Eitting:Für den Gemeindefrieden

Eitting: Adelgund und Georg Wiester sind ein eingespieltes Team. Ohne seine Frau hätte er das alles nicht geschafft, sagt der Eittinger Bürgermeister.

Adelgund und Georg Wiester sind ein eingespieltes Team. Ohne seine Frau hätte er das alles nicht geschafft, sagt der Eittinger Bürgermeister.

(Foto: Renate Schmidt)

Eittings Bürgermeister Georg Wiester hört nach zwölf Jahren im Amt auf. Vieles sei geglückt, sagt er rückblickend. Manches lief nicht so wie erwartet, "aber ich kann sagen, dass ich alles versucht habe"

Von Regina Bluhme, Eitting

Nach zwölf Jahren ist für Eittings Bürgermeister Georg Wiester offiziell am 30. April Schluss. Der 69-Jährige hat nicht mehr kandidiert. Die Frage nach dem lachenden und weinenden Auge quittiert er mit einem Schmunzeln. Darauf habe er schon gewartet, sagt er, die Antwort kommt prompt: "Mit einem lachenden Auge!" 52 Jahre im Berufsleben und davon 48 Jahre in der Kommunalverwaltung, das muss reichen. "Alles hat seine Zeit." Jetzt will Georg Wiester ohne Termindruck durchschnaufen, Zeit mit der Familie verbringen und endlich mit dem Fischen anfangen.

Ein Gespräch zum Abschied? "Da gehen wir zum Massimo", sagt Georg Wiester. Zu dem Zeitpunkt, Anfang März, ist an eine Ausgangssperre wegen Corona noch nicht zu denken und der Besuch in der Eittinger Pizzeria kein Problem. Wiesters Frau Adelgund kommt auch mit, ebenso Wiesters langjährige Assistentin, die Erdinger CSU-Stadträtin Stefanie Hagl.

Wiester beginnt zu erzählen. Die Eltern hatten in Eitting eine Landwirtschaft mit Pferden, Kühen, einem Stier, Hühnern und Enten. Dort ist er als Ältester von sechs Brüdern aufgewachsen, hat von Kind an mitarbeiten müssen, "mit zehn Jahren bin ich schon Mistbagger gefahren, mit zwölf dann den Bulldog auf dem Feld", erinnert sich Wiester. In seinem Amtszimmer hängt seit zwölf Jahren die Urkunde, die er 1967 fürs Leistungspflügen erhalten hat. "Die hat mir mehr bedeutet als die Beamtenurkunde", sagt er. Den elterlichen Hof hat ein Bruder übernommen, Wiester begann nach der Realschule im Finanzamt Erding und arbeitete dann ab 1972 in der Gemeindeverwaltung Eitting, ab 1978 als stellvertretender Geschäftsleiter.

Nachdem er 2006 eine lebensbedrohliche Erkrankung überwunden hatte, traute er sich das Amt des Bürgermeisters zu. 2008 kandidierte er gegen den damaligen Zweiten Bürgermeister Rudi Brand. Noch gut kann er sich an die Aufstellungsversammlung erinnern, über 500 Leute waren damals in die Turnhalle gekommen. Wiester ist dann mit deutlicher Mehrheit zum Kandidaten der Wählergruppe Gemeindefriede gekürt und schließlich zum Bürgermeister gewählt worden.

Einer Partei ist er nicht beigetreten, "ich wollte für alle Bürger da sein", sagt Wiester. Auch wenn das manchmal eine Nachtschicht bedeutete: Als er einmal abends vom Betriebsausflug der Gemeinde zurückkehrte, empfing ihn seine Frau mit der Nachricht, dass ein Eittinger verzweifelt vor der verschlossenen Gemeindekanzlei gestanden sei. Er benötigte dringend heute noch seinen Reisepass, "sonst wäre sein Reise am nächsten Morgen ins Wasser gefallen", erinnert sich Wiester. Um halb zwölf in der Nacht hat ihn dann seine Frau in die Kanzlei gefahren. "Es hat noch alles geklappt."

Georg und Adelgund Wiester sind seit 44 Jahren verheiratet. Der Sohn lebt mit der Familie ebenfalls am Ort. "Mir war es ein Anliegen, dass junge Eittinger hier weiter wohnen können, sich ein Heim schaffen können", betont Wiester. Insgesamt seien während seiner Amtszeit in mehreren Baugebieten 50 Wohnparzellen geschaffen worden. 2009 waren beim Projekt "Lindenhof" fünf Grundstücke im Angebot "und keiner wollte sie haben". Es war die Zeit der Bankenkrise. Dann hatte Adelgund Wiester die Idee für einen Werbeprospekt und es ging voran. Alle Parzellen wurden verkauft - für 195 Euro pro Quadratmeter. Davon können heute Bauherren nur träumen. 420 Euro zahlen sie in Eitting aktuell. Der Flughafen gleich ums Eck, die Lage im Speckgürtel von München und der Zuzug machen sich in der knapp 3000-Seelen-Gemeinde bemerkbar. Laut Planungsverband liegt Eitting im Landkreis an zweiter Stelle beim Bevölkerungswachstum.

In seine Amtszeit fällt auch der Bau der Kinderkrippe. Eine Million Euro musste die Gemeinde dafür aufnehmen. Im Januar war die letzte Rate fällig. "Ich möchte die Gemeinde schuldenfrei hinterlassen", sagt Wiester. Und dennoch: Ab September werden neben dem Kindergarten zusätzliche Räume in Containerbauweise geschaffen werden. Das Haus muss erweitert werden, aber das muss dann sein Nachfolger Reinhard Huber in die Hand nehmen.

Auf seine Gemeinde lässt Wiester nichts kommen: 30 Vereine, "da bin ich stolz drauf", ein Bäcker, ein Metzger, eine Brauerei, mehrere Gasthäuser - "welche kleine Gemeinde hat das schon noch?" Wiester zählt weiter wichtige Projekte auf: Sanierung der Schulturnhalle, neue Schulfassade, Sanierung Dorfplatz Reisen, neue Schützenhalle in Gaden - und dann natürlich die Erweiterung von Rewe. Der Konzern hat 2016 eines seiner Fruchtlogistiklager in Eitting errichtet.

"Ohne meine Frau hätte ich das alles nicht geschafft", betont Georg Wiester. "Sie ist eine super Beraterin". Auch wenn sie anfangs nicht begeistert gewesen sei von der Kandidatur ihres Mannes, wie sie zugibt. Auf eins haben beide aber immer Wert gelegt: "Das gemeinsame Frühstück am Morgen, das musste immer sein", sagt Georg Wiester.

In den zwölf Jahren musste er als Bürgermeister auch Niederlagen einstecken. Erst vor wenigen Wochen ist die Gemeinde vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof mit ihren Änderungsanträgen für den Erdinger Ringschluss gescheitert. Bei den Klagen gegen die dritte Startbahn am Münchner Flughafen besuchte er jede einzelne Verhandlung, die seine Gemeinde betraf. "Es war der Wahnsinn. Ich als kleiner Bürgermeister auf der einen Seite, eine Phalanx von Rechtsanwälten auf der Gegenseite". Auch hier hat Eitting eine Abfuhr kassiert. "Aber ich kann sagen, dass ich alles versucht habe", so Georg Wiester.

Jetzt will er seinen Ruhestand genießen. Vor allem freut er sich auf mehr Zeit mit seiner Frau und der Familie. Gerne will er bei den Böllerschützen aktiv werden, immerhin hat er eine eigene Kanone zum 60. Geburtstag geschenkt bekommen. Dann gibt es da noch die bestandene Fischerprüfung aus dem Jahr 1980. Zum Fischen ist er bislang nie gegangen. Jetzt will er sich den Schein ausstellen lassen.

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