Süddeutsche Zeitung

Erding:Brauer zeigen  Stehvermögen

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Die Schließung von Gaststätten macht nicht nur den Wirten, sondern auch den Brauereien zu schaffen. Die Unternehmen wollen die Krise durchstehen, sie würden nun aber gerne etwas klarere Ansagen der Politik hören

Von Thomas Daller, Erding

Die Stühle in den Wirtschaften sind hochgestellt, die Zapfhähne zugedreht. Biergärten dürfen erst jetzt wieder für ein paar Stunden täglich öffnen dürfen. Für die mittelständischen Brauereien in der Region sind schwere Zeiten angebrochen. In den Gaststätten wurde zwei Monate lang kein Bier mehr ausgeschenkt, an Volks- und Vereinsfeste ist nicht zu denken, nur der Absatz über die Getränkemärkte und den Lieferservice der Brauereien ist stabil. Doch das kann den Einbruch nicht kompensieren: "In Gesellschaft trinkt man mehr als allein vor dem Fernseher", sagt Braumeisterin Barbara Lohmeier-Opper vom Bräu z'Loh in Dorfen. "Bier lebt vom Geselligkeitsfaktor." Dennoch bleibt sie ebenso zuversichtlich wie ihr Taufkirchener Kollege Thomas Drechsel, der prognostiziert: "Irgendwie wurschteln wir uns schon durch."

Beim Bayerischen Brauerbund sind Fälle bekannt, bei denen der Umsatz von Brauereien um 40 Prozent zurückgegangen sind. Beim Fischerbräu in Eitting war die Situation nach Angaben von Juniorchef Tobias Vincenti in den vergangenen zwei Wochen noch nicht so gravierend, weil man "nicht so extrem abhängig von der Gastronomie" sei. Aber auf den Fässern, die für Feste abgefüllt worden seien, bleibe man sitzen. Normalerweise liege der Anteil beim Fassbier bei etwa zehn Prozent; derzeit gehe es "gegen Null". "Es ist ein großes Glück, dass wir den Heimdienst haben", sagt Vincenti, "die Kunden greifen gern darauf zurück." Dennoch musste er bereits einen Teil seiner 15 Mitarbeiter in Kurzarbeit schicken, und die Zeiten werden in den kommenden Monaten nicht einfacher: Mai, Juni und Juli sind normalerweise Monate, an denen jedes Wochenende Feste stattfinden, von Vereinen, Feuerwehren oder auch privat. Aber die Zuversicht bei den Kunden schwindet: Etwas größere Aufträge, bei denen man auch einen Kühlwagen und Biertischgarnituren brächte, werden storniert - bis in den August hinein. Vincenti: "Es wäre von Vorteil, wenn man von der Politik eine Auskunft bekäme, wie es schrittweise weitergehen soll. Aber ich verstehe, dass das schwierig ist, weil die Angst vor einer zweiten Welle berechtigt ist."

Thomas Drechsel, Braumeister bei der Brauereigenossenschaft Taufkirchen, muss ebenfalls Einbußen hinnehmen. Die Brauerei, die unter anderem für ihr hervorragendes Volksfestbier bekannt ist, beliefert nicht nur das Taufkirchener Volksfest, sondern alljährlich sechs Großfeste, die alle über 100 Hektoliter liegen. Aber Drechsel will das Beste aus der Situation machen: Auch das Starkbierfest der Brauerei musste bereits ausfallen, daher habe er das Starkbier in Flaschen abgefüllt und restlos tragelweise verkauft. Deshalb will er heuer auch nicht darauf verzichten, Volksfestbier zu brauen. Das gibt es dann halt ebenfalls nur in Flaschen, so schnell lasse man sich nicht unterkriegen, sagt Drechsel. Die Brauereigenossenschaft habe auch noch keinen Antrag auf Kurzarbeit gestellt: Zuerst würden die Arbeitskonten und der Resturlaub aufgebraucht; außerdem kümmere man sich derzeit mehr um den Gebäudeunterhalt: "Wir malern und mauern", sagte Drechsel. Und nicht zuletzt will er der Coronakrise zumindest ein ganz, ganz kleines Volksfest abtrotzen: Im Brauereibiergarten soll es gefeiert werden, mit den dann geltenden Abstandsregeln, mit Volksfestbier aus Flaschen und Blasmusik. "Irgendwie wurschteln wir uns durch", sagt der Braumeister. "Das wird schon."

Für Barbara Lohmeier-Opper, Braumeisterin im Familienbetrieb Bräu z'Loh, ist die aktuelle Situation auch nicht einfach, doch auch sie lässt sich ihren Optimismus nicht nehmen. Es ist das erste Jahr, in dem sie die Brauerei vom Vater übernommen hat und damit auch die Verantwortung für die zwölf Mitarbeiter, die sie auf dem Lohnzettel stehen hat. Der Bräu z'Loh ist in Dorfen eine feste Größe, wenn es um Feste geht. Daher hat der Fassbieranteil in Loh auch die beachtliche Größe von etwa 30 Prozent. "Da brechen uns etliche Hektoliter weg", sagt Lohmeier-Opper. Deshalb hat sie einen Antrag auf Kurzarbeit gestellt. Jedoch nicht allein wegen dem Fassbier, sondern auch wegen der Situation in der Gastronomie: Etliche Wirte hätten schon Zweifel geäußert, sagt sie, ob sie in der aktuellen Situation überhaupt aufsperren würden. Ihre Kosten seien nur mit einem gewissen Umsatz zu decken. Und ob das mit den Abstandsregelungen zu schaffen sei, wäre noch ungewiss. "Wichtig wäre jetzt von Seiten der Politik eine Definition, was Großveranstaltungen sind. Wenn man wüsste, dass man beispielsweise mit 50 Leuten im Sommer feiern könnte, wäre viel geholfen." Dennoch gebe sie die Hoffnung nicht auf: "Es wird auch wieder besser und wir lassen uns nicht unterkriegen."

Auch der Privatbrauerei Erdinger Weißbräu fügt das Coronavirus wirtschaftlichen Schaden zu. Durch die flächendeckende Schließung der Gastronomie sowie die Absage aller Großveranstaltungen entfallen wichtige Umsatzträger. Daher sah sich das Unternehmen gezwungen, teilweise Kurzarbeit einzuführen. Man sei jedoch "ein gesundes Unternehmen" und werde die Pandemie "gemeinsam mit unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern durchstehen", heißt in einer Stellungnahme des Erdinger Weißbräu.

Wann es in der Gastronomie eine Rückkehr zur Normalität geben werde, ist auch für die Weißbierbrauerei schwer abzuschätzen. Die Frage sei, wie Hygiene-Vorschriften in Einklang mit einem "gastfreundlichen Erlebnis" gebracht werden können. Und es sei noch nicht absehbar, wie sich die Pandemie entwickele und wie Staat und Bevölkerung darauf reagieren.

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Quelle:
SZ vom 18.05.2020
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