Es tut sich was und es tut sich nichts. Es kommt ganz darauf an, wo die Menschen zufälligerweise gelandet sind. Manche Geflüchtete haben Internetzugang in der ihnen zugewiesenen Unterkunft. Manche Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene in Asylunterkünften können also im zweiten Jahr der Pandemie tatsächlich am digitalen Unterricht teilnehmen. Anderswo ist das für andere Geflüchtet aber immer noch ganz anders - viele sind und bleiben abgehängt.
Auch im Landkreis Erding. Der Staat sieht sich nicht in der Lage, gleiche Bedingungen für alle zu schaffen. Er scheitert beim Thema Internet in Asylunterkünften zwar nicht mehr vollständig, aber nun eben auf halbem Weg. Der Staat lässt zwar mittlerweile durch die Landratsämter und Bezirksregierungen in den Unterkünften die technischen Voraussetzungen ausbauen. Doch danach liegt die Hoffnung des Staats darauf, dass sogenannte Dritte das letzte Stück übernehmen. Privatleute, ehrenamtliche Organisationen oder beherzte Kommunalpolitiker sollen die Internetverträge für die Asylunterkünfte abschließen, managen und abrechnen. Und wenn sich keiner bereitfindet, dem Staat mit eigenem Haftungsrisiko beiseite zu springen? Dann klappt es halt nicht.

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Was soll man davon halten? "Wenn Ehrenamtliche das übernehmen, ist das nett und freundlich", hat Asylrechtsanwalt Hubert Heinhold unlängst der SZ gesagt. "Aber es bleibt trotzdem eine staatliche Aufgabe." Dass Kinder in Asylunterkünften häufig nicht am digitalen Unterricht teilnehmen könnten, sei "ein grober Verstoß gegen die UN-Kinderrechtskonvention", sagte Heinhold weiter.
Staatliche Stellen und Behörden machen zu ihrer Rechtfertigung ebenfalls rechtliche Bedenken geltend. Wobei es konfus durcheinander geht. Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) schreibt zum Beispiel in einem Brief an die unermüdliche ehrenamtliche Asylberaterin Maria Brand, "die Verantwortung zum Vertragsabschluss und der Einrichtung des Internets soll weiterhin grundsätzlich bei den Bewohnern, nicht bei den Unterkunftsverwaltungen, verbleiben". Das Landratamt Erding schreibt jedoch: "Ein Abschluss durch die BewohnerInnen ist aus Gründen der Gleichbehandlung nicht möglich, da nicht in jeder Asylunterkunft so viele Anschlüsse wie Bewohner zur Verfügung stehen."
In einer andere E-Mail aus dem Landratsamt heißt es zudem: "Wie der Hausordnung für die dezentralen Asylunterkünfte zu entnehmen ist, ist bewohnereigenes WLAN durch das Landratsamt Erding nicht erlaubt." Dass Landratsämter sehr wohl handeln können, wenn der Wille dazu da ist, beweist der Landkreis Aichach-Friedberg. Dort gibt es in Person von Klaus Metzger einen CSU-Landrat, der in seinem früheren Leben Dozent für Grundschuldidaktik und Schulamtsdirektor war. In Metzgers Landkreis werden Internetzugänge für Asylunterkünfte vom Landratsamt realisiert - und zwar als Komplettpaket.
Zur Begründung teilt das Büro von Landrat Metzger mit: "Aufgrund der Tatsache, dass es nicht in allen Unterkünften gelingen wird, dass Dritte hier einen Internetzugang installieren, hat man sich entschieden, in allen Unterkünften selbst die Installation eines Internetzugangs zu beauftragen, um für alle Bewohner gleiche Voraussetzungen zu schaffen. Die Verträge mit den Internetanbietern wurden durch das Landratsamt Aichach-Friedberg abgeschlossen."
Im Landkreis Erding gibt es vorerst keine Gleichbehandlung
Das Landratsamt Erding schreibt zwar auch, dass man die Dringlichkeit von Internet in Asylunterkünften erkannt habe: "Wie wichtig ein funktionierender Internetanschluss insbesondere für Familien mit Kindern ist, um zum Beispiel dem Distanzunterricht folgen zu können, hat sich in den letzten Wochen und Monaten eindrucksvoll gezeigt." Doch das Büro von Landrat Bayerstorfer verweist - im Widerspruch zum Landkreis Aichach-Friedberg - auf übergeordnete Stellen: "Sowohl das Ministerium als auch die Regierung von Oberbayern haben mitgeteilt, dass entsprechende Mobilfunkverträge nicht von Seiten der Landratsämter abgeschlossen werden können."
Im Landkreis Erding gibt es also vorerst keine Gleichbehandlung: In der außerhalb von Dorfen gelegenen Unterkunft in Lindum hat die Bezirksregierung für die technische Ausstattung gesorgt. "Den Vertrag haben wir abgeschlossen", sagt Franz Leutner vom Verein Flüchtlingshilfe Dorfen. Auch in anderen Dorfener Asylunterkünften, für die das Landratsamt Erding zuständig ist, werde man Internetverträge abschließen, sagt Leutner: "Wir sind so weit, dass wir das übernehmen, weil sonst gar nichts passiert."
In der Stadt Erding ist es ähnlich. Hier kümmerte sich Margot Hoigt von der Aktionsgruppe Asyl um die relativ große Unterkunft in der Robert-Koch-Straße, wo gerade durch das Landratsamt die technischen Voraussetzungen für Internet geschaffen werden. Den Vertragsabschluss "werde dann ich übernehmen", sagt Hoigt, obwohl sie wie viele andere auch findet, "eigentlich sollte das Landratsamt die Verträge abschließen".
In Taufkirchen, wo etwa 120 Geflüchtete in fünf Unterkünften leben, geht gar nichts, weil sich dort schon vor längerer Zeit der Helferkreis aufgelöst hat. Im Rathaus Taufkirchen scheint man die Situation überhaupt nicht zu verstehen. In einer E-Mail aus der Gemeindeverwaltung, die der SZ vorliegt, heißt es, ein Internetzugang "über das Handy" sei doch auch möglich. Ein Mobilanbieter haben zum Beispiel "eine Flatrate für circa 60 Euro pro Monat mit unbegrenztem Datenvolumen" im Angebot. Das wäre doch "die einfachste und ohne große Probleme zu bewerkstelligende Lösung".
In Wartenberg ist es wieder anders. Dort hat sich die Gemeinde bereit erklärt, die Internetverträge für die zwei Asylunterkünfte in der Marktgemeinde abzuschließen. Das ist der absolute Clou: Der Staat sieht sich außerstande zu handeln, und eine Kommune springt ein. Solch ein Bürokratie-Kunststück grenzt an Hexerei.