Süddeutsche Zeitung

Ermittlungen wegen Umweltgefährdung:Wurzer legt Geld für Prozess zurück

Nach der Durchsuchung des Betriebsgeländes Ende 2020 hat der Entsorgungskonzern eine Rückstellung mit mehreren Hunderttausend Euro gebildet. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Landshut gegen neun leitende Mitarbeiter dauern zwar noch an. Das Unternehmen rechnet jedoch selbst mit Geldstrafen.

Von Florian Tempel, Eitting

Müllentsorgung und Recycling ist ein notwendiges Geschäft. Der Dreck muss weg und die Wertstoffe sollen erhalten bleiben. Das ist eine wichtige Aufgabe und das soll sich lohnen. Das Familienunternehmen Wurzer in Eitting ist mit seinen vielfältigen Aktivitäten auf diesem Gebiet zu einem kleinen Konzern mit sieben Tochterunternehmen herangewachsen, der längst ein Komplettprogramm rund um Abfall, Entsorgung und Verwertung anbieten kann. Das Betriebsgelände am Hauptsitz in Eitting ist 27 Hektar groß. Insgesamt sind in der Wurzer-Gruppe gut 300 Mitarbeiter beschäftigt. Und der Umsatz lag im Geschäftsjahr 2020 bei stolzen 68,7 Millionen Euro.

Doch die Müllentsorgung ist auch ein heikles Geschäft. Seit fast zwei Jahren ermitteln Polizei und Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts auf offenbar schwer wiegende Verstöße gegen Umweltauflagen. Im Dezember 2020 rückten 100 Einsatzkräfte des Landeskriminalamts (LKA) bei Wurzer in Eitting an. Einen ganzen Tag lang, von acht bis 22 Uhr, wurde das komplette Betriebsgelände inklusive Büros und Wohnungen von Kriminaltechnikern und externen Gutachtern unter die Lupe genommen. Es war ein außergewöhnlicher Großeinsatz. Einer der Geschäftsführer reagierte damals wütend auf die Vorwürfe. "Das ist totaler Blödsinn, die Umwelt ist in keiner Weise zu Schaden gekommen", sagte er der Süddeutschen Zeitung.

Die Ermittlungen sind bereits im Sommer 2020 aufgenommen worden

Die Ermittlungen waren laut Auskunft der Staatsanwaltschaft Landshut bereits im Sommer 2020 aufgenommen worden. Es hätten sich "Personen gemeldet, die uns recht detailliert auf angebliche Missstände aufmerksam gemacht haben", sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft am Tag nach den Durchsuchungen. Es ging und geht unter anderem um den Verdacht, dass asbesthaltige Abfälle, belastetes Altholz und Klärschlamm falsch gelagert oder entsorgt worden ist, und das womöglich seit Jahren.

Das Unternehmen geht mittlerweile mit dem Ermittlungsverfahren erstaunlich transparent und offen um. Man kann darüber einiges im Konzernabschluss für das Jahr 2020 nachlesen, der im März im elektronischen Bundesanzeiger veröffentlicht worden ist. Da heißt es: "Gegen einige Gesellschaften der Wurzer-Gruppe bzw. deren leitende Mitarbeiter werden Ermittlungen wegen des Verfahrens der Umweltgefährdung durchgeführt." Die Staatsanwaltschaft Landshut präzisiert dazu auf SZ-Anfrage lediglich, dass sich die Ermittlungen gegen insgesamt neun Personen richten. Mehr sagt die Staatsanwaltschaft jedoch nicht, da es sich um ein laufendes Verfahren handle. Nur noch so viel: "Mit einem Abschluss der Ermittlungen ist nicht vor Ende dieses Jahrs zu rechnen."

Im Wurzer-Konzernabschluss steht etwas mehr drin. Dort heißt es: "Die Vorwürfe, unter anderem asbesthaltigen Abfall, Klärschlamm und belastetes Altholz falsch gelagert oder entsorgt zu haben, konnten in der vorgeworfenen Form entkräftet werden." Die Staatsanwaltschaft gibt dazu keine Stellungnahme ab. Doch von einer vollständigen Entlastung ist auch im Wurzer-Konzernabschluss nicht die Rede. Es sei durchaus "mit einer Geldstrafe, gegebenenfalls unter Auflagen" zu rechnen, heißt es dort. Deshalb habe man "aus Vorsichtsgründen eine Rückstellung für Prozessrisiken und Rechtsstreitigkeiten im mittleren Tausend-Euro-Bereich gebildet". Die genaue Zahl findet sich etwas weiter unten. Unter dem Punkt "sonstigen Rückstellungen" sind 583000 Euro für "Prozesskosten/Rechtsstreitigkeiten" sowie 215000 Euro für "Sonstige Verpflichtungen und Risiken" eingebucht.

Nach den Durchsuchungen konnte immerhin weitergearbeitet werden

Auf das Jahresergebnis hatte das alles einen wesentlichen negativen Effekt. Das Geschäftsjahr 2020 endet mit einem Verlust von einer Million Euro. "Die Planerwartungen in den Gesellschaften und damit die Prognose wurden deutlich verfehlt", steht im Konzernabschluss zu lesen. Und in der Begründung heißt es noch einmal explizit, "ausschlaggebend für die Zielverfehlung" sei eben auch die hohe "Rückstellungszuführung für Prozessrisiken" gewesen. Das trockene Fazit lautet schließlich: "Die Geschäftsführung war mit dem Verlauf des Geschäftsjahres 2020 daher nicht zufrieden."

Dabei hätte es für Wurzer noch viel schlimmer kommen können. Nach den Durchsuchungen konnte immerhin weitergearbeitet werden. Im Konzernabschluss findet das explizit Erwähnung: "Der Betrieb konnte angesichts der sofortigen Kooperationsbereitschaft mit den Behörden (...) sowie seiner Bedeutung für den Entsorgungsstandort Bayern aufrechterhalten werden."

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