Corona-Pandemie im Landkreis: Ein Rückblick:Die Impfkampagne nimmt nur langsam Fahrt auf

Corona-Pandemie im Landkreis: Ein Rückblick: Das mobile Impfteam war in allen Heimen im Einsatz, wie hier im Heiliggeist-Stift.

Das mobile Impfteam war in allen Heimen im Einsatz, wie hier im Heiliggeist-Stift.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Die dritte und vierte Welle mit Covid-19-Mutationen lassen die Inzidenzzahlen massiv ansteigen und bringen die Intensivstation und das Personal im Klinikum Erding an ihre Grenze. Patienten müssen sogar verlegt werden.

Von Florian Tempel

Corona bleibt eine einzige Plage und das zweite Pandemie-Jahr ist genauso miserabel wie das erste. Das vermaledeite Virus lässt nicht locker, mutiert, infiziert und tötet Menschen. Impfen bringt Linderung. Doch einige wollen es partout nicht glauben, was wiederum viele andere fassungslos macht.

Das Jahr beginnt katastrophal. Die zweite Welle wütet in den Pflegeheimen. Ausgerechnet unter denen, die bei einer Coronainfektion besonders gefährdet sind. Noch bevor der Januar vorbei ist, ist klar, wie sehr man beim Schutz der verletzlichsten Gruppe versagt hat. Von den Menschen, die im Landkreis Erding seit Beginn der zweiten Pandemie-Welle an Covid-19 verstorben sind, haben mehr als 90 Prozent als Bewohner in einem der 19 Pflege- oder Betreuungsheime gelebt. Unter den elf Corona-Todesfällen der ersten Welle von März bis Mai 2020 war noch kein einziger Heimbewohner. Der Anteil der Covid-19-Todesfälle bei Heimbewohnern ist nicht nur überproportional zu allen anderen, er ist extrem hoch.

Die Impfungen haben kurz nach Weihnachten 2020 begonnen. Im Impfzentrum Erding, das vom Kreisverband des Bayerischen Roten Kreuz (BRK) organisiert wird, kommt es gleich mal zu peinlichen Freundschaftsaktionen. Der erste ärztliche Leiter impft Feuerwehrleute, während Hochbetagte nach langem Warten wieder heimgeschickt werden, weil es keinen Impfstoff mehr für sie gibt. Deshalb darf auch der ärztliche Leiter nach Hause gehen. Bis es genug Impfstoff für alle gibt, zieht es sich hin. Im Februar gibt es im BRK-Impfzentrum 200 Impfungen pro Tag dazu 100 durch das mobile Team. Mehr ist nicht drin. Im März kommt mehr Impfstoff und die niedergelassenen Ärzte werden eingebunden. In einem Pilotprojekt erhalten sechs Hausarztteams im Landkreis Impfstoff für 1000 Patienten. Doch der deutschlandweite Stopp für das Vakzin von Astra Zeneca bremst sie unerwartet aus.

Ganz allmählich nimmt die Impfkampagne Fahrt auf. Im April werden alle Ärzte offiziell bei der Immunisierung gegen das Coronavirus eingebunden. "Impfen macht Freude", freuen sich die Mediziner, klagen aber über den großen bürokratischen Aufwand, der damit verbunden ist.

Im April rollt die dritte Corona-Welle über den Landkreis. Der Erdinger Anästhesist Rainald Kaube hat als Krankenhauskoordinator für die drei Landkreise Erding, Freising und Ebersberg wieder alle Hände voll zu tun. Die Zahl der freien Betten auf den Intensivstationen wird knapp. Kaube hat dennoch eine wichtige Botschaft: "Ein Patient, der lebensbedrohlich erkrankt ist, wird immer behandelt werden. Das ist das Allerwichtigste: Es wird kein Patient abgewiesen werden." Es geht gut aus. Die Infektionszahlen und somit auch die Zahl der schweren Erkrankungen geht zurück.

Von Mai an entspannt sich die Lage immer deutlicher. Wie im ersten Pandemiejahr macht der Sommer alles erträglicher. Die Impfungen laufen nun auf Hochtouren. Die Sieben-Tage-Inzidenz sinkt im Juli sogar fast auf Null. Ein Zeichen einer beginnenden Normalisierung ist die Öffnung der Therme Erding, die mehr als 300 Tage geschlossen war. Neben dem Impfen ist auch das Testen ein großes Thema. Es gibt immer mehr private Teststationen, in denen man kostenfrei einen Corona-Test machen kann.

Nach den Sommerferien wird immer wieder gewarnt, dass im Herbst eine vierte und heftige Welle droht. Doch die Menschen verdrängen die Warnungen. Die Impfbereitschaft sinkt drastisch und im Impfzentrum ist immer weniger los.

Als im September wieder Menschen im Landkreis Erding am Coronavirus sterben ist klar, dass die vorhergesagte vierte Welle da ist. Im Oktober spitzt sich die Lage zu. Ende des Monats sind in Erding, Freising und Ebersberg keine Plätze auf den Intensivstationen mehr frei. Im November wird es dramatisch. Die Sieben-Tage-Inzidenz schießt auf neue, ungeahnte Höchstwerte hoch. Das Maximum im Landkreis wird am 17. November mit einem Wert von 808,5 erreicht. In manchen Gemeinden geht es auf die 2000er-Marke zu. Für Hohenpolding errechnet sich am 17. November ein Inzidenzwert von 1828,5. In den Krankenhäusern ächzt das Personal unter der extremen Belastung.

Mitte November sorgt der Transport schwerkranker Patienten nach Italien für Aufsehen. Ein beatmeter Covid-19-Patient wird von Erding in einem Hubschrauber nach Bozen geflogen, ein weiterer wird von Freising aus in einem Rettungswagen nach Meran gefahren. Einige Zeit später läuft die koordinierte Verlegung von Intensivpatienten nach dem Kleeblatt-System innerhalb von Deutschland an. Auch Patienten aus Erding werden in Kliniken in anderen Bundesländern gebracht.

Mit der Dramatik nimmt auch die Impfbereitschaft wieder zu. Impftermine im Impfzentrum und bei Ärzten sind Anfang Dezember auf Wochen hinaus ausgebucht. Mit Sonderimpfaktionen des BRK und von Ärzteteams können im Dezember aber wieder viele Menschen geimpft werden.

Doch es geht weiter. Die neue Bedrohung heißt Omikron.

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