Engagement in Erding:Hinschauen statt wegschauen

Zwei Initiativen sammeln Müll ein und wollen die Menschen für die Umwelt sensibilisieren

Von Irem Özgalkay, Erding

1,20 Meter hoch ist die Kippenröhre von Lisa Gadenne-Wurzbacher, die sie und andere ehrenamtliche Müllsammler in Erding innerhalb von zweieinhalb Stunden mit 8000 Zigarettenresten gefüllt. "Eine einzige Zigarette verunreinigt ganze tausend Liter Wasser", sagt sie. Die 37-Jährige hat vor drei Jahren die Initiative Unfairmüllt gegründet, um mit Freiwilligen in Erding, Langenpreising und Wartenberg die Landschaft aufzuräumen. Das Ziel: die Umwelt etwas sauberer zu machen und die Menschen in Sachen Müll- und Umweltbewusstsein aufzuklären.

Engagement in Erding: Jede Menge Dreck in Erdings guter Stube: Sarah Friedrich, Lisa Gadenner-Wurzbacher und Bianca Born (von links) am Schrannenplatz.

Jede Menge Dreck in Erdings guter Stube: Sarah Friedrich, Lisa Gadenner-Wurzbacher und Bianca Born (von links) am Schrannenplatz.

(Foto: Renate Schmidt)

Lisa Gadenne-Wurzbacher sagt, sie sei "mütend - müde und wütend, weil niemand über den Schutz der Umwelt berichtet". Sarah Friedrich sagt, ihr tue die momentane Situation sehr weh. Beide Frauen beschlossen unabhängig voneinander, jedoch nahezu gleichzeitig, etwas gegen die Umweltverschmutzung und die Vermüllung der Erde zu tun, anstatt weiterhin tatenlos zuzusehen. Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Zwei engagierte Müllsammel-Initiativen, die eine mit Hauptsitz in Wartenberg, die andere in Erding.

Lisa Gadenne-Wurzbacher gründete ihre Initiative Anfang Oktober 2018. "Ich hatte eine grauenhafte Dokumentation gesehen, wo einer Meeresschildkröte ein Strohhalm aus der Nase gezogen wurde." Sie habe sich daraufhin mit zwei Freundinnen beraten, die sich ebenfalls überwältigt von dem ganzen Müll gefühlt hätten. "Lass uns doch zusammen etwas dagegen machen, dachte ich mir dann", sagte die 37-Jährige. Gesagt, getan: Mit ihren Freundinnen Lina Beck und Kathrin Daschinger gründete Gadenne-Wurzbacher die Initiative Unfairmüllt, und aus einer kleinen Gruppe wurde im Laufe von ein paar Jahren ein eingespieltes Team, das inzwischen aus etwa dreißig Mitgliedern besteht und sich über eine Whatsapp-Gruppe regelmäßig zum Müllsammeln in Wartenberg, Langenpreising und Umgebung trifft.

Engagement in Erding: Dinge des täglichen Lebens, die viele Menschenachtlos wegwerfen oder nicht aufheben, wenn sie ihnen runtergefallen sind: Zigarettenkippen.

Dinge des täglichen Lebens, die viele Menschenachtlos wegwerfen oder nicht aufheben, wenn sie ihnen runtergefallen sind: Zigarettenkippen.

(Foto: Renate Schmidt)

Auch Sarah Friedrich aus Eichenried wollte etwas gegen die Vermüllung der Stadt unternehmen, wie sie sagt. "In dem kleinen Naturschutzwald in Erding lag bei jedem meiner Spaziergänge immer so viel Müll rum. Irgendwann habe ich dann einfach eine Tüte mitgenommen und alles aufgesammelt." Doch der Müll wurde nicht weniger. Sie entschied sich, die Bilder auf Facebook zu posten, fand eine Menge Zuspruch und gründete somit ebenfalls eine Initiative: "Müll überall - Wegschauen ist einfach, aufheben auch!!" Als sie gehört habe, dass in Wartenberg eine Gruppe mit demselben Gedanken aufgebaut werde, habe man sich vernetzt. Dann trafen sich die Frauen zusammen zum Müllsammeln, und daraus sei eine Art Freundschaft entstanden, sagte Friedrich. Inzwischen seien beide Initiativen fest miteinander vernetzt und träfen sich regelmäßig für Müllsammel-Aktionen in Erding, Wartenberg und Umgebung. Denn sie verbindet beide das gleiche Ziel: "Wir wollen die Menschen sensibilisieren, die Natur nicht länger zu beschädigen, sondern sie zu achten", sagte Sarah Friedrich.

Und das funktioniert bis jetzt sehr gut: Mit Müllgreifern, Warnwesten, Eimern und Tüten ausgestattet nehmen sich beide Initiativen besonders vermüllte Orte vor. "Am Kronthaler Weiher in Erding und an den Haupt- und Bundesstraßen sieht es meistens sehr schlimm aus", sagt Lisa Gadenne-Wurzbacher. Die Gründerin von Unfairmüllt möchte allerdings nicht nur aufräumen: "Der Müll soll danach nicht in einer privaten Haushaltstonne verschwinden, sondern die Leute sollen sehen, was wir sammeln", sagt sie. Deswegen posten beide Gruppen ihre großen Müllberge regelmäßig auf Facebook. "Das sorgt bei den meisten Bürgern für sehr positiven Zuspruch", bemerkten sie.

Engagement in Erding: Zigarettenkippen auf die Straße schmeißen muss nicht sein, finden die Initiativen.

Zigarettenkippen auf die Straße schmeißen muss nicht sein, finden die Initiativen.

(Foto: Renate Schmidt)

Bei der Nachhaltigkeitsmesse in diesem Herbst in Erding sorgten beide Initiativen mit ihren Visualisierungen der etlichen Liter Müll nach einem großen Clean-Up für Aufsehen. Ihr Augenmerk lag auf den unzähligen Zigarettenkippen, die die Umwelt belasten. In der 1,20 Meter hohe Plexiglas-Kippenröhre füllten sie alle Kippenreste, die sie an diesem Tag gesammelt hatten. "Wir haben ganze 8000 Zigarettenreste in zweieinhalb Stunden gefunden", erinnerte sich Lisa Gadenne-Wurzbacher zurück. Wie sie sagt, verunreinigt eine einzige Zigarettenkippe ganze tausend Liter Wasser und setzt beim ersten Regenschauer etwa 7000 Giftstoffe wie Blei oder Nikotin frei. "Warum diese Art von Umweltverschmutzung keine Aufmerksamkeit bekommt? Weil ein Zigarettenstummel einfach winzig klein ist", vermutet die Umweltaktivistin aus Langenpreising. Das kann auch Sarah Friedrich bestätigen, denn sie findet neben Zigarettenkippen auch immer häufiger Mund- und Nasenschutzmasken in der Umwelt. "Bei der Erdinger Nachhaltigkeitsmesse haben wir allein 75 Stück nur auf dem Areal rund um die Stadthalle gefunden", erinnert sich die 35-Jährige zurück. Als Denkanstoß für die Bürger wurden sie an einer langen Leine aufgezogen und sichtbar für alle aufgehängt.

Die Antwort auf die Frage, wie jeder Mensch in seinem Alltag die Umwelt schützen kann, ist für die beiden Aktivistinnen ganz klar: Müll vermeiden, wo es nur geht. "Wir müssen alle verantwortungsvoll mit dem Müll umgehen, den wir schaffen. Zigarettenkippen, Einwegmüll und Mikroplastik in Produkten spielen dabei eine große Rolle", sagte Friedrich. Es sei ihr bewusst, sagt die Gründerin von "Müll überall", dass die Vermüllung oftmals unterschätzt werde. "Doch legt man den Fokus erst einmal auf den ganzen Abfall, der auf einem einzigen Quadratmeter zusammenkommt, dann kann man ihn nie wieder übersehen", sagt die 35-Jährige.

Engagement in Erding: Schutzmasken liegen überall auf der Straße.

Schutzmasken liegen überall auf der Straße.

(Foto: Renate Schmidt)

Kosmetikprodukte auf die Inhaltsstoffe zu untersuchen, Einwegbehälter aus Plastik zu vermeiden und ab und zu auch den Müll anderer aufzuheben, könne schon einen enormen Unterschied machen, rät Lisa Gadenne-Wurzbacher. Auch Sarah Friedrich ist davon überzeugt, dass die Menschen über ihre eigenen Raumgrenzen hinaus für den Müll auf dem gesamten Planeten gleichermaßen verantwortlich seien. Umweltfreunde und Interessenten jeden Alters können sich bei beiden Initiativen unter den E-Mail-Adressen info@unfairmuellt.org und muell.ueberall.aufheben@web.de über zukünftige Müllsammel-Aktionen und rund ums Thema Umweltschutz sowie Nachhaltigkeit informieren und mitmachen.

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