Süddeutsche Zeitung

Erding:Auf neutralem Erdinger Boden

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Staatssekretär Georg Eisenreich zeichnet drei herausragende Seminararbeiten der Beruflichen Oberschulen aus

Von Florian Tempel, Erding

Warum die Erdinger Fachoberschule-Berufsoberschule (FOS/BOS) ausgesucht worden war, um die Verfasser der drei besten Seminararbeiten auszeichnen, die an einer FOS/BOS im Raum Ostbayern in diesem Schuljahr geschrieben wurden, blieb unklar. Schulleiter Gottfried Wengel wusste es jedenfalls nicht. Er mutmaßte, dass die Preisverleihung gleichsam auf neutralem Boden stattfinden sollte: Die Preisträger kamen aus Landshut, Neuburg und Ingolstadt, keiner von seiner Schule. Wahrscheinlich war es aber vor allem eine pragmatischen Entscheidung gewesen, um Staatssekretär Georg Eisenreich (CSU) eine allzu lange Anreise zu ersparen.

Bei der kleinen Feier in Erding, bei der es für die Erdinger eigentlich nichts zu feiern gab, wurde dennoch eines deutlich: An Beruflichen Oberschulen werden anspruchsvolle Seminararbeiten verfasst, mit denen die Schüler nach dem Fachabitur unter Beweis stellen, dass sie bestens auf ein Studium vorbereitet sind.

Dass an einer FOS/BOS überhaupt Seminararbeiten verfasst werden, ist noch nicht allgemein verpflichtend. Im Schuljahr 2010/11 starteten eine Handvoll Schulen mit einer "Seminarphase" als einem Schulversuch. Im Laufe der Jahre schlossen sich immer mehr Berufliche Oberschulen dem an, mittlerweile mache etwa die Hälfte mit. An der Erdinger FOS/BOS gab es Seminararbeiten erstmals in diesem Schuljahr.

Die Seminararbeiten sind dem nachempfunden, was an Gymnasien schon lange dazu gehört. Zum Ende ihrer Schullaufbahn sollen die Schüler ein bestimmtes, nicht ganz kleines, aber auch nicht zu umfangreiches Thema so bearbeiten, wie man es auch als Student an einer Hochschule machen würde. Das heißt: Eine Arbeitsthese aufstellen, Quellen recherchieren und auswerten, eigene Gedanken und Ergebnisse zum Thema beitragen und das Ganze auf 15 bis 20 Seiten zusammenfassen.

Die preisgekrönten Arbeiten zeigten, dass das Themen-Spektrum breit angelegt ist. Stefanie Kobler aus Landshut hatte den Handel mit Co₂-Zertifikaten untersucht: Hat der effektiv zur Reduzierung des klimaschädlichen Kohlendioxid-Ausstoßes beigetragen? Und wie hat sich das System für Unternehmen wirtschaftlich ausgewirkt? Ein topaktuelles Thema. Die bayerische Umweltministerin Ulrike Scharf (CSU) sieht Ökologie und Ökonomie immer in einem Zusammenhang und will den Co₂-Rechte-Handel demnächst reformieren. Der Ingolstädter Stefan Lins erhielt den zweiten Preis für seine Arbeit über Ellen Ammann, die maßgeblich Anteil daran hatte, dass der Hitler-Putsch 1923 erfolgreich niedergeschlagen werden konnte. Kaum jemand kennt die katholische Frauenaktivistin, Politikerin und ihre Bedeutung. Nun ist das anders. Das NS-Dokumentationszentrum in München hat Lins' Arbeit bereits in seine Bestände aufgenommen. Den dritten Preis erhielt der Neuburger Constantin Nowak für eine technisch-naturwissenschaftliche Seminararbeit, bei der er mit einem selbst gebauten Messinstrument die elektrische Ladung von Gewitterwolken untersuchte.

Schulleiter Wengel fand am Ende dann doch noch einen Grund, warum die Preisverleihung in seiner Schule stattfand. In einem wohl nicht ganz ernst gemeinten Befehlston forderte er von seinen Schülern, ebenso herausragende Seminararbeiten abzuliefern.

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SZ vom 30.06.2015
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