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Erding: Besichtigung Passivhaus:Zehn Teelichter heizen einen Raum

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Er liebt es autark: Josef Ismairs Passivhaus sorgt ganzjährig für angenehme Temperaturen - ohne eine Tropfen Heizöl. Am Samstag können sich Besucher überzeugen.

Christoph Giesen

Am Ende war es der Ölpreis, der Josef Ismair dazu bewogen hat, das Haus seiner Mutter abzureißen. Komplett. Selbst das Fundament wurde abgetragen. "Spekulanten haben während der Finanzkrise den Ölpreis auf ein Rekordniveau getrieben", sagt Ismair. Da sei ihm endgültig bewusst geworden, dass Öl und Gas endliche Ressourcen sind.

In Zukunft will er deshalb autark sein. "Wir haben uns dazu entschieden, ein Passivhaus zu bauen, damit wir unabhängig sind." Passivhäuser dürfen sich nur Bauten nennen, die so gut gedämmt sind, dass höchstens anderthalb Liter Heizöl im Jahr pro Quadratmeter verfeuert werden müssen. Ismairs Haus unterschreitet diesen Grenzwert sogar. "Uns dürften sechs Tankfüllungen eines Autos locker reichen", sagt er.

Am Wochenende können Interessierte sich ein Passivhaus einmal ganz aus der Nähe ansehen. Passivhausbewohner in ganz Deutschland öffnen ihre Türen. Josef Ismairs Haus in Ottenhofen (Landkreis Erding) kann am Samstag, 13. November, von 10 bis 12 Uhr besichtigt werden. Auch mehrere Passivhäuser im Landkreis Ebersberg stehen offen.

"Bislang werden Passivhäuser recht selten gebaut", sagt der Markt Schwabener Bauingenieur Walter Kressirer, der Josef Ismairs Neubau geplant hat. In ganz Deutschland gibt es etwa 13500 Passivhäuser, schätzt der Branchenverband IG Passivhaus. Wie viele der Gebäude davon im Landkreis Ebersberg stehen, lässt sich nicht genau ermitteln. Vermutlich sind es bisher bloß eine Handvoll Objekte.

"Dabei lohnt es sich, einen Neubau als Passivhaus zu errichten, die Mehrkosten betragen höchstens zehn Prozent", sagt Kressirer. Viele Leute seien allerdings dem Irrglauben erlegen, dass es in einem Passivhaus stinke und unglaublich stickig sei. "Aber das ist völliger Quatsch", sagt Kressirer. Natürlich könne man auch in einem Passivhaus die Fenster öffnen, man müsse es aber nicht.

Der Grund dafür surrt im Keller hinter einer Verkleidung aus schwarzem Styropor: die Belüftungsmaschine. Sie ist das Herzstück eines Passivhauses. Über ein Schlauchsystem versorgt sie jedes Zimmer mit Frischluft. Die Maschine saugt dazu die Außenluft an und erwärmt sie im Winter über einen Wärmetauscher auf 18 Grad. Im Sommer kühlt das System die Luft. "Mit dem Wärmetauscher erzielen wir einen Wirkungsgrad von mehr als 90 Prozent", sagt Kressirer.

Nur ganz wenig Wärme gehe verloren. "Im Prinzip würde es reichen", sagt Kressirer, "einen Raum mit zehn Teelichtern zu beheizen, so effektiv arbeitet die Maschine". Außerdem seien die Wände des Hauses optimal gedämmt. Anstelle einer Styroporschicht befindet sich ein 20-Zentimeter-Hohlraum zwischen Fassade und Mauerwerk. "Luft dämmt besonders gut", sagt Kressirer.

Die meiste Wärme in einem Haus geht über die Fenster verloren. Deshalb müssen Passivhäuser mit speziellen Fenstern ausgerüstet werden. "Wir verwenden eine Dreifachverglasung", erklärt Kressirer. "Zwischen den einzelnen Glasscheiben befindet sich außerdem noch ein Edelgasgemisch zur Dämmung." Welche Fenster und Baustoffe zum Einsatz kommen dürfen, ist genau festgelegt.

Die Grenzwerte stammen größtenteils von dem in Innsbruck lehrenden Professor Wolfgang Feist. Auch Josef Ismair hat sein Haus von Feist zertifizieren lassen. Wie lange es dauern wird, bis sich die Mehrkosten amortisiert haben, konnte man ihm an Feists Institut aber auch nicht sagen. "Das kommt ganz darauf, ob wir den heutigen Ölpreis als Maßstab nehmen, oder ob wir uns mit ein wenig Phantasie überlegen, wie viel man in ein paar Jahren für Gas und Öl zahlen muss." Josef Ismair lacht. Er weiß, er ist autark.

Folgende Häuser sind am Wochenende zu besichtigen: Familie Ismair, Loher 1, 85570 Ottenhofen, Samstag, 10 bis 12 Uhr; Reihenhäuser in der Gebrüder-Grimm-Straße. 24 a-d, Poing, Samstag, 12.30 bis 15.30 Uhr.

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Quelle:
SZ vom 13.11.2010
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