Erding:Bekannte bedrängt

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25-Jähriger wird am Amtsgericht wegen sexueller Nötigung zu einem Jahr und sechs Monaten auf Bewährung verurteilt. Die Anklage war zunächst von einer Vergewaltigung ausgegangen

Von Regina Bluhme, Erding

Wegen sexueller Nötigung ist ein 25-Jähriger am Amtsgericht Erding zu einem Jahr und sechs Monaten auf Bewährung verurteilt worden. Der Mann, der seit fünf Monaten in U-Haft sitzt, war zunächst der versuchten Vergewaltigung einer 26-jährigen Frau angeklagt. Nach der Zeugenvernehmung hatten sich jedoch Amtsrichter Björn Schindler, die beiden Schöffinnen, die Staatsanwaltschaft und die Verteidigung darauf geeinigt, dass die Anklage auf sexuelle Nötigung reduziert wird.

Laut Anklageschrift hat der 25-jährige am 4. Oktober vergangenen Jahres versucht, die junge Frau vor einer Asylbewerberunterkunft in Hallbergmoos zu vergewaltigen. Sein Mandant habe sich "nicht korrekt verhalten", betonte der Verteidiger. Unbestritten ist, dass sich der Angeklagte und die Frau am 4. Oktober am späten Nachmittag in der Unterkunft des 25-Jährigen in Ismaning getroffen haben. Dort haben sie Kaffee getrunken und Haschisch konsumiert. Gegen 23 Uhr hat der Angeklagte, der als Reinigungskraft am Flughafen München arbeitete, die Frau bis zu der Unterkunft in Hallbergmoos begleitet. Ab da gibt es unterschiedliche Versionen.

Auf einem unbeleuchteten Treppenaufgang vor dem Eingang der Unterkunft hätten die beiden erst geredet und noch einmal Haschisch geraucht und dann "rumgemacht", erklärte der Verteidiger. Als der junge Mann der 26-Jährigen die Leggings herunterziehen wollte, habe dieser "schon gemerkt, dass sie damit nicht ganz einverstanden ist". Dass sie nun "ein bisserl reservierter" war, habe sein Mandant aber nicht als Widerstand empfunden. Die Frau habe zu schreien begonnen und er sei "in Panik verfallen", habe ihr den Mund zugehalten. Sein Mandant habe aber nie die Absicht gehabt, die Frau zu vergewaltigen.

Die 26-jährige Frau erklärte mit Hilfe eines Dolmetschers vor Gericht ganz offen, dass sie den Angeklagten am 4. Oktober angerufen habe, weil sie Haschisch rauchen wollte. Den Mann habe sie über Bekannte kennengelernt und nur ein oder zwei mal gesprochen. Sie bestätigte, dass sie ihn besucht und anschließend mit ihm gegen 23 Uhr an der Unterkunft in Hallbergmoos angekommen ist. Sie hätten dann noch geraucht auf den Stufen und dann habe er sie geküsst, was sie aber abgewehrt habe. Sie habe ihm in die Zunge gebissen, dann habe er sie gepackt und ihr die Hose bis auf die Knie heruntergezogen. Als sie zu schreien begonnen habe, habe er ihr den Mund zugehalten. So schilderte es die 26-Jährige im Gerichtssaal. Sie habe geschrien, aber er habe nicht von ihr abgelassen und sie festgehalten, fuhr die 26-Jährige fort. Dann sei ihre Freundin, die in der Unterkunft wohnte, erschienen und habe Hilfe geholt. Bis diese da war, seien 20 Minuten vergangen.

Nicht geklärt werden konnte, ob die Worte fielen "Ich vergewaltige dich." So steht es im Polizeiprotokoll. In der Verhandlung hieß es: "Ich brauche dich." Als Richter Björn Schindler nachhakte, erklärte die Frau, dass der Dolmetscher während der polizeilichen Vernehmung sehr schlecht gewesen sei und womöglich ihre Worte nicht richtig übersetzt habe.

Der als Zeuge geladene Polizeibeamte sagte vor Gericht aus, die Frau habe einen "eingeschüchterten Eindruck" gemacht, und sei "ziemlich weinerlich" gewesen. Richter Schindler erkundigte sich nach psychischen Folgen der Tat. Sie habe in der ersten Nacht schon Angst gehabt, auch die folgende Woche, aber jetzt nicht mehr, sagte die Frau. Verletzungen habe sie damals keine davongetragen.

Auf Vorschlag von Richter Björn Schindler zogen sich alle Beteiligten zu einem Gespräch in sein Amtszimmer zurück. Dort einigten sie sich darauf, die Anklage auf sexuelle Nötigung zu reduzieren. Die Staatsanwältin plädierte auf eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten zur Bewährung, der Wahlverteidiger hielt auf ein Jahr angemessen und die Pflichtverteidigerin ein Jahr und fünf Monate. Richter Björn Schindler verurteilte den 25-Jährigen schließlich zu einem Jahr und sechs Monaten mit einer dreijährigen Bewährungszeit. Der Angeklagte habe nachweislich der Frau einen Kuss aufgedrängt, ihre Hose nach unten gezogen. Sie habe geschrien und er habe sie festgehalten. Eine Vergewaltigungsabsicht könne jedoch nicht nachgewiesen werden, so Schindler. Es handle es sich aber auch nicht um einen minderschweren Fall, es sei schon "eine gewisse Beharrlichkeit" zu erkennen, er habe nicht abgelassen, auch als sie geschrien habe, und er habe auch die "fehlende Wehrhaftigkeit" der Frau ausgenutzt.

Zugunsten des Angeklagten wertete der Richter, dass er geständig und nicht vorbestraft sei, dass er aufgrund des Haschischkonsums "rauschhaft enthemmt" gewesen sei und die Geschädigte keine psychischen Spätfolgen zeige. Der 25-Jährige habe zudem eine günstige Sozialprognose und die fünf Monate in U-Haft sollten ihm eine "ausreichende Warnung" sein.

Die geplante Familienzusammenführung mit Ehefrau und den drei Kindern ist für den Mann jetzt in weite Ferne gerückt. Wie sein Verteidiger anmerkte, fehlte nur noch eine Unterschrift. Nun sei die Zusammenführung "äußerst unsicher".

© SZ vom 28.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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