Süddeutsche Zeitung

Energie in Erding:Virtuelles Kraftwerk als Partner

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Ende 2020 läuft die EEG-Förderung für zwanzig Jahre alte Photovoltaikanlagen aus. Kleinere Betreiber sollen dann den Strom selber nutzen. Die Stadtwerke Dorfen setzen auf eine digitale Kooperation für regenerative Energie

Von Gerhard Wilhelm, Erding

2021 endet für die ersten Photovoltaikanlagen die staatliche Förderung erneuerbarer Energien. Viele Anlagenbesitzer, aber auch Handwerker und Installateure sind deshalb zurzeit besorgt, da die dann 20 Jahre alten Anlagen durchaus noch funktionieren und Strom erzeugen. Mit Ende der sogenannten EEG-Förderung verlieren sie ihren Sonderstatus bei den Einspeiserechten. Nach der aktuellen Gesetzeslage dürfen sie künftig nur über einen Direktvermarkter Strom ins Netz liefern. Falls es nicht doch noch zu einer Novellierung des Gesetzes kommt, arbeiten die Stadtwerke Dorfen an einer Lösung: Sie wollen ein virtuelles Kraftwerke installieren, das von den Solarstrom-Anlagen betrieben wird, aber auch Biogasanlagen sollen sich beteiligen können.

"Wir haben ganz viele Ideen und Lösungen", sagt Klaus Steiner, Geschäftsführer der Stadtwerke Dorfen. Am Netz der Stadtwerke hingen etwa 870 Photovoltaikanlagen. In den nächsten beiden Jahren würden zwar nur ein paar Anlagen aus der Förderung fallen, aber danach schon einige. Kunden, die kleinere Anlagen bis zehn Kilowatt haben, empfehle man auf Eigenbedarf umzurüsten, am besten mit Speicher. Alles andere sei wirtschaftlich zu teuer. Alle Anlagen seien abbezahlt, also würde ohne die Zulage kein wirtschaftlicher Schaden entstehen. "Die Nachteile, die den Betreibern ohne Förderung entstehen, die gefühlten vor allem, sind überschaubar", sagt Steiner. Für größerer Anlagen sei man in Kooperation mit mehreren Stadtwerken dabei, ein sogenanntes virtuelles Kraftwerk aufzusetzen.

Datentechnisch soll so die Leistung der größeren Photovoltaikanlagen zusammengeschlossen werden. Über eine gezielte Prognose, wann wieder ungetrübter Sonnenschein ist, soll auf dem Spotmarkt, der Strombörse, Solarstrom zu vernünftigen Konditionen verkauft werden. "Dieses Modell, das an die Direktvermarktung anschließt, sind wir dabei auf den Weg zu bringen. Im nächsten Jahr wollen wir an diesem virtuellen Solarkraftwerk alle teilhaben lassen, die nicht mehr am Fördertopf hängen. Auch Biogas wollen wir einbeziehen, aber auch alle anderen, die regenerativen Strom erzeugen", sagt der Dorfener Geschäftsführer. "Ein Haufen Arbeit, aber die Energiewende hat viel mit Digitalisierung zu tun. Es geht um Prognose von Daten, von Steuerung, um Schaltungen und letztendlich, dass wir versuchen, die Energie intelligent zu machen. Für uns ist derjenige, der Strom einspeist, kein Feind, sondern wichtiger integraler Baustein für die Zukunft"

Eine Lösung, die auch für Landwirte interessant sein dürfte, da Bauern schon recht früh auf Photovoltaikanlagen auf ihren oft großflächigen Dächern setzten. Derzeit sei aktuell beim Maschinenring kein Landwirte betroffen, sagt Geschäftsführer Paul Sedlmaier, da man sich erst seit 2003 mit dem Thema beschäftige. "Aber drei Jahre sind schnell vorbei." Warum plötzlich Hürden für Solarstrom aufgebaut werden, versteht er nicht. "Wir verabschieden uns von der Kohle, vom Atomstrom und wollen gleichzeitig mehr E-Mobilität. Und dann sollen Anlagen, die noch einwandfrei funktionieren und sich amortisiert haben, zum alten Eisen gehören", sagt Sedlmaier.

Auch bei den Stadtwerken Erding hofft man auf eine rechtzeitige Änderung, wie Prokurist Andreas Huber sagt. Aber man werde so oder so die Kunden nicht im Stich lassen und arbeite ebenfalls an Lösungen. Die könnte darin bestehen, die Vermarktung des Solarstroms zu übernehmen. Da der Preis aber derzeit nur bei vier bis fünf Cent pro Kilowattstunden liege, könnte es besser sein, den mit der Anlage produzierten Strom selber zu nutzen, eventuell über einen Speicher. 80 Prozent der Kunden, die derzeit an einer Photovoltaikanlage Interesse haben, würden sich dafür bereits entscheiden. Aber man müsste jede ältere Anlage individuell sehen, sagt Huber. Die Stadtwerke Erding würden dafür jeden Kunden vorab schriftlich über die Situation informieren. Parallel arbeite das Überlandwerk Erding auch an einer Lösung, wie der Überschussstrom von dezentralen regenerativen Stromerzeugern gesammelt werden und als regionales Stromprodukt an Endkunden geliefert werden kann.

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Quelle:
SZ vom 07.08.2020
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