Süddeutsche Zeitung

Enteignung beantragt:Steiniger Weg

Lesezeit: 2 min

In Eitting streiten Gemeinde und drei Grundstückseigentümer seit Jahren über einen Fußpfad. Eine mündliche Verhandlung ist gescheitert, jetzt entscheidet das Landratsamt

Von Regina Bluhme, Eitting

Georg Wiester ist seit zehn Jahren Erster Bürgermeister von Eitting. Der Name seiner überparteilichen Gruppierung ist Programm: Wählergemeinschaft Gemeindefriede. Doch es gibt Streit in Eitting. Es geht um einen schmalen, gekiesten Weg, der von der Erdinger Straße zur Poststraße führt. Die autofreie Abkürzung wird von Fußgängern gern genutzt. Die drei Grundstücksbesitzer, über deren Privatflächen der Weg verläuft, wollen ihn sperren, die Gemeinde will die Verbindung öffentlich zugänglich belassen. Seit fünf Jahren wird vor Gericht gestritten, nun hat Eitting die Enteignung beantragt. Bei einer mündlichen Verhandlung kam es im Landratsamt zu keiner Einigung. Jetzt entscheidet die Fachstelle für Enteignung, ob das Verfahren eingeleitet wird.

Ein Enteignungsverfahren hat Wiester bislang noch nie in die Wege geleitet. Keine angenehme Sache, Eitting ist klein, jeder kennt jeden, und Eigentum sei ein sehr hohes Gut, sagt er. Aber er habe keinen Ausweg gesehen. Seit fünf Jahren streiten Gemeinde und Eigentümer. Drei bis vier Ordner füllten die Unterlagen. Es habe Verhandlungen vor dem Amtsgericht gegeben, dem Landgericht Landshut und dem Verwaltungsgericht München, dort sei immer noch ein Verfahren wegen Straßen- und Wegerechts anhängig. Auch Kaufangebote führten zu keinem Ergebnis. Weitere Gespräche und ein Mediationsangebot am Amtsgericht brachten keine Verbesserung.

"Das Wohl der Allgemeinheit" erfordere die Enteignung, davon ist Bürgermeister Wiester überzeugt. Er handle im Auftrag der Gemeindebürger und des Gemeinderats. Der Weg besitze "eine besondere Verkehrsfunktion". Die Verbindung zum Ortszentrum werde insbesondere von älteren Bürgern und Kindern genutzt. Auf dem Weg seien die Kindertagesstätte und die Grundschule zu erreichen, die zentrale Bushaltestelle, die Kirche, der Bäcker, der Metzger. Vor allem für die Schulkinder sei der Weg wichtig, weil sie sonst verkehrsreiche Straßen queren müssten.

Der Weg bestehe seit Jahrhunderten, betont Wiester, "das war früher der Weg von Eichenkofen nach Eitting in die Pfarrkirche." Daraus könne man "eine Art Gewohnheitsrecht" ableiten. Das sieht einer der Grundstücksbesitzer anders: Der Weg habe im Laufe der Jahrhunderte immer wieder mal den Verlauf gewechselt. Von einem Gewohnheitsrecht könne also keine Rede sein. Er verweist darauf, dass die Gemeinde mit dem entsprechenden Antrag vor dem Landgericht gescheitert sei. Auf dem Weg, der direkt quer über sein Grundstück führe, habe er Fußgänger immer geduldet, "bloß früher kamen vielleicht zehn bis 15 Leute am Tag vorbei, heute sind es manchmal 200". Und sie kämen nicht nur zu Fuß, auch mit Roller und Radl rauschten Kinder durch, sogar Mopeds seien schon durchgefahren. "Das nimmt immer mehr zu." Ein weiterer Grundstücksbesitzer habe ihm von zwei Beinaheunfällen berichtet beim Ausfahren aus der Garage. Seiner Ansicht nach müssen die Fußgänger einen kleinen Umweg von 300 Metern einlegen. Dann führe der Weg zwar über eine Hauptstraße, aber es gebe doch einen Bürgersteig.

In der Gemeinde stoßen die Pläne der drei Grundstücksbesitzer bei vielen auf Protest. "Bei der Bürgerversammlung waren viele Besucher ziemlich gegen uns", sagt einer der Grundstücksbesitzer. Wiester verweist auf eine Liste mit 109 Unterschriften, die die Öffentlichkeit des Weges forderten. Wie es nun weitergeht, da müsse man die Entscheidung der Fachstelle im Landratsamt Erding abwarten.

Wiester betont: "Es ist uns leider nicht gelungen, den Grund zu erwerben." Eigentum sei natürlich ein sehr hohes Gut. Doch er sehe das öffentliche Interesse. In zwei bis drei Wochen wird laut Landratsamt mit einer Entscheidung der Fachstelle für Enteignung zu rechnen sein. Beide Parteien haben Rechtsanwälte an ihrer Seite und können gegen die Entscheidung des Landratsamts Klage beim Verwaltungsgericht München einreichen. Schlimmstenfalls geht es weiter bis zum Bundesverwaltungsgericht, so Wiester. Aber daran mag keiner der Beteiligten im Moment denken. Nach fünf Jahren müsse die Angelegenheit jetzt zu einem Ende geführt werden, sagt Wiester. "Egal wie." Sollte der Weg tatsächlich gesperrt werden, dann befürchtet er allerdings, "dass der Dorffriede erheblich darunter leiden wird".

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4179628
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 22.10.2018
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.