Süddeutsche Zeitung

Eittinger gewinnt Wettbewerb:Musikideen aus dem Alltag

Der 15-jährige Jakob Altmann gewinnt beim Wettbewerb "Jugend komponiert Bayern" einen ersten Preis. Angefangen hat der Gymnasiast mit sieben Jahren. Seine Geigenlehrerin Ute Auf Den Hövel sagt von ihm, er sei "wie ein Schwamm, der alles aufsaugt"

Von Renan Marie Halaceli

Die Idee kam Jakob Altmann während einer U-Bahn-Fahrt in Wien, der Hauptstadt der klassischen Musik. Als er die schwingenden und ruckenden Handschlaufen betrachtete, inspirierte ihn der Gleichschritt dieser Bewegungen für eine Komposition. Dass der 15-jährige Eittinger mit dem "Tanz der Handschlaufen" beim diesjährigen Wettbewerb "Jugend komponiert Bayern" einen ersten Preis gewonnen hat, hat die Rückerinnerung an die Entstehung seines Klavierstücks noch einmal ganz stark werden lassen.

Eigentlich komponiert Jakob eher intuitiv und lässt sich nur selten von Alltagsgeschehnissen zu Musikideen verleiten. Normal geht es bei ihm so: Erst findet er eine Melodie, dann gliedert und baut er sie zu einer Komposition aus. So hat er es auch bei seinem Violinen-Solo "Scherzetto" gemacht, dass er als Wettbewerbsgewinner von einer Musikerin des BR-Symphonieorchesters einspielen lassen durfte und das für "Sweet Spot", das jungen Klassik-Magazin des Bayerischen Rundfunks, aufgenommen wurde. Das Miniaturstück klingt neckisch, klingt frech. Wie ein kleiner Streich eben. So wollte es Jakob: "Es sollte scherzhaft und lustig sein", wie auch sein prämierter "Tanz der Handschlaufen".

Das "Scherzetto" klingt klassisch, hat aber auch Elemente der Neuen Musik. Interpretiert wurde es von Valérie Gillard. Die aus Belgien stammende Geigerin des BR-Symphonieorchester sagte über Altmanns Stück, dass es sie an Igor Strawinsky erinnere, der im frühen 20. Jahrhundert in seinen Werken mit schrägen Tönen und Dissonanzen das Publikum regelrecht aufschreckte. Und tatsächlich sind es gerade diese Elemente, die das Stück besonders auszeichnen.

Für Jakob Altmann, der in Erding das Korbinian-Aigner-Gymnasium besucht, waren vor allem die Ton- und Videoaufnahmen in der White Box des Münchner Werksviertel ein Erlebnis. Auch die Begegnung mit dem Leiter des Wettbewerbs, dem Komponisten und Pianisten Minas Borboudakis, war für den Achtklässler eine wertvolle Erfahrung. Valérie Gillard und er probten das Stück über Skype ein. Er hat es "extra herausfordernder" geschrieben, um dem Profi auf der anderen Seite gerecht zu werden. Umso mehr freute es ihn, dass er mit Valérie Gillards Interpretation - bis auf ein paar Kleinigkeiten - sehr zufrieden war. Fünf Takes und das Stück war im Kasten - so machen das die Profis.

Angefangen zu komponieren hat Jakob Altmann, als er sieben Jahre alt war. "Es muss um Ostern rum gewesen sein", erinnert er sich. Sein Vater schenkte ihm damals sein erstes Notenheft und prompt begann er ein Stück auf der Blockflöte zu komponieren. Zum nächsten Fest schenken ihm seine Eltern eine Schnupperstunde Geigenunterricht bei Ute Auf Den Hövel. Die Bratschistin und Violinistin unterrichtet seit vielen Jahren an der Kreismusikschule Erding und ist Leiterin des Fraunberger Orchesters. Sie wurde seine feste Geigenlehrerin und merkt schnell, was für ein Ausnahmetalent ihr Schüler ist. Ein Beispiel: Binnen einer Woche lernte Jakob alle drei Sätze von Oskar Riedings Concertino in H-Moll. "Jakob ist wie ein Schwamm, der alles aufsaugt", sagt Auf Den Hövel. Er lerne deutlich schneller als andere und das auf allen Ebenen. Gleich zu Beginn seines Unterrichts bei ihr, komponierte er ein Duett für Blockflöte und Geige. "Ich habe bis dahin noch nie einen Schüler erlebt, der anfängt Duette und Sonaten zu komponieren." Ute Auf Den Hövel beschloss daraufhin, Jakob Altmann an den Pianisten Dieter Knirsch weiterzuvermitteln, wo er seit fünf Jahren auch noch Klavier und Improvisation erlernt. Auch bei ihm kann Jakob seine Kompositionen auf zahlreichen Konzertreihen vortragen und sich im "Konzerte schreiben" üben, während Dieter Knirsch ihm hilft seine Musik umzusetzen.

Aktuell arbeitet Jakob Altmann an Solo- und Orchesterstücke, die eher in Richtung Filmmusik gehen. Für das Fraunberger Orchester hat er ein Saxofon-Konzert geschrieben, das im Juni aufgeführt werden sollte. Unterstützung bekommt er seit diesem Jahr von Kay Westermann, Professor für Komposition an der Münchner Hochschule für Musik und Theater. Dorthin hat ihn ebenfalls seine Geigenlehrerin vermittelt. Nun hat der 15-Jährige alle zwei Wochen auch noch Kompositionsunterricht.

Damit schafft sich Jakob Altmann die besten Voraussetzungen, seinem großen Traum Stück für Stück näher zu kommen: Er will Filmkomponist werden, am besten natürlich einer wie Hans Zimmer. Man muss groß träumen, wenn man Großes schaffen will. Die volle Unterstützung seiner Eltern und Großeltern hat er jedenfalls. Dabei ist er seiner privilegierten Rolle eines Einzelkindes durchaus bewusst. Dass nicht alles klappt - wie seine Bewerbung, als Jungstudent an der Musikhochschule München für ein Filmmusikstudium aufgenommen zu werden, aus der in diesem Jahr aber nichts wurde - steckt er mit Gelassenheit weg. Vielleicht versucht er es nächstes Jahr wieder.

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SZ vom 13.07.2020
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