Süddeutsche Zeitung

Erding:Alles ganz anders

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Die Verluste der CSU im Erdinger Stadtrat geben den anderen mehr Gewicht

Von Antonia Steiger, Erding

Was für OB Max Gotz (CSU) eine "bittere Niederlage" ist, das "beseelt" die Grüne Helga Stieglmeier. Im Erdinger Stadtrat herrschen nun andere Verhältnisse: Die CSU hat nur noch 14 von 40 Sitzen. Sie ist damit immer noch mit Abstand stärkste Fraktion, doch so einfach wird es für die Partei des Oberbürgermeisters nicht mehr sein, sich mit den eigenen Wünschen und Vorstellungen durchzusetzen. Die Grünen haben nun sechs Sitze und ihre Schlagkraft damit verdoppelt. Über fünf Sitze hätte sie sich schon gefreut, sagte Stieglmeier. Dementsprechend glücklich ist sie über sechs. Und auch Erding Jetzt gehört zu den Gewinnern: Die fünf statt der bisherigen vier Sitze stellen Fraktionssprecher Hans Egger vollauf zufrieden.

Die veränderten Mehrheitsverhältnisse werden sich in einer neuen Debattenkultur bemerkbar machen, darin sind sich alle einig. Es werde mehr geredet werden und man werde nicht so leicht zu Entscheidungen kommen, sagte Gotz. Auch andere außerhalb der CSU würden sich künftig besser Gehör verschaffen können, sagen die anderen. Es ist eigentlich nur ein Gefühl, aber es hatte sich manifestiert im Erdinger Stadtrat: Die CSU hätte gemeinsam mit der SPD Entscheidungen herbeiführen können. Eine "gefühlte Mehrheit" sei das gewesen, sagt Stieglmeier. Eine "große Koalition", sagt Egger. Damit ist es nun aber vorbei: CSU und die auf drei Sitze geschrumpfte SPD haben keine Mehrheit mehr. Alle werden gefragt sein, konstruktiv an Mehrheitsbeschlüssen zu arbeiten. Auch Petra Bauernfeind, die OB-Kandidatin und Fraktionssprecherin der Freien Wähler, sieht das so: "Wir anderen sind gestärkt worden." Sie hoffe auf eine kollegiale Zusammenarbeit und dass Anträge "ergebnisoffen" ausdiskutiert werden. Der Umgang sei nicht immer so gut gewesen, jetzt sei der Stadtrat breiter aufgestellt. "Und das brauchen wir auch." Froh ist sie, wie sie sagt, dass die neu hinzugekommenen AfD-Abgeordnete und das Erstarken der Grünen nicht zu Lasten der Freien Wähler gegangen sei. Wobei das noch nicht ganz raus ist: Am Montag hatte das Auszählprogramm 41 Erdinger Stadtratssitze verteilt, einen zuviel. Einer Fraktion wird noch einer genommen werden, das erläuterte Stadtpressesprecher Christian Wanninger. Welche das ist, aber das wird sich wohl erst am Dienstag herausstellen.

Eine sehr schwierige Aufgabe werde es künftig im Erdinger Stadtrat, politische Entscheidungen herbeizuführen, sagte OB Gotz. Entscheidungen würden langsamer oder auch gar nicht herbeigeführt. Er sieht gar die Nordumfahrung Erding in Gefahr, denn am Ende muss der Erdinger Stadtrat eine Geldsumme in noch nicht bekannter Höhe freigeben, die für den Bau benötigt wird. Die hohe Zustimmung für den Landratskandidaten von Freien Wählern, Grüne und SPD, Hans Schreiner, vor allem im Norden der Stadt Erding, sei eine "klare Ansage", sagt Gotz. Schreiner ist gegen die Nordumfahrung in ihrer jetzigen Form. Die Bewohner in der Freisinger Siedlung würden aber am meisten davon profitieren. "Etwas mehr" hätten die Bürger schon für die CSU stimmen können, findet er. Es habe gute Entscheidungen für Schulen und Kindergärten gegeben, und es gebe praktisch keinen Verein, der von der Stadtpolitik nicht unterstützt worden wäre. Da klingt Bitterkeit durch.

Es sei "blöd", über die Verluste anderer zu reden, sagt Hans Egger. Doch auch für ihn sind die Verluste der CSU das entscheidende Ergebnis der Wahlen zum Stadtrat. Er hoffe auf eine andere Diskussionskultur. Vor allem wolle er noch einmal über das Gewerbegebiet im Westen reden. Gotz mache "keine schlechte Arbeit", es gebe aber "Dinge, die nicht so gut laufen". Und dazu zählt er das Gewerbegebiet. Mehrheiten werden sich nicht mehr so selbstverständlich einstellen, glaubt Helge Stieglmeier. "Es wird sich alles ändern." So sieht das auch Horst Schmidt, für dessen SPD der Sonntag kein erfreulicher Tag war. Dass man mit nur drei Stadträten auch erfolgreich Politik machen könne, müssen jetzt drei neue SPD-Stadträte zeigen. Dass es geht, hätten die Grünen zuletzt schon gezeigt. "Nicht nachvollziehbar" sei es, findet Schmidt, dass der Wähler das neue Paket, das die Erdinger SPD geschnürt habe, nicht stärker angenommen habe. Wer nicht gewählt worden sei, bleibe trotzdem dabei, hofft Schmidt.

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Quelle:
SZ vom 17.03.2020
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