. Die besten wurden von Tänzerinnen der Magic Dancers Grüntegernbach nach vorne geleitet, wo sie Urkunde und Handschlag empfingen. 45 Bankkaufleute und 43 Fluggeräte- oder Flugtriebwerkmechaniker stellen die größten Gruppen unter den Absolventen. Es folgen 26 Kaufleute im Groß- und Außenhandel, 23 Hotelfachleute, 21 Bürokaufleute, 17 KFZ-Mechatroniker, zwölf zahnmedizinische Fachangestellte, zehn Einzelhandelskaufleute, neun Medizinische Fachangestellte, vier Friseure, je zwei Schreiner und Maurer und je ein Verkäufer und ein Restaurantfachmann.

Für Schulleiter Link war es die erste Verabschiedung in dieser Funktion, er hat zu Schulbeginn das Amt von Josef Biller übernommen, der auch im Publikum saß. Link appellierte an seine nun ehemaligen Schülern, das Wertvollste in sich selber zu finden und es üppig unter die Menschen zu bringen. Jeder habe persönliche Stärken und Begabungen, Lebensfreude und die Fähigkeit zu leben. "Sie werden nun immer mehr zu denjenigen, die die Gesellschaft tragen", sagte Link. "Bringen Sie sich ein!"

Er verschwieg aber auch nicht, dass es nicht immer leicht gewesen sei mit den Schülern. Zentrale Bedeutung komme dabei der Schulsozialarbeit zu, die von Antonie Thiecke aufgebaut wurde. Sie habe nicht nur Schüler beraten, die Probleme mit Drogen, mit der Familie oder dem Betrieb gehabt hätten oder denen die Lust am Leben abhanden gekommen sei.

Thiecke habe auch die Lehrer gelehrt, die Hilfeschreie ihrer Schüler besser zu verstehen und zu deuten. Thiecke verlässt die Schule, um sich neuen Aufgaben zuzuwenden, wie Link sagte. Auch auf die Unterstützung von Angela Faltlhauser, der Sekretärin, muss Link künftig verzichten. Das wird sicher nicht einfach. "Die Angela ist praktisch nie nervös - außer es regnet und daheim auf dem Hof steht das Heu noch draußen."

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Quelle:
SZ vom 18.02.2012
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